Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht der Werbeschriftsteller.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezeichnet sich als selbständigen "Werbeschriftsteller". Nach seinen Angaben besteht seine Tätigkeit darin, daß er gegen Zeilenhonorar für Funkwerbefirmen Texte verfaßt, die in Rundfunkwerbesendungen durch Schauspieler gesprochen werden. Er erhält von den Funkwerbefirmen lediglich Angaben wie Firmennamen, Anschrift und Bezeichnung der Erzeugnisse der Firmen, die im Rundfunk werben wollen, während er selbst die grundsätzliche Werbelinie und den Charakter der Durchsagen bestimmt. Bei den Sendungen führt er ohne besonderes Entgelt auch vereinzelt Regie. Außerdem fertigt er - nach seiner Angabe in geringem Umfang - entgeltlich Anzeigentexte für Auftraggeber.

Das Finanzamt hat in der Tätigkeit des Bf. eine nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 420/41 vom 10. Dezember 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 78) gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit als Werbeberater erblickt und ihn für die Streitjahre zur Gewerbesteuer herangezogen. Im Rechtsmittelverfahren hat der Bf. geltend gemacht, er sei nicht Werbeberater, sondern Werbeschriftsteller und damit Angehöriger eines freien Berufes. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Die Vorinstanz hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Nach ständiger Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs I 206/53 U vom 25. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 484, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 386, und die dort angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs und Obersten Finanzgerichtshofs) sei die Tätigkeit eines Werbeberaters eine gewerbliche, da er in die typische kaufmännische Aufgabe des Vertriebes und des Umsatzes einbezogen sei. Eine andere Beurteilung könne in übereinstimmung mit der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 405/40 vom 13. November 1940 (RStBl 1941 S. 179) nur in Ausnahmefällen für gerechtfertigt erachtet werden, nämlich dann, wenn eine rein schriftstellerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliege, die von der eines typischen Werbeberaters wesensverschieden sei. Insoweit möge dem Bf. beizutreten sein. Desgleichen bestünden keine Bedenken dagegen, unter die Schriftsteller auch jemanden einzureihen, der seine Gedanken nicht selbst, sondern, wie der Bf., durch Schauspieler oder sonstige Personen an die öffentlichkeit bringe. Beim Bf. handle es sich um einen Grenzfall. Gegen eine rein schriftstellerische Betätigung spreche in gewissem Grade der Umstand, daß er für Auftraggeber auch Anzeigentexte liefere. Die den Hauptteil seiner Arbeit bildenden Funkwerbetexte setzten sich ausweislich der zu den Akten gegebenen Schriftstücke aus einzelnen auf die jeweilige Firma bezüglichen, stofflich miteinander nicht unmittelbar zusammenhängenden kleineren Texten zusammen. Sie zeigten insofern eine gewissen übereinstimmung mit Anzeigentexten und ließen so eine Gleichstellung mit Schriftwerken, wie z. B. Hörspielen, nicht zu. Entscheidende Bedeutung sei jedoch der Frage beizumessen, ob die Werbetexte, jeder für sich betrachtet, nach ihrem Inhalt den Charakter einer schriftstellerischen Arbeit trügen. Das glaube das Gericht, wenn auch manches dafür spreche, verneinen zu müssen. Denn die vom Bf. verfaßten Texte stellten nach ihrem inhaltlichen Kern Warenanpreisungen dar, die durch einleitende und verbindende Sätze in einen gefälligen, manche Hörerkreise ansprechenden Rahmen gestellt seien. Sie entsprächen trotz ihrer Eigenart nicht den Vorstellungen, die man gemeinhin mit dem Begriff eines eigenschöpferischen schriftstellerischen Erzeugnisses verbinde.

In der Rechtsbeschwerde macht der Bf. in erster Linie geltend, bei seiner Tätigkeit seien alle wesentlichen Begriffsmerkmale einer schriftstellerischen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erfüllt. Nach Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., S. 841, sei eine Tätigkeit schriftstellerisch, wenn auf irgend einem Gebiete selbständige Gedanken schriftlich der öffentlichkeit vorgelegt würden. Seine Werbetexte bestünden aus humorvollen Empfehlungen und enthielten oft komische Ideenassoziationen. Hierzu gehöre eigene Gedankentätigkeit und individuelle Gestaltungskraft. Die schriftstellerische Tätigkeit brauche im Gegensatz zu der künstlerischen nicht eigenschöpferisch zu sein: es genüge die Entwicklung eigener Gedanken. Wenn auch seine Arbeiten keine Hörspiele seien, so seien sie doch schriftstellerische Erzeugnisse. Daß er sich nicht unmittelbar in schriftlicher Darstellung an die öffentlichkeit wende, sei unerheblich, da der Rundfunk im Laufe der technischen Entwicklung immer mehr zur gesprochenen Zeitung geworden sei. Seine Tätigkeit habe mit der eines Werbeberaters, der Unternehmungen bei der Planung und Durchführung aller werbenden Maßnahmen zu beraten und zu unterstützen habe, nichts zu tun. Er stehe zu den Firmen, auf deren Erzeugnisse sich seine Arbeiten bezögen, in keinem rechtlichen Verhältnis. Im übrigen könne die Auffassung, eine freie Berufstätigkeit werde immer dann zu einer gewerblichen, sobald der Arbeitserfolg gewerblichen Zwecken diene, heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Zum mindesten sei seine Tätigkeit als schriftstellerähnlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anzusehen, weil er bei seiner Arbeit kein gewerbliches, sondern ein geistiges Vermögen verwerte.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

Die für die Entscheidung maßgebende Vorschrift des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG enthält keine Begriffsbestimmung der schriftstellerischen Tätigkeit. Die Rechtsprechung zu § 4 Ziff. 13 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 (jetzt § 4 Ziff. 17) hat den Begriff des Schriftstellers wie folgt erläutert (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 296/38 vom 16. Februar 1940, RStBl 1940 S. 415):

Er muß schreiben,

er muß für die öffentlichkeit schreiben,

es muß sich um den Ausdruck eigener Gedanken handeln, mögen sich diese auch auf rein tatsächliche Vorgänge beziehen.

Nach dieser Rechtsprechung ist es, worin der Rechtsbeschwerde zuzustimmen ist, nicht erforderlich, daß das Geschriebene einen wissenschaftlichen oder künstlerischen Inhalt hat. Der Schriftsteller braucht weder ein Dichter noch ein Künstler noch ein Gelehrter zu sein. Es bestehen keine Bedenken, diese zum UStG ergangene Rechtsprechung auch auf die schriftstellerische Tätigkeit im Sinne des EStG anzuwenden (vgl. die in der Rechtsbeschwerde angeführte Stelle im Kommentar von Blümich-Falk, ferner Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 9 zu § 18 EStG).

Nach dem festgestellten Sachverhalt und den vorgelegten Proben genügen die vom Bf. für die Rundfunksendungen verfaßten Werbetexte den vorbezeichneten Anforderungen. Daß ein Schreiben für die öffentlichkeit auch vorliegt, wenn die Texte nicht in Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlicht, sondern im Rundfunk vorgetragen werden, hat die Vorinstanz bei der Stellung des Rundfunks im öffentlichen Leben zutreffend angenommen. In den Werbetexten kommen auch eigene Gedanken des Bf. zum Ausdruck. Der Fall liegt hier anders als derjenige, den das vom Finanzamt angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs VI 420/41 vom 10. Dezember 1941 behandelt. Der Reichsfinanzhof ist davon ausgegangen, daß sich der Werbeberater (Werbeschriftsteller) in der Hauptsache nur mit der redaktionellen Textgestaltung der Werbeschriften und Anzeigen befaßt und Anregungen für die Wortfassung, die Satzstellung, die Schriftgrade usw. gibt, während er die Grundgedanken der Werbeschrift von den auftraggebenden Unternehmen erhält. Im vorliegenden Fall sind jedoch die Werbetexte ein Produkt origineller Gedankenarbeit des Bf., der die grundsätzliche Werbelinie und den Charakter der Durchsagen bestimmt. Daß die Werbetexte ihrem inhaltlichen Kern nach Warenanpreisungen darstellen, kann für sich allein den Bf. nicht zum Gewerbetreibenden machen. Wie der Senat in dem einen Werbeberater betreffenden Urteil IV 560/56 U vom 20. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 182) ausgesprochen hat, erscheint es nicht vertretbar, für die Frage der Gewerbesteuerpflicht die endgültige Verwendung des Geschaffenen entscheidend sein zu lassen und damit den Begriff der künstlerischen Tätigkeit zu objektivieren. Das würde, so hat der Senat in dem Urteil ausgeführt, praktisch bedeuten, daß ein künstlerisch Schaffender nicht mehr als Künstler im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anerkannt werden könnte, wenn - was für den Werbeberater nach der Art seines Berufes stets zutreffen werde - sein Erzeugnis auf dem gewerblichen Sektor der Wirtschaft Verwendung finde und sein Schaffen aus dieser Zielsetzung heraus erfolge. Die gleichen Grundsätze müssen auch für die schriftstellerische Tätigkeit eines Werbeschriftstellers gelten.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Der Bf. wird jedenfalls insoweit, als er in den Streitjahren Werbetexte für Rundfunksendungen verfaßt hat, nicht als Gewerbetreibender, sondern als ein zu den freien Berufen zählender Schriftsteller zu behandeln sein. Die Sache ist jedoch insofern nicht spruchreif, als noch nicht geklärt ist, ob auch die Fertigung von Anzeigentexten durch den Bf. nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen als schriftstellerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG angesehen werden kann. Hierbei kommt es darauf an, wie sich diese Tätigkeit im einzelnen vollzieht. Die Vorinstanz, an die die Sache zurückverwiesen wird, wird deshalb hierüber noch nähere Feststellungen zu treffen haben. Ist die Tätigkeit des Bf. insoweit als gewerbliche zu beurteilen, so wird er ohne Rücksicht auf ihren Umfang nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 116/55 U vom 23. Oktober 1956 (Slg. Bd. 64 S. 46, BStBl 1957 III S. 17) mit den hieraus erzielten Einkünften zur Gewerbesteuer heranzuziehen sein (vgl. auch das Urteil des Senats IV 390/55 U vom 28. März 1957, Slg. Bd. 64 S. 490, BStBl 1957 III S. 182); denn es wird davon ausgegangen werden können, daß eine getrennte Behandlung der beiden Tätigkeiten ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist. Erforderlichenfalls sind die Betriebsausgaben schätzungsweise aufzuteilen.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 316

BFHE 1959, 115

BFHE 67, 115

StRK, GewStG:2/1 R 80

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