Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Erklärt der Steuerpflichtige dem Finanzamt, daß eine Rechtsmittelrücknahme nicht in Betracht komme, daß er vielmehr auf Durchführung und Entscheidung seines Rechtsmittels bestehe, so ist damit dem Finanzamt gegenüber mit hinreichender Bestimmtheit und Erkennbarkeit zum Ausdruck gebracht, daß der Vertreter des Steuerpflichtigen zur Rechtsmittelrücknahme nicht oder nicht mehr ermächtigt sein soll.

Bei schwieriger Beweislage, insbesondere dann, wenn Behauptung gegen Behauptung steht und es entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der zu hörenden Personen ankommt, wird das Finanzgericht der ihm nach § 243 Abs. 1 AO obliegenden Pflicht zur Sachaufklärung aus den in der Entscheidung des Senats IV 410/52 U vom 29. Oktober 1953 (BStBl 1954 III S. 6, Slg. Bd. 58 S. 239) genannten Gründen am besten dadurch gerecht, daß es die Beweisaufnahme unmittelbar selbst in mündlicher Verhandlung durchführt.

 

Normenkette

AO § 102 Abs. 2, §§ 253, 243, 272; FGO § 90/1; AO § 277; FGO § 81; BGB §§ 164, 167 Abs. 1, § 168

 

Tatbestand

Die Einkommensteuerveranlagungen des Bf. für die Veranlagungszeiträume 1950 bis 1955 wurden nach einer im Februar 1957 durchgeführten Betriebsprüfung, deren Ergebnis der Bf. in der Schlußbesprechung vom 23. Februar 1957 anerkannt hatte, gemäß § 222 AO durch einen am 20. Mai 1957 zur Post gegebenen Sammelbescheid berichtigt. Durch Urkunde vom 4. Juni 1957 bevollmächtigte der Bf. den Helfer in Steuersachen M., ihn in seinen Steuerangelegenheiten vor dem Finanzamt zu vertreten und rechtsverbindlich für ihn zu zeichnen. Durch ein am 5. Juni 1957 bei dem Finanzamt eingegangenes Schreiben vom gleichen Tage, dem die Vollmachtsurkunde vom 4. Juni 1957 beilag, legte der Vertreter des Bf. gegen den Bescheid vorsorglich Einspruch ein, den er erstmals mit Schreiben vom 21. September 1957 begründete. Am 16. November 1957 erklärte er nach mehrfachen Rücksprachen mit dem Betriebsprüfer zur Niederschrift des Finanzamts:

"Die obigen Einsprüche nehme ich namens und im Auftrage meines Mandanten hiermit zurück und bitte, von der Erhebung von Rechtsmittelkosten abzusehen."

Die Niederschrift wurde von dem für den Bf. zuständigen Sachbearbeiter - Steuerinspektor N. - aufgenommen. Mit Schreiben vom 11. März 1958 teile der Bf. dem Finanzamt mit:

"Wie ich mit Erstaunen in der heutigen Verhandlung zur Kenntnis nahm, hat der genannte Helfer in Steuersachen, G. H. M., entgegen meinen ausdrücklichen Weisungen das Rechtsmittel als zurückgenommen erklärt."

Mit einem weiteren Schreiben vom 12. März 1958 beantragte er, "das eingelegte Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung als solches weiter zu behandeln"..

Das Finanzamt verwarf den Einspruch unter Hinweis auf § 253 Satz 3 AO als unzulässig. Es berief sich dabei auf eine Erklärung, die der Helfer in Steuersachen vor der Strafsachenstelle des Finanzamts laut Niederschrift vom 1. April 1958 abgegeben hat und die unter anderem wie folgt lautet:

"In der Unterredung mit den Eheleuten H. - vor dem 16. 11. 1957 - brachte ich klar zum Ausdruck, daß das Rechtsmittel meiner Ansicht nach keine Aussicht auf Erfolg habe, und kam mit ihnen überein, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Beweis: meine ausdrückliche Formulierung im Protokoll vom 16. 11. 1957

"Namens und im Auftrage meines Mandanten ...." Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzamt aus: Der Bf. habe seinen Vertreter - den Helfer in Steuersachen M. - rechtswirksam uneingeschränkt bevollmächtigt. Diese Vollmacht gelte in ihrem vollen Umfange auch für das Rechtsmittelverfahren. Die Rücknahmeerklärung des Bevollmächtigten wirke daher gemäß § 164 BGB "unmittelbar für und gegen den Bf.". Wenn der Bf. seinem Bevollmächtigten die Rücknahme des Rechtsmittels untersagt haben sollte, betreffe diese Einschränkung nur das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem, berühre aber nicht die Rechtswirksamkeit der Rücknahmeerklärung.

Die Berufung des Bf. blieb ohne Erfolg. In der Berufungsinstanz trug der Bf. erstmals vor: Die Darstellung, die der Helfer in Steuersachen M. am 1. April 1958 gegeben habe, entspreche nicht den Tatsachen. Sie werde in vollem Umfange bestritten. Er - der Bf. - habe zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens daran gedacht, "von seinem berechtigten Rechtsmittel Abstand zu nehmen". Die Rücknahmeerklärung sei gegen seinen erklärten und bekannten Willen erfolgt. Sein Vertreter habe nicht seine Zustimmung gehabt. Dieser habe auch mit ihm nicht vor dem 16. November 1957 die beabsichtigte Rechtsmittelrücknahme besprochen. Er - der Bf. - sei deshalb überrascht gewesen, als er von der Rücknahmeerklärung seines Vertreters erstmals am 11. März 1958 anläßlich einer Verhandlung vor der Strafsachenstelle erfahren habe. über diese Verhandlung sei keine Niederschrift aufgenommen worden. Aus ihr würde sich sonst seine überraschung ergeben haben. Auch dem Finanzamt sei die Beschränkung der Vollmacht bekannt gewesen. Im Monat September 1957 seien - einige Tage vor seiner Einlieferung in das Krankenhaus - fernmündlich vom Finanzamt aufgefordert worden, sein Rechtsmittel zurückzunehmen. Zunächst habe mit ihm ein Beamter gesprochen, dessen Name ihm nicht bekanntgeworden sei. Anschließend habe der Betriebsprüfer A. mit ihm gesprochen. Später - nach seiner Einlieferung in das Krankenhaus - sei seine Ehefrau wegen der Rechtsmittelrücknahme noch zweimal vom Finanzamt angerufen worden. In jedem Falle sei dem Finanzamt - von ihm wie von seiner Ehefrau - mit Nachdruck bedeutet worden, daß - ohne Rücksicht auf etwaige Verfahrenskosten - eine Rechtsmittelrücknahme im Hinblick auf die völlig unberechtigten Steuernachforderungen keinesfalls in Betracht komme und daß - wie im Schriftsatz vom 28. August 1958 an die Oberfinanzdirektion ausgeführt - "die Einsprüche bis zur Entscheidung durchgeführt würden". Das Finanzamt habe bereits aus seiner Weigerung, die er dem Betriebsprüfer A. gegenüber ausgesprochen habe und die durch diesen zur Kenntnis des Finanzamts gelangt sei, entnehmen müssen, daß er die Vollmacht seines damaligen Helfers in Steuersachen in dem Sinne habe einschränken wollen, daß dieser zur Rechtsmittelrücknahme nicht befugt sein solle. Diese Beschränkung der Vollmacht habe mündlich erfolgen können. Schriftform sei nicht erforderlich. Daß das Finanzamt seine Weigerung auch im Sinne einer Vollmachteinschränkung verstanden habe, ergebe sich daraus, daß es "in späterer Zeit" noch zweimal bei seiner Ehefrau fernmündlich angefragt habe, ob die Rechtsmittel aufrechterhalten würden. Andernfalls würde es sich in dieser Frage unmittelbar an den Helfer in Steuersachen gewandt haben.

Das Finanzgericht veranlaßte das Finanzamt, "dienstliche äußerungen des Steuerinspektors N. und des Vertragsangestellten A. über den Inhalt der Ferngespräche herbeizuführen". Vertragsangestellter A. hat eine von ihm unterzeichnete Erklärung abgegeben. Der seit dem 1. Juni 1958 an das Finanzamt C. versetzte Steuerinspektor N. hat seine Erklärung vor dem Finanzamt zur Niederschrift abgegeben, die von dem außerplanmäßigen Steuerinspektor B. aufgenommen wurde. Steuerinspektor N. hat erklärt: Da die erst nach etwa 3 1/2 Monaten eingereichte Einspruchsbegründung unzulänglich gewesen sei, seien nach seiner Erinnerung der Bf. und seine Ehefrau fernmündlich gebeten worden, möglichst bald eine ausreichende Begründung vorzulegen oder, wenn dies nicht möglich sein sollte, die Einsprüche zurückzunehmen. Anlaß zu den Ferngesprächen sei die Tatsache gewesen, daß eine Steuerausschußsitzung bevorstand, in der der Einspruch gegebenenfalls entschieden werden sollte. über Zeitpunkt und weitere Einzelheiten der Ferngespräche vermöge er keine Angaben mehr zu machen. Keinesfalls aber sei im Verlauf der Gespräche (oder eines Gesprächs) bekanntgeworden, daß die Vollmacht des Helfers in Steuersachen widerrufen oder eingeschränkt werden solle. Das habe er erstmals bei der persönlichen Vorsprache des Bf. am 11. März 1958 und durch seinen Schriftsatz vom gleichen Tage erfahren. Ob bei der Verhandlung am 16. November 1957 irgendwelche Ferngespräche mit dem Bf. bzw. seiner Ehefrau erörtert worden seien, könne er ebenfalls nicht mehr angeben.

Vertragsangestellter A. erklärte, daß er den Bf. nur einmal - im Juni 1957, nach Einspruchseinlegung - angerufen habe, um zu erfahren, was ihn zur Einspruchseinlegung veranlaßt habe, obwohl er sich in der Schlußbesprechung mit den Prüfungsfeststellungen einverstanden erklärt habe. Von einer Einschränkung der Vollmacht des Helfers in Steuersachen sei bei diesem Telefongespräch keine Rede gewesen. Der Bf. habe ihm vielmehr erklärt, daß sich sein Vertreter mit ihm wegen der weiteren Verhandlungen in Verbindung setzen werde.

In Würdigung der Sachlage und der beiden abgegebenen Erklärungen hat das Finanzgericht seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

In der fernmündlichen Erklärung des Bf. bzw. seiner Ehefrau, daß der Einspruch nicht zurückgenommen werden solle, könne nicht ohne weiteres eine Einschränkung der dem Helfer in Steuersachen erteilten Vollmacht gesehen werden. Der Bf. bzw. seine Ehefrau hätten klar zum Ausdruck bringen müssen, daß und nach welcher Richtung die Vollmacht eingeschränkt bzw. widerrufen werde. Daß dies geschehen sei, behaupte der Bf. selbst nicht. Für das Finanzamt sei daher allein der Inhalt der ihm vorliegenden Vollmachtsurkunde maßgebend, ohne daß es auf die interne Abmachung zwischen dem Bf. und seinem Vertreter ankomme. Zu einer Rückfrage bei dem Bf. vor Entgegennahme der Rücknahmeerklärung des Helfers in Steuersachen habe für das Finanzamt um so weniger Anlaß bestanden, als dieser vor der Abgabe seiner Rücknahmeerklärung mehrmals mit dem Finanzamt verhandelt und sich über die Kalkulationen des Betriebsprüfers vergewissert habe. Daraus habe das Finanzamt schließen dürfen, daß die Erklärungen des sachkundigen Bevollmächtigten auch der Auffassung des Bf. entsprächen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung.

Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde vom 4. Juni 1957 umfaßt die in ihr niedergelegte Vollmacht auch die Befugnis zur Rechtsmittelrücknahme (Urteil des Bundesfinanzhofs I 235/54 U vom 6. November 1956, BStBl 1957 III S. 7, Slg. Bd. 64 S. 19). Für die Begründung, Wirkung und die - teilweise oder völlige - Beendigung der Vollmacht gelten nach § 102 AO die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit in den §§ 103 bis 111 AO nichts anderes vorgeschrieben ist.

Da die Voraussetzung des § 173 BGB - mangelnde Gutgläubigkeit des Finanzamts im Sinne dieser Vorschrift - offensichtlich nicht gegeben ist, kommt es für die Entscheidung maßgeblich darauf an, ob der Bf. die von ihm erteilte Vollmacht, soweit sie zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt, dem Finanzamt gegenüber gemäß § 168 BGB in Verbindung mit § 167 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen hat (vgl. Kommentar zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, Berlin 1959, zu § 168 Anm. 13 S. 612). Wenn das zu bejahen sein sollte, war die Rücknahmeerklärung vom 16. November 1957 nur dann wirksam, wenn der Bf. seinem Vertreter dazu neuerlich durch entsprechende Erklärung Vollmacht erteilt hatte (ß 167 Abs. 1 BGB).

Nach § 173 BGB könnte sich das Finanzamt auf den unveränderten Weiterbestand der sich aus der Vollmachtsurkunde ergebenden Vertretungsmacht (im Sinne des § 172 BGB) dann nicht berufen, wenn es im maßgeblichen Zeitpunkt - d. h. am 16. November 1957 - eine etwaige interne Einschränkung der Vollmacht gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Diese Möglichkeit scheidet jedoch hier aus. Für eine derartige Annahme bietet der Sachverhalt keinen Anhalt, obwohl - trotz der den Finanzämtern in § 107 Abs. 4 Satz 2 AO gegebenen Befugnis - auffallen muß, daß es sich wegen der Rechtsmittelbegründung und einer etwaigen Rechtsmittelrücknahme nicht an den Helfer in Steuersachen, sondern an den Bf. und seine Ehefrau gewandt hat. Der Bf. stützt sich auch nach der Gesamtheit seines rechtlichen Vorbringens ersichtlich nicht auf § 173 BGB. Er beruft sich vielmehr darauf, daß er die erteilte Vollmacht dem Finanzamt gegenüber in dem streitigen Punkt wirksam im Sinne der §§ 167, 168 BGB widerrufen habe. Wenn er in dieser Hinsicht die von ihm behaupteten wiederholten Erklärungen, daß er die Einsprüche bis zur Entscheidung ohne Rücksicht auf eine etwaige Kostenlast durchführen wolle, für ausreichend erachtet, so kann dem nicht entscheidend entgegengehalten werden, daß diese Erklärungen deshalb nicht als Widerruf im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen angesehen werden können, weil mit ihnen noch keine "ausdrückliche Einschränkung der Vollmacht" zum Ausdruck gebracht sei. Der hierzu von der Vorinstanz vertretene Standpunkt erscheint dem Senat zu formal. Die von dem Bf. behaupteten Erklärungen sind für die Zukunft so abschließend und ausschließlich, daß nach ihnen - wenn sie zutreffen sollten - für ein gegenteiliges Handeln des Vertreters auf der Grundlage der ursprünglichen Vollmacht kein Raum mehr bliebe. Zu Unrecht beruft sich die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auf die Verhandlungen, die der Vertreter des Bf. vor der Rücknahmeerklärung mit dem Betriebsprüfer geführt hat. Diese Verhandlungen entsprachen seiner vertraglich übernommenen Aufgabe, die durch die vom Bf. behauptete Vollmachtsbeschränkung unberührt blieb.

Für die Wirksamkeit des Widerrufs kommt es auf die Kenntnis des Sachbearbeiters - Steuerinspektor N. - an, der die Rücknahmeerklärung entgegengenommen hat, wobei den Bekundungen des Betriebsprüfers und des Helfers in Steuersachen unterstützender Beweiswert zukommen kann.

Erteilung und Widerruf bzw. Einschränkung der Vollmacht bedürfen grundsätzlich nicht der Schriftform (§§ 167, 168 BGB). Die von dem Bf. behaupteten Erklärungen konnten daher mündlich wirksam erfolgen. Das hat indessen zur Folge, daß der Bf. die beweisrechtlichen, insbesondere durch Zeitablauf bedingten Schwierigkeiten und damit gegebenenfalls die Nichterweisbarkeit seiner Behauptung gegenüber dem Rechtsscheincharakter der Vollmachtsurkunde auf sich nehmen muß. Es müssen hier die gleichen Grundsätze gelten, die der Bundesfinanzhofs im Hinblick auf nur mündlich abgegebene Erklärungen in seinen Entscheidungen I 94/56 U vom 25. September 1956 (BStBl 1956 III S. 341, Slg. Bd. 63 S. 379) und IV 541ß55 U vom 22. August 1957 (BStBl 1957 III S. 366, Slg. Bd. 65 S. 354) entwickelt hat. Soweit es im Falle der Bejahung einer wirksamen Einschränkung der ursprünglich erteilten Vollmacht darauf ankommen sollte, ob der Vertreter des Bf. - wie er in der Verhandlung vom 1. April 1958 erklärt hat - die Rechtsmittelrücknahme mit Kenntnis und Billigung des Bf. und seiner Ehefrau erklärt hat, würde der Nachweis hierfür dem Finanzamt obliegen.

Unabhängig von diesen beweisrechtlichen Erwägungen und den sich daraus ergebenden Folgen einer etwaigen Nichterweisbarkeit war das Finanzgericht gemäß § 243 Abs. 1 AO verpflichtet, die tatsächlichen Verhältnisse von Amts wegen zu prüfen. Der Bf. rügt mangelnde Sachaufklärung. Seine Rüge ist begründet. Das Finanzgericht hat sich mit den Erklärungen des Sachbearbeiters und des Betriebsprüfers so, wie sie abgegeben worden sind, begnügt. Damit hat es den Grundsätzen zuwidergehandelt, die der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung IV 305/55 U vom 7. März 1957 (BStBl 1957 III S. 197, Slg. Bd. 64 S. 528) ausführlich dargelegt hat. In dieser Entscheidung hat der Senat unter anderem ausgesprochen, daß für das steuergerichtliche Verfahren der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme mit der Maßgabe gilt, daß in der Regel den Beteiligten Gelegenheit zur Teilnahme am Beweistermin mit Fragerecht zu geben ist. Er hat insbesondere auch ausgesprochen, daß das beteiligte Finanzamt grundsätzlich nicht mit der Beweisaufnahme betraut werden darf. Nach diesen Grundsätzen wird das Finanzgericht, an das die Sache zurückgeht, nunmehr zu verfahren haben.

Das Finanzgericht bestimmt Umfang und Art der Beweisaufnahme. Es entscheidet nach seinem Ermessen auch über die Abnahme eines Eides oder einer eidesstattlichen Versicherung. Die Ehefrau des Bf. ist im Streitfall Steuerpflichtige (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 27/58 U vom 11. März 1958, BStBl 1958 III S. 212, Slg. Bd. 66 S. 556). Sie ist nicht "andere Person" im Sinne der §§ 175 ff. AO und kann deshalb auch nicht zur Eidesleistung nach § 182 AO zugelassen werden.

Der Senat empfiehlt in Anbetracht der Beweislage und des Umstandes, daß zum Teil Behauptung gegen Behauptung steht, unter Hinweis auf seine Entscheidung IV 410/52 U vom 29. Oktober 1953 (BStBl 1954 III S. 6, Slg. Bd. 58 S. 239) die Durchführung der Beweisaufnahme in mündlicher Verhandlung vor der Kammer (§§ 272 ff. AO), da nur sie lebendige und unmittelbare Eindrücke vermittelt (vgl. auch Berger, Der Steuerprozeß, S. 405). In seiner Entscheidung IV 410/52 U hat der Senat ausgeführt:

"... Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist wie keine andere prozessuale Maßnahme geeignet, der Erforschung des Sachverhalts bis in alle Einzelheiten zu dienen und im Zusammenhang mit dem persönlichen Eindruck der Prozeßpartei ein Bild von den Beweggründen ihres Handelns zu geben. Welche überragende Bedeutung der Gesetzgeber der mündlichen Verhandlung beimißt, erhellt aus der Tatsache, daß ein Antrag des Steuerpflichtigen auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung nur durch einstimmigen Gerichtsbeschluß zurückgewiesen werden kann und daß die mündliche Verhandlung schon dann angeordnet werden muß, wenn sie auch nur von einem Mitglied des Gerichts verlangt wird."

Sollte das Finanzgericht nach dem Ergebnis seiner erneuten Prüfung zu einer Entscheidung in der Sache selbst gelangen, wird das Urteil des Senats IV 27/58 U vom 11. März 1958 (a. a. O.) zu beachten sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409828

BStBl III 1960, 526

BFHE 1961, 745

BFHE 71, 745

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