Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen / Grundstück mit noch zu errichtendem Fertighaus

 

Leitsatz (NV)

1. Unterzeichnet jemand einen Vertragsantrag auf Lieferung eines Fertighauses für ein bestimmtes Grundstück und erwirbt er danach das Grundstück, so kann Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein, wenn vertragliche Beziehungen zwischen Grundstücksveräußerer und Fertighauslieferer bestehen.

2. Hat der Grundstückserwerber bezüglich des Kellerausbaus völlig freie Hand behalten, so sind die Aufwendungen für den Keller nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks plante eine Aufteilung in Wohnungseigentum. Das Wohnhaus sollte in acht Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Darüber hinaus sollten auf drei real abgegrenzten Teilflächen des Grundstücks Fertighäuser eines bestimmten Typs der Firma X-GmbH errichtet und daran jeweils Sondereigentum begründet werden, verbunden mit Sondernutzungsrechten u. a. an den dazugehörigen Flächen.

Am . . . 1983 unterzeichneten die Kläger - ein Ehepaar - einen Kaufantrag gerichtet an die Firma X-GmbH & Co. über die Errichtung eines Fertighauses eines bestimmten Typs. Der Vertragsantrag enthielt den Hinweis ,,vorbehaltlich Grundstückskauf". Als Baustellenanschrift wurde das erwähnte Grundstück angegeben. Die Auftragsbestätigung erfolgte unter dem Datum vom . . . 1983 zu einem Gesamtpreis von 172 505 DM, einschließlich Umsatzsteuer. Sie enthielt wiederum den Hinweis, der Vertrag gelte vorbehaltlich des Grundstückskaufs. Ebenfalls am . . . 1983 unterzeichneten die Kläger mit der Y-GmbH einen ,,Kaufvertrag" über das Kellergeschoß zu einem Gesamtpreis von 85 326 DM, einschließlich Umsatzsteuer. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. desselben Monats erwarben die Kläger je zur Hälfte einen Miteigentumsanteil an dem bezeichneten Grundstück verbunden mit dem noch zu bildenden Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung gemäß einem beigefügten Lageplan sowie bestimmte Sondernutzungsrechte. Der Kaufpreis betrug 161 145 DM. Das mit Typ bezeichnete Fertighaus der Firma X sollte nach diesem Vertrag auf Kosten der Kläger errichtet werden, irgendwelche Verpflichtungen im Zusammenhang damit sollten dem Veräußerer nicht obliegen. Die - eingangs geschilderten - Aufteilungs- und Bebauungsabsichten wurden in diesen Vertrag aufgenommen. Die Kläger erklärten dem beklagten Finanzamt (FA) gegenüber u. a., da der Veräußerer auf einem Teilstück ein X-Fertighaus errichten wolle, die Bebauung dieses Teilstücks und des von den Klägern erworbenen Teilstücks jedoch nur mit einem Doppelhaus sinnvoll bzw. möglich sei, sollten sie, die Kläger, als Käufer ihres Teilstücks ebenfalls mit Bebauung durch die Firma X einverstanden sein.

Das beklagte FA setzte gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4 189 DM fest. Es sah die drei Verträge als einheitliches Vertragswerk an, das auf den Erwerb des Miteigentums am bebauten Grundstück gerichtet war. Es zog dementsprechend die Aufwendungen der Kläger aus allen drei Verträgen in die Gegenleistung mit ein.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß nur der Kaufpreis für das Grundstück Gegenleistung sei. Es liege kein einheitliches Vertragswerk vor. Sie seien Bauherren gewesen. Der Grundstücksveräußerer habe in keinerlei geschäftlicher Beziehung zur Firma X gestanden. In der Ausgestaltung der Verträge über das Haus und den Keller seien sie frei gewesen. Die Y-GmbH hätten sie sich selber ausgesucht.

Das Finanzgericht (FG) hat (mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 415 veröffentlichten Entscheidung) der Klage stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei der Miteigentumsanteil am unbebauten Grundstück. Der Hauskaufvertrag stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Erwerb des Miteigentumsanteils. Daraus ergebe sich jedoch noch nicht, daß ein einheitlicher Vertrag i. S. des § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorliege. Ein solcher setze voraus, daß die mehreren Vertragspartner des Erwerbers einen entsprechenden gemeinschaftlichen Willen hätten, dieser Wille zum Ausdruck gekommen und vom Erwerber akzeptiert worden sei. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es habe für das Gericht kein Anlaß bestanden, wegen eines eventuell vorhandenen einverständlichen Handelns zwischen dem Grundstücksveräußerer und der Fertighauslieferfirma Ermittlungen anzustellen. Einer Aufbauvereinbarung mit den übrigen Erwerbern habe es nicht bedurft. Hinsichtlich des Kellervertrags könne eine rechtliche Abhängigkeit weder vom Erwerb des Miteigentums noch vom Erwerb des Hauses festgestellt werden. Schon deswegen sei das Entgelt dafür nicht Teil der Gegenleistung.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FG hat unzutreffend als Gegenstand des Erwerbsvorgangs die Miteigentumsanteile am unbebauten Grundstück angesehen. Dementsprechend hat es zu Unrecht die Aufwendungen für den Erwerb des Fertighauses nicht als Gegenleistung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 behandelt. Die Klage hat nur hinsichtlich der Aufwendungen für den Keller Erfolg und ist im übrigen abzuweisen.

1. Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der noch zu bildenden Eigentumswohnung ist ein (jeweils) der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).Es folgen Ausführungen, die denen der vorstehend abgedruckten Entscheidung vom 6. Dezember 1989 II R 113/87 ab II. Absatz 4 entsprechen.Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ist dies im Streitfall der Miteigentumsanteil am bebauten Grundstück.

Die Kläger haben bereits vor Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück einen Vertragsantrag auf Lieferung eines bestimmten Fertighauses unterzeichnet. Dieser Antrag bedurfte zwar noch der Annahme durch den Vertragspartner, dieses Wirksamkeitserfordernis trat jedoch ohne weiteres Zutun der Kläger ein. Dieser Vertrag (und das zu errichtende Fertighaus) waren bereits zugeschnitten auf das Grundstück. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstücksvertrags durch die Kläger stand daher objektiv fest, daß sie dieses bebaut mit einem ganz bestimmten Gebäude zu einem bestimmten Preis erhalten würden. Die Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung stand daher nicht mehr in ihrem freien Belieben. Das FG hat weder eine vertragliche noch eine sonstige besondere Beziehung zwischen Grundstücksveräußerer und Fertighauslieferer festgestellt. Die detaillierte Darstellung im Grundstückskaufvertrag selbst über die bestehenden Aufteilungs- und Bebauungsabsichten (einschließlich Benennung der Fertighauslieferfirma) und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit zu einer abgestimmten Bebauung machen zumindest ein - für die erwerbenden Kläger erkennbares - abgestimmtes Verhalten zwischen Grundstücksveräußerer und Fertighauslieferer deutlich. Diese Verflechtung wird dadurch bekräftigt, daß die Kläger - nach ihren eigenen Angaben - mit der Bebauung durch die Firma X einverstanden sein sollten. Bei objektiver Betrachtung erhielten sie daher das Grundstück in bebautem Zustand. Die Aufwendungen für den Erwerb des Fertighauses sind daher Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983.

Nicht erfaßt von dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den Verträgen wird im Streitfall der Vertrag über den Kellerausbau.

Nach den Feststellungen des FG besteht keine Verbindung der übrigen auf der Veräußererseite auftretenden Personen zu dem ausführenden Unternehmen. Es ist auch keine rechtliche oder faktische Bindung des Klägers zum Abschluß gerade dieses Vertrages festgestellt. Die Kläger tragen vielmehr unwidersprochen vor, bezüglich der Auswahl des Vertragspartners in ihrer Entscheidung frei gewesen zu sein. Die revisionsgerichtliche Überprüfung hat daher davon auszugehen, daß die Kläger bezüglich des Kellerausbaus völlig freie Hand behalten haben. Dies schließt zwar nicht aus, daß insgesamt das bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, die Aufwendungen für den Keller selbst sind jedoch nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Wie Eigenleistung sind sie vielmehr aus der Gegenleistung herauszunehmen (vgl. BFH-Entscheidung vom 1. Dezember 1982 II R 58/81, BFHE 137, 504, BStBl II 1983, 336).

2. Die Sache ist spruchreif. Die vom FA festgesetzte Steuer ist jeweils um den Betrag zu mindern, der sich durch die Herausnahme der Aufwendungen für den Keller aus der Gegenleistung ergibt. Daraus ergibt sich eine Gegenleistung von insgesamt 333 650 DM (= 161 145 DM + 172 505 DM), wovon 166 825 DM auf den jeweiligen Erwerb der Kläger entfallen. Dies führt zu einer Grunderwerbsteuer von je 3 336 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416830

BFH/NV 1991, 346

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge