Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung der anderen Ertragsteuersenate des BFH an, wonach ein Geschäftswert beim Erwerber eines Betriebs erst dann angesetzt werden darf, wenn das gezahlte Entgelt nicht als Anschaffungskosten für die sonstigen Wirtschaftsgüter des erworbenen Betriebsvermögens, seien es materielle oder immaterielle, auszuweisen ist.

2. Werden Unterhaltsansprüche als Entgelt für den Erwerb eines Betriebs aufgegeben, so können die Anschaffungskosten mit den gemeinen Werten der empfangenen Wirtschaftsgüter bewertet werden.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Steuerpflichtige in den Streitjahren ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb um je 30 000 DM mindern durfte.

Die Steuerpflichtige, deren Erben die Kläger und Revisionskläger - Kläger - sind, erwarb im Eheauseinandersetzungsvertrag vom 28. November/3. Dezember 1954 von ihrem geschiedenen Mann aus dessen Firma B einen Teilbetrieb, der die Kondenstopfherstellung betrieb. Ihr wurden auch die der B GmbH zustehenden Lizenzrechte der Firma X AG zur Herstellung und Vertrieb von Kondenstöpfen überlassen, die bis dahin mit stillschweigendem Einverständnis der GmbH die Firma B ausübte. Nach Abschn. VIII des Vertrags sollten mit Durchführung dieses Vertrags alle gegenwärtigen und künftigen Unterhaltsansprüche der Steuerpflichtigen gegen ihren Mann abgegolten sein.

In ihrer Eröffnungsbilanz per 1. Januar 1955 setzte die Steuerpflichtige die übernommenen Wirtschaftsgüter mit geschätzten Werten an. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 wurden die Wirtschaftsgüter im Einverständnis mit der Steuerpflichtigen mit den Werten der Schlußbilanz der Firma B - Teilwerte - angesetzt. Gleichzeitig nahm die Betriebsprüfung an, die Firma B enthalte einen Firmenwert in geschätzter Höhe von 320 000 DM. Hiervon entfielen auf den Teilbetrieb der Kondenstopfherstellung, der auf die Steuerpflichtige übergegangen sie, 60 000 DM. Diesen Betrag setzte der Betriebsprüfer in die Eröffnungsbilanz der Steuerpflichtigen als Firmenwert ein. Dem folgte das FA. Der Einspruch der Steuerpflichtigen, mit dem diese die Berechtigung eines Firmenwerts bestritt, gegebenenfalls die 60 000 DM als Anschaffungskosten eines Lizenznutzungsrechts aktiviert haben wollte, das sodann in den Bilanzen zum 31. Dezember 1955 und zum 31. Dezember 1956 wegen zwischenzeitlicher Abnutzung mit je 30 000 DM auf 0 DM abzusetzen sei, blieb erfolglos.

Auch die Klage der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.

Das FG führte im wesentlichen aus. Die Übertragung des Teilbetriebs Kondenstopfherstellung auf die Steuerpflichtige sei entgeltlich erfolgt. Der Verzicht der Steuerpflichtigen auf alle gegenwärtigen und sogar zukünftigen Unterhaltsansprüche gegen ihren Mann sei das Entgelt für die Vermögensübertragung. Daß es sich hierbei um ein entgeltliches Geschäft gehandelt habe, zeige die Aufführung der einzelnen Vermögensgegenstände sowie die Tatsache, daß die Steuerpflichtige noch weitere 50 000 DM zum Betrieb des Kondenstopfbetriebs in bar erhalten habe. Für die Annahme einer Entgeltlichkeit spreche auch, daß der Anwalt der Steuerpflichtigen das Vertragsangebot des Mannes vom 28. November 1954 ausgearbeitet und abgefaßt habe. Aus alledem sei ersichtlich, daß hier eine Vermögensübertragung und auseinandersetzung mit sich gegenüberstehenden Leistungen und Gegenleistungen stattgefunden habe (Urteile des BFH IV 384/52 U vom 10. April 1953, BFH 57, 400, BStBl III 1953, 157; I 115/59 U vom 6. Oktober 1959, BFH 70, 2, BStBl III 1960, 2; VI 296/60 vom 1. Dezember 1961, HFR 1962, 262).

Aufgrund dieses entgeltlichen Erwerbs habe die Steuerpflichtige in ihrer Eröffnungsbilanz die übernommenen Vermögensgegenstände nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG mit den Anschaffungskosten bilanzieren müssen. Wegen Fehlens eines in Geld bestehenden Erwerbspreises käme der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter in Betracht, entsprechend der Regelung beim Tausch. Beim Ansatz des gemeinen Werts könne aber kein Zweifel bestehen, daß ein fremder Erwerber auch für den Firmenwert etwas gezahlt hätte. Daß der von der Steuerpflichtigen übernommene Teilbetrieb einen Firmenwert besessen habe, werde von dieser nicht bestritten. Da auch hinsichtlich des Wertansatzes von der Steuerpflichtigen keine Einwendungen erhoben würden, könne dem Wertansatz des FA gefolgt werden. Der Ansicht der Kläger, daß es sich um ein Lizenznutzungsrecht handele, vermöge der Senat nicht zu folgen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob das Lizenznutzungsrecht am 1. Januar 1955 noch einen Wert gehabt habe. Selbst wenn das der Fall sei, müsse nach dem oben Ausgeführten ein Firmenwert angesetzt werden, bei dessen Feststellung sich die Gewinnchance aus dem Lizenzrecht nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des FA nicht ausgewirkt habe. Die Steuerpflichtige und die Kläger hätten selbst auch den Ansatz des Lizenzrechts neben einem Firmenwert nicht beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz.

Es könnten Bedenken bestehen, ob die Würdigung der Vorinstanz, daß es sich bei der Übertragung des Teilbetriebs auf die Steuerpflichtige um einen entgeltlichen Vorgang gehandelt habe, zutrifft. Im allgemeinen liegen in solchen Fällen unentgeltliche Übertragungen vor. Die Würdigung der Vorinstanz ist jedoch nicht unmöglich. Sie liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Kläger schlossen sich ihr in der Revisionsbegründung ausdrücklich an. Da auch auf der Seite des übertragenden Ehemanns die steuerlichen Konsequenzen aus dieser Würdigung gezogen wurden - was allerdings keinerlei rechtliche Bindungswirkung für die Beurteilung bei der Steuerpflichtigen hat -, woraus auf eine entsprechende Auffassung zwischen den Beteiligten geschlossen werden kann, sieht der Senat von einer Beanstandung ab und geht mit dem FG und den Beteiligten von einer entgeltlichen Vermögensübertragung aus.

Dann hat aber die Vorinstanz die Grundsätze über den Ansatz eines Firmenwerts bei entgeltlichem Erwerb eines Unternehmens nicht richtig angewendet. Hiernach kommt der Ansatz eines Firmenwerts nur in Betracht, soweit der Kaufpreis des Erwerbers nicht nachweislich für bestimmte materielle oder immaterielle Einzelwirtschaftsgüter bezahlt wurde (Urteile des BFH VI 320/64 vom 28. März 1966, BFH 85, 433, BStBl III 1966, 456; I R 180/66 vom 5. August 1970, BFH 100, 89, BStBl II 1970, 804; I R 196/67 vom 16. September 1970, BFH 101, 76, BStBl II 1971, 175).

Hierbei ist namentlich für die Berücksichtigung immaterieller Einzelwirtschaftsgüter nicht Voraussetzung, daß die Wirtschaftsgüter in der Bilanz des Veräußerers aktiviert waren (Urteile des BFH I 266/61 U vom 20. November 1962, BFH 76, 164, BStBl III 1963, 59; I R 180/66, a. a. O.). Übersteigt der Gesamtkaufpreis die Einzelkaufpreise aller besonders anzusetzender Einzelwirtschaftsgüter, so kann nur der überschießende Betrag für den Ansatz eines Firmenwerts in Betracht gezogen werden. Es kommt, vor allem, wenn die Summe der Einzelkaufpreise der Einzelwirtschaftsgüter den Gesamtkaufpreis für das Unternehmen übersteigt, nicht in Frage, die Einzelwirtschaftsgüter und einen etwa vorhandenen Geschäftswert nur mit jeweils anteiligen Anschaffungskosten anzusetzen. In einem solchen Fall ist vielmehr der Gesamtkaufpreis zunächst in vollem Umfang auf die Einzelwirtschaftsgüter allein umzulegen, so daß ein Firmenwert, auch wenn er nachweislich vorhanden ist, nicht angesetzt werden kann. Diese Auffassung teilt der erkennende Senat. Im Streitfall durfte somit die Vorinstanz das Vorbringen der Kläger, die von der Betriebsprüfung angesetzten 60 000 DM entfielen auf ein Lizenznutzungsrecht, nicht so nebenbei abtun und sich nahezu allein mit dem Vorhandensein und der Aktivierung eines Firmenwerts befassen. Denn wenn ein Lizenznutzungsrecht entgeltlich erworben wurde, so ging dessen Ansatz nach den obigen Ausführungen in der Eröffnungsbilanz der Steuerpflichtigen dem Ansatz eines etwa auch vorhandenen Firmenwerts vor. Die Vorinstanz durfte insbesondere nicht davon absehen zu prüfen, ob das Lizenznutzungsrecht am 1. Januar 1955 noch einen Wert hatte. Das Lizenznutzungsrecht ist ein Einzelwirtschaftsgut, das, da es sich in einem bestimmbaren Zeitraum erschöpft, im Gegensatz zum Firmenwert nach den Grundsätzen des § 7 EStG absetzbar ist (Urteil des BFH I R 196/67, a. a. O., mit weiteren Rechtsprechungsangaben über die Abgrenzung eines immateriellen Einzelwirtschaftsguts vom Firmenwert). Unrichtig ist auch, wenn die Vorinstanz dem Umstand, daß die Kläger selbst den Ansatz des Lizenznutzungsrechts nicht neben dem Ansatz eines Firmenwerts beantragten, Bedeutung beimißt. Darauf kommt es nicht an. Schon die Steuerpflichtige und später die Kläger ließen keinen Zweifel, daß sie den von der Betriebsprüfung angesetzten Mehrwert von 60 000 DM als Lizenznutzungsrecht ausgewiesen haben wollten. Das ist entscheidend, und die Vorinstanz mußte sich damit auseinandersetzen, ob dieses Begehren der Steuerpflichtigen und der Kläger ganz oder wenigstens teilweise gerechtfertigt war.

Da die Vorinstanz dies versäumte, muß ihre Entscheidung aufgehoben und die Streitsache zur Nachholung entsprechender Feststellungen (über Vorhandensein und Wert des von den Klägern behaupteten Lizenznutzungsrechts) an sie zurückverwiesen werden. Bei ihrer erneuten Entscheidung kann die Vorinstanz die bisherige Bewertung in der Eröffnungsbilanz der Steuerpflichtigen übernehmen. Im allgemeinen sind zwar bei Annahme eines Tauschs, von dem das FG ausging, die gemeinen Werte der hingegebenen Wirtschaftsgüter als Anschaffungskosten der eingetauschten anzusetzen (Urteile des BFH I 175/60 vom 11. Oktober 1960, BFH 71, 649, BStBl III 1960, 492; I 119/63 U vom 8. Juli 1964, BFH 80, 242, BStBl III 1964, 561; VI 318/65 vom 14. Juni 1967, BFH 89, 211, BStBl III 1967, 574). Im Urteil VI 318/65 wird ein Abgehen von diesem Grundsatz dergestalt und wie das FG vorgegangen ist, daß der gemeine Wert der eingetauschten Gegenstände angesetzt werden kann, als Ausnahme bezeichnet. Der Senat hat jedoch keine Bedenken gegen diese Art der Bewertung in der Eröffnungsbilanz der Steuerpflichtigen, da die Bewertung der hingegebenen gegenwärtigen und künftigen Unterhaltsansprüche auf nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten stößt. Es ist daher gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen wird, daß dieser Wert dem gemeinen Wert der für die Aufgabe der Unterhaltsansprüche empfangenen Vermögensgegenstände entspricht. Nur müssen dabei sämtliche Vermögensgegenstände angesetzt werden, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat, also gegebenenfalls auch das Lizenznutzungsrecht. Sollte das FG erneut den Ansatz eines Geschäftswerts in Betracht ziehen, so muß es auch die im BFH-Urteil I R 1/68 vom 7. Oktober 1970 (BFH 100, 245, BStBl II 1971, 69) entwickelten Grundsätze (Geschäftswert bei Veräußerung eines Teilbetriebs) beachten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413300

BStBl II 1972, 884

BFHE 1972, 432

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