Leitsatz (amtlich)

Der nachzuversteuernde Betrag des § 10 a EStG ist wie eine Einkunft in den Gesamtbetrag der Einkünfte miteinzubeziehen. Ergibt sich nach dem Verlustausgleich ein positives Ergebnis, so können hiervon die Sonderausgaben abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 10a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm für die Veranlagungszeiträume 1963 bis 1965 die Steuerbegünstigung des nichtentnommenen Gewinns nach § 10 a EStG in Anspruch. Im streitigen Veranlagungszeitraum 1966 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) eine Nachversteuerung vor (§ 10 a Abs. 2 EStG), weil der Kläger bei einem auf ihn entfallenden Verlustanteil an einer OHG in Höhe von 6 777 DM Entnahmen in Höhe von 73 243,16 DM getätigt hatte. Der für die Nachversteuerung besonders festgestellte Betrag hatte sich auf 56 721 DM belaufen. Das FA ließ im Einkommensteuerbescheid für 1966 die vom Kläger geltend gemachten Sonderausgaben in Höhe von 12 385 DM unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 30. August 1957 VI 114/56 U (BFHE 66, 51, BStBl III 1958, 22) nicht zum Abzug zu.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ist in seinem Urteil vom 12. November 1969 I 505/67 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1970 S. 7) der Ansicht, es komme nicht darauf an, ob sich der dem Einkommen hinzuzurechnende Nachversteuerungsbetrag wie eine Einkunft im Jahre der Nachversteuerung auswirke (Hinweis auf die BFH-Urteile VI 114/56 U und vom 8. Oktober 1965 VI 334/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 120, sowie Urteil des Hessischen FG vom 8. Januar 1964 I 732/63, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1964 S. 165). Denn die sich hieraus ergebende Folge, daß erst der danach verbleibende Betrag den Verlustabzug beeinflusse, sei vom BFH offensichtlich nicht gewollt. Nach dem Zweck des § 10 a EStG sollten Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nicht oder nicht voll entnehmen, einen einmaligen Steuervorteil erhalten, der aber bei Mehrentnahmen in den folgenden drei Jahren wieder rückgängig gemacht werde. Deshalb verminderten die Nachversteuerungen in Verlustjahren die Höhe des vortragsfähigen Verlustes, und deshalb sei es ebenso nicht statthaft, den Nachversteuerungsbetrag mit den im Verlustjahr entstandenen Sonderausgaben zu verrechnen.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum ergebe sich klar, daß es sich bei dem nachzuversteuernden Betrag um eine Einkunft handele. Ergäben sich hierdurch positive Einkünfte, so könnten sowohl Sonderausgaben als auch außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Im Verlaufe des Revisionsverfahrens hat das FA nach einer Betriebsprüfung den angefochtenen Bescheid nach § 218 Abs. 4 AO berichtigt. Hiernach beträgt der Verlustanteil des Klägers nunmehr 11 470 DM und der nachzuversteuernde Betrag 60 000 DM. Auf Antrag des Klägers ist der berichtigte Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden (§§ 68, 121 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die Urteile des BFH und des Hessischen FG zutreffend darauf hingewiesen, daß sich der nachzuversteuernde Betrag wie eine Einkunft im Jahre der Nachversteuerung auswirken soll. Dem FG kann aber nicht gefolgt werden, wenn es dann aus der Rechtsprechung den Schluß zieht, der BFH habe offensichtlich den Abzug von Sonderausgaben nicht gewollt. Die Auslegung des Begriffes des nachzuversteuernden Betrages durch den BFH kann nur einheitlich vorgenommen werden.

Der BFH ist bei der Prüfung des Verhältnisses von Verlustabzug (§ 10 d EStG) zu dem nachzuversteuernden Betrag nach § 10 a Abs. 2 EStG zu dem Ergebnis gelangt, daß hier eine dem System des Einkommensteuergesetzes zuwiderlaufende Regelung vorliege (Urteil vom 16. Februar 1956 IV 149/55 U, BFHE 62, 342, BStBl III 1956, 127). Er meinte, wenn der nachzuversteuernde Betrag vom Einkommen abzuziehen sei, also nicht zu einer Einkunft nach § 2 Abs. 3 EStG gehöre, so hätte das nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes zur Folge, daß der Verlust den nachzuversteuernden Betrag zwar vermindern oder beseitigen, er aber in Form des Verlustabzuges in den folgenden Jahren nochmals das Einkommen und damit den zu versteuernden Betrag mindern würde. Dieses systemwidrige Ergebnis hat der BFH durch eine logisch-systematische Auslegung des § 10 a EStG vermieden, indem er den nachzuversteuernden Betrag wie eine Einkunft behandelt. Daraus folgt, daß der nachzuversteuernde Betrag an dem Verlustausgleich teilnimmt, etwa vorhandene Verluste aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder beseitigt werden. Diese Verluste können also in späteren Veranlagungszeiträumen nicht noch einmal Einfluß auf das zu versteuernde Einkommen haben.

Das an sich widersprüchliche Ergebnis dieser Regelung im Einkommensteuergesetz ist darin begründet, daß der nicht entnommene Gewinn wie eine Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG). Daß der nichtentnommene Gewinn seinem Wesen nach keine Sonderausgabe ist, hat der BFH in dem Urteil IV 149/55 U angedeutet. Denn der Steuerpflichtige hat in diesem Fall keine Ausgaben getätigt, die sein Vermögen mindern. Der nichtentnommene Gewinn ist vielmehr ein Teil seines so erzielten Gewinnes, der im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 1, 2 oder 3 EStG zu versteuern wäre, der aber nur wegen des mit dem § 10 a EStG verfolgten Zweckes der Stärkung des Betriebskapitals nicht versteuert werden soll. Nach dem System des Einkommensteuergesetzes hätte sich der mit dem Gesetz verfolgte Zweck als eine Minderung des betrieblichen Ergebnisses innerhalb der jeweiligen Einkunftsart ausdrücken müssen. Denn der nichtentnommene Gewinn ist ein Teil des Betriebsergebnisses. Folgerichtig ist es dann, wenn die Begünstigung in Form eines Zuflusses als Einkunft beseitigt wird. Denn der zunächst von der Besteuerung ausgenommene Teil des Gewinns soll nunmehr der Versteuerung zugeführt werden, wobei offenbleiben kann, ob dies auch bei der Einkunftsart geschehen muß, zu der er ursprünglich gehörte. Diese systemgerechte Auslegung rechtfertigt es jedenfalls, den nachzuversteuernden Betrag wie eine Einkunft zu behandeln. Diese Ansicht wird außer vom FG Baden-Württemberg in der angefochtenen Entscheidung und in der Literatur von Grieger (Die Information über Steuer und Wirtschaft 1952 S. 67 [70]) und von Bocklberg (Finanz-Rundschau 1955 S. 148), die diese Auslegungsmöglichkeit nicht berücksichtigen, im Schrifttum einhellig vertreten (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 a EStG, Anm. 28, S. E 19). Es bestehen auch gegen eine derartige Auslegung keine grundsätzlichen Bedenken (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1966 V 115/63, BFHE 85, 140, BStBl III 1966, 261 und die anderen Rechtsprechungshinweise dort).

Ist aber bei einer systemgerechten Auslegung des § 10 a EStG der nachzuversteuernde Betrag als eine Einkunft anzusehen, so ist er in den Gesamtbetrag der Einkünfte miteinzubeziehen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 EStG). Soweit dann nach Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten noch ein positives Ergebnis bleibt, sind hiervon die Sonderausgaben abzuziehen (so auch Herrmann-Heuer, a. a. O., § 2 EStG, Anm. 14, S. 26, 27). Das trifft im vorliegenden Fall zu, so daß dem Begehren des Klägers zu entsprechen ist. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden. Die Vorentscheidung enthält keine Feststellungen darüber, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die vom Kläger angesetzten Beträge als Sonderausgaben anzuerkennen sind. Diese Feststellung, die das FG von seinem Rechtsstandpunkt aus auch nicht vorzunehmen brauchte, wird es nun noch nachholen müssen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 638

BFHE 1975, 511

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