Leitsatz (amtlich)

Wird ein Teilbetrieb einer Personenbeförderungsgesellschaft (KG) in der Weise übertragen, daß der Erwerber die wesentlichen körperlichen Betriebsmittel von einer Gesellschafterin unentgeltlich, die staatlichen Betriebsgenehmigungen aber von der Gesellschaft gegen Entgelt erwirbt, so handelt es sich nicht um die unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs im Sinne des § 5 Abs. 1 EStDV 1953, sondern um die teils unentgeltliche, teils entgeltliche Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter.

 

Normenkette

EStG 1953 § 6 Abs. 1 Nr. 6; EStDV 1953 § 5 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Stpfl.) war Kommanditist einer KG, die den linienmäßigen Personenbeförderungsverkehr mit Omnibussen betrieb. Weitere Gesellschafter waren sein Bruder als Komplementär und seine Mutter als Kommanditistin.

Am 16. Dezember 1953 schlossen die Gesellschafter einen notariellen Vertrag. In der Einleitung dazu heißt es, daß der Stpfl. zum 31. Dezember 1953 aus der KG ausscheidet und beabsichtigt, ein selbständiges Unternehmen in M. zu gründen. Zu diesem Zwecke erhalte er im Wege der vorweggenommenen Erbabfindung zu Lasten des Kapitalkontos seiner Mutter gemäß den folgenden Vereinbarungen Vermögenswerte. In diesen Vereinbarungen überließ ihm seine Mutter unentgeltlich zum 1. Januar 1954 ein Hallengrundstück mit Werkstattinventar in M. sowie die für den Betrieb notwendigen fünf Omnibusse und einen Anhänger. In einem weiteren, als Pachtvertrag bezeichneten notariellen Vertrag vom gleichen Tage verpachtete die KG dem Stpfl. drei Kraftfahrlinien zum Zwecke der Bewirtschaftung auf eigene Rechnung und eigenes Risiko vom 1. Januar 1954 bis zum Ablauf der Konzession am 15. Oktober 1959. Die Pachtzahlungen verbuchte der Stpfl. als laufende Betriebsausgaben.

Der Revisionsbeklagte (FA) war auf Grund der Feststellungen durch eine Betriebsprüfung der Ansicht, daß es sich nicht um die Verpachtung, sondern um die Veräußerung der Konzessionsrechte gehandelt habe. Das FA aktivierte deshalb in der Steuerbilanz zum 1. Januar 1954 einen Firmenwert und passivierte eine gleichhohe Verbindlichkeit, gegen die es die späteren Zahlungen verrechnete. Der Einspruch gegen die Veranlagung blieb insoweit ohne Erfolg. Der Steuerausschuß bezeichnete den Pachtvertrag als Scheingeschäft; die Besteuerung habe sich gemäß § 5 Abs. 1 StAnpG nach dem verdeckten Geschäft zu richten.

Die Berufung wurde vom FG als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb. des Stpfl.

Es wird im wesentlichen geltend gemacht, das FG habe den Pachtvertrag falsch beurteilt.

Außerdem wird falsche Gewinnermittlung gerügt. Der Stpfl. habe die ihm von der Mutter überlassenen Wirtschaftsgüter in seiner Eröffnungsbilanz am 1. Januar 1954 fehlerhaft mit den Buchwerten der KG eingesetzt. Das FA habe unterlassen, diesen Fehler zu berichtigen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1953 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 EStDV 1953 hätten sie als Einlagen in den neugegründeten Betrieb bei Annahme einer gemischten Schenkung mit den Teilwerten, bei unentgeltlichem Erwerb mit den gemeinen Werten angesetzt werden müssen. Die Teilwerte und gemeinen Werte seien, wie bereits dem FG vorgetragen, wesentlich höher als die Buchwerte gewesen. Es werde deshalb Bilanzberichtigung gemäß den gleichzeitig vorgelegten Unterlagen beantragt. Sie hätte zur Folge, daß die Steuerbeträge gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO so zu ermäßigen seien, daß sie noch unter den ursprünglich rechtskräftig veranlagten Steuerbeträgen lägen.

Das FA hat diesem Vorbringen unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 EStDV 1953 widersprochen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG.

1. Die Feststellung der Vorinstanz, daß die KG ihre Rechte aus den Genehmigungen endgültig auf den Stpfl. übertrug, ist rechtlich fehlerfrei und für den Senat bindend. Auch die rechtliche Würdigung, es habe kein Pachtverhältnis bestanden und das mit Pachtzins bezeichnete Entgelt habe Kaufpreischarakter gehabt, ist nicht zu beanstanden. Von einem Pachtverhältnis kann nur gesprochen werden, wenn der Pachtgegenstand auf Zeit zur Benutzung überlassen wird und nach Ablauf der Pachtzeit an den Verpächter zurückfällt. An diesen Merkmalen fehlte es aber nach den Feststellungen der Vorinstanz.

Durch die Übertragung der Rechtsstellung aus den Genehmigungen erwarb der Stpfl. ein Wirtschaftsgut mit firmenwertähnlichen Eigenschaften. Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, daß die Aufwendungen dafür vom FA zu Recht aktiviert worden sind (Urteil des BFH I 209/55 U vom 13. März 1956, BFH 62, 401, BStBl III 1956, 149).

2. Die Rüge, der Besteuerung lägen unrichtige Bilanzwerte zugrunde, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG.

Bei Eröffnung eines Betriebs oder entgeltlichem Erwerb eines Betriebs sind die Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1953). Ergänzend bestimmt § 5 Abs. 1 EStDV 1953: Wird ein Betrieb oder ein Teilbetrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach § 6 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Gesetzes ergeben; der Rechtsnachfolger ist an diese Werte gebunden. Die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs stellt danach keine Entnahme zu betriebsfremden Zwecken im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1953 dar; sie führt zu keiner Auflösung der stillen Reserven und damit zu keiner Gewinnrealisierung beim übertragenden Betriebsinhaber, andererseits muß der Rechtsnachfolger die Buchwerte seines Rechtsvorgängers in seine Eröffnungsbilanz einsetzen. (Vgl. BFH-Urteile IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951, BFH 56, 10, BStBl III 1952, 5, und I 197/61 S vom 6. Februar 1962, BFH 74, 506, BStBl III 1962, 190.) Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter hingegen entnimmt der Betriebsinhaber diese Wirtschaftsgüter zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1953, BFH-Urteil VI 9/65 vom 14. April 1967, BFH 88, 331, BStBl III 1967, 391); bei Unentgeltlichkeit gilt für den Erwerber der Betrag als Anschaffungskosten, den er für das einzelne Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Erwerbs hätte aufwenden müssen (§ 5 Abs. 2 EStDV 1953).

Der Stpfl. setzte die Wirtschaftsgüter, die er im Wege der vorweggenommenen Erbschaft von seiner Mutter erhalten hatte, in seiner Eröffnungsbilanz mit den letzten Buchwerten der KG an. Diese Bewertung wäre richtig, wenn die Mutter dem Stpfl. im Sinne des § 5 Abs. 1 EStDV 1953 unentgeltlich einen Teilbetrieb übertragen hätte. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsteil, dem die von der Mutter übertragenen Betriebsmittel (Werkhalle, Inventar und Kraftfahrzeuge) bei der KG dienten, überhaupt einen gesondert geführten Betrieb der KG - einen Teilbetrieb im Sinne der Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteil des BFH IV 76/63 vom 13. Januar 1966, BFH 84, 461, BStBl III 1966, 168) - darstellte und die Betriebsmittel wesentliche Grundlagen des Teilbetriebs bildeten. Denn zu den wesentlichen Grundlagen gehörten außerdem die Rechte aus den staatlichen Genehmigungen, ohne die eine Betriebsausübung nicht möglich war und die der Stpfl. von der KG gegen Entgelt erwarb. Handelte es sich für die KG um einen Teilbetrieb im Sinne der Rechtsprechung, so ging er jedenfalls auf den Stpfl. nur zu einem Teil unentgeltlich, zum anderen Teil dagegen entgeltlich über, wobei weder die Mutter noch die KG den Teilbetrieb als solchen, sondern jeweils nur einzelne Wirtschaftsgüter des Teilbetriebs übertrugen. Damit fehlte es für die Anwendung des § 5 Abs. 1 EStDV 1953 an dem gesetzlichen Merkmal, daß ein Teilbetrieb unentgeltlich übertragen wurde.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1953 hatte der Stpfl. die erworbenen einzelnen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens mit den Anschaffungskosten in seiner Eröffnungsbilanz zu bewerten. Für die unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsgüter galt der Betrag als Anschaffungskosten, den er für das einzelne Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Erwerbs hätte aufwenden müssen (§ 5 Abs. 2 EStDV 1953).

Entgegen der Meinung des Stpfl. lag keine gemischte Schenkung vor. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob ein solcher Fall ebenso zu beurteilen wäre. Die Schenkung der Mutter und die entgeltliche Veräußerung der Rechte aus den staatlichen Genehmigungen durch die KG dienten zwar demselben Zweck, nämlich dem Stpfl. zu einem eigenen Betrieb zu verhelfen. Es handelte sich aber um verschiedene selbständige Rechtsgeschäfte, die sich auch in ihrem wirtschaftlichen Gehalt unterschieden. Die Schenkung der Mutter stellte eine erbrechtliche, im privaten Bereich wurzelnde Maßnahme dar, an deren Charakter sich nichts dadurch änderte, daß sie Streitigkeiten in der KG beendigen sollte. Die entgeltliche Verschaffung der Rechtsstellung aus den staatlichen Genehmigungen war dagegen ein Geschäftsvorfall, der sich unmittelbar innerhalb des Betriebs der KG abspielte. Wie auch die Vorinstanz bereits dargelegt hat, wurde die Unentgeltlichkeit der Betriebsmittelübertragung durch die Mutter von der Entgeltlichkeit des Erwerbs der Rechtsstellung aus den Genehmigungen nicht berührt. Die Vorgänge müssen deshalb auch für die buchmäßige Behandlung getrennt beurteilt werden.

Der Stpfl. hat bereits im Berufungsverfahren vorgetragen, die Teilwerte und die üblichen Anschaffungskosten der von der Mutter erhaltenen Wirtschaftsgüter seien höher gewesen als die von ihm angesetzten Buchwerte der KG. Das FG hat diese Behauptung nicht geprüft. Da sie für die Entscheidung erheblich ist, muß die Vorentscheidung aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Behandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Stellt sich die Behauptung als zutreffend heraus, so verstieß der Ansatz der Buchwerte in der Eröffnungsbilanz gegen zwingende steuerrechtliche Vorschriften und muß berichtigt werden, wenn auch im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen, was noch zu prüfen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412757

BStBl II 1968, 9

BFHE 1968, 168

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