Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität (ß 4 Abs. 1 EStG) ist dort nicht zulässig, wo die Möglichkeit einer Berichtigungsveranlagung für das Jahr besteht, dessen Schlußbilanz den unrichtigen Bilanzansatz erstmals ausweist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Hotel der Beschwerdeführerin (Bfin.) ist während des letzten Krieges von der deutschen Wehrmacht auf Grund des Reichsleistungsgesetzes zu Lazarettzwecken in Anspruch genommen worden. Die Bfin. erhielt dafür eine monatliche Nutzungsentschädigung von 25.000 RM. Nach der Besetzung durch die amerikanische Wehrmacht mußte das Hotel auf Grund eines Requisitionsbescheides vom 29. Juli 1945 für die Zwecke der Amerikaner zur Verfügung gehalten werden. Die tatsächliche Inbesitznahme geschah erst Mitte August 1945. Die Nutzungsentschädigung für das Lazarett ist bis einschließlich Juli 1945 von der Lazarettverwaltung gezahlt worden. Für August 1945 ist eine Zahlung weder vom Deutschen Reich (Lazarettverwaltung) noch von der amerikanischen Wehrmacht, bzw. durch das Besatzungskostenamt als ihrer Zahlstelle geleistet worden.

Die Bfin. hat in ihre Bilanzen vom 31. Dezember 1945 und vom 31. Dezember 1946 eine Forderung "Reservelazarett" in Höhe von 30.000 RM eingesetzt. Nach den im Berufungsverfahren von der Bfin. gegebenen Erläuterungen handelt es sich hinsichtlich des Betrages von 27.000 Mark um Nutzungsentschädigung für August 1945 und hinsichtlich von 3.000 RM um Ersatz für während der Lazarettbelegung angerichtete Schäden. In der Bilanz zum 31. Dezember 1947 hat die Bfin. die Forderung gewinnmindernd auf 0 RM abgeschrieben. Das Finanzamt hat die Abschreibung nicht zugelassen. Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt.

Die Forderung sei wertlos. Die vom Finanzamt geforderte Neutralisierung des Forderungsverlustes durch Einsetzung eines gleich hohen Aktivpostens in der Anfangsbilanz 1947 bedeute eine Unterbrechung des Bilanzenzusammenhanges. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1945 sei unter Einbeziehung der Forderung der Gewinn einheitlich auf 26.659,40 RM festgestellt worden. Für 1946 habe sich ein Verlust von 43.291 RM ergeben. Der Gewinn 1947 betrage ohne Berücksichtigung der Abschreibung in Höhe von 30.000 RM 105.020 RM. Die Gewinne verteilten sich auf zwei Gesellschafter. Infolge der starken Progression des Einkommensteuertarifes nach dem Kontrollratgesetz Nr. 12 ab 1946 wirke sich eine Abschreibung 1947 stärker aus als im Jahre 1945. Es sei möglich, daß im vorliegenden Falle die Voraussetzungen einer Berichtigungsveranlagung für 1945 nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) erfüllt seien. Die Verjährung sei noch nicht eingetreten, da das Finanzamt den Gewinnfeststellungsbescheid erst unter dem 12. Mai 1949 für 1945 herausgegeben habe. Trotzdem glaube das Finanzgericht unter Berücksichtigung der Interessen der Bfin. und des Fiskus, daß es Treu und Glauben nicht widerspreche, im vorliegenden Falle den Bilanzenzusammenhang zu unterbrechen und in die Anfangsbilanz 1947 einen entsprechenden Korrektivposten einzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Eine Durchbrechung des Bilanzenzusammenhanges kann in den Fällen, in denen eine Berichtigungsveranlagung der Vorjahre mit Rücksicht auf eine nach der Veranlagung festgestellte falsche Bilanzierung zulässig ist, nicht anerkannt werden (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 73/35 vom 6. November 1936, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 17). Die Grundsätze von Treu und Glauben erfordern es, daß der verfahrensmäßig vorgesehene Weg von den Finanzverwaltungsbehörden eingeschlagen und nicht eine den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes widersprechende Doppelbesteuerung eines in der Bilanz aktivierten Betrages im Wege der Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität durchgeführt wird. Im einzelnen siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1963/29 vom 16. Dezember 1931, RStBl. 1932 S. 528, sowie auch die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 4/49 vom 19. November 1949, Steuerrechtskartei, Einkommensteuergesetz, Kontrollratgesetz Nr. 12 Art. VIII Rechtsspr. 8 a-c, und Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 302/50 S vom 1. Dezember 1950, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1951 III S. 10. Das Finanzgericht mußte die Frage der Zulässigkeit einer Berichtigungsveranlagung 1945 prüfen, und konnte nur bei ihrer Verneinung die von ihm getroffene Entscheidung erlassen, sofern es im übrigen die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität gegeben sah.

Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden. Nach den vorliegenden Akten ist es zweifelhaft, ob das Finanzamt den Gewinnfeststellungsbescheid 1945, wie das Finanzgericht ausführt, unter dem 12. Mai 1949 herausgegeben hat. An diesem Tage wurde der Bescheid für 1947 erlassen. Nach den Akten erging der Gewinnfeststellungsbescheid für 1945 bereits unter dem 30. Januar 1947 als Einspruchsentscheidung. Es ist möglich, daß nunmehr die Verjährung einer Berichtigungsveranlagung 1945 entgegensteht (ß 144 AO). Es war dies aber nicht der Fall zur Zeit des Erlasses des Steuerbescheides, der Einspruchsentscheidung und auch während der überwiegenden Zeit, in der das Verfahren beim Finanzgericht schwebte. Ist auf diese Weise eine Verjährung der noch nicht geltend gemachten Ansprüche aus dem Jahre 1945 eingetreten, so ist dies nicht dem Steuerpflichtigen zuzurechnen. Unter diesen Verhältnissen muß eine Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität als unzulässig angesehen werden.

Im übrigen nimmt der Senat bei freier Würdigung des Tatbestandes nicht an, daß es sich bei der Bilanzierung 1945 um eine bewußte Täuschung des Finanzamts durch die Firma gehandelt hat. Der Gewinn für 1947 muß deshalb auf 75.020 RM festgestellt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407640

BStBl III 1953, 158

BFHE 1954, 406

BFHE 57, 406

BB 1953, 645

DB 1953, 524

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