Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungsüberlassung im Konzern

 

Leitsatz (NV)

Eine Nutzungsüberlassung i. S. der sog. Konzernklausel nach § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 (Beschäftigungszulage) ist grundsätzlich bei allen Überlassungsvorgängen gegeben, die es dem Empfängerunternehmer ermöglichen, die betreffenden Wirtschaftsgüter im Rahmen seines Unternehmenszweckes zum eigenen Vorteil einzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter dem Nutzenden auf Dauer und unter Ausschluß Dritter zur Verfügung stehen.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b Abs. 6

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die seit der Verschmelzung der A-GmbH mit der B-GmbH (im folgenden kurz: GmbH) im Jahre 1992 unter der letztgenannten Firma auftrat, betreibt ein Busunternehmen. Rechtsvorgängerin der A-GmbH war die C-GmbH & Co. KG (im folgenden kurz: KG), die zum 1. Januar 1982 gegründet worden war. Zweck der KG war u. a. der Betrieb eines Personenbeförderungsunternehmens für den Omnibus-Gelegenheitsverkehr (Gesellschaftsreisen) sowie die Veranstaltung von Reisen aller Art. An der KG waren die Gesellschafter X, Y und Z zu insgesamt 100 v. H. beteiligt. Die drei genannten Gesellschafter hielten auch die Anteile der D-GmbH & Co. KG, die ihrerseits zu fast 100 v. H. an der (B-) GmbH beteiligt waren.

Die KG schloß mit der GmbH am 3. Januar 1982 eine Vereinbarung, derzufolge die KG sich gegenüber der GmbH verpflichtete, sieben Omnibusse zu erwerben. Die Ausrüstung der Fahrzeuge war zwischen den Vertragsparteien im einzelnen abgesprochen worden. Die KG hatte die Busse mit eigenen Fahrern grundsätzlich für Reisen der GmbH einzusetzen. Sie war für den verkehrsbereiten Zustand der Fahrzeuge verantwortlich. Die Fahrzeugkosten sollten bei der KG anfallen. Die Busse waren in den Umlaufplan der GmbH einbezogen. Soweit diese die Fahrzeuge nicht benötigte, hatte die KG nach den vertraglichen Abmachungen das Recht, auf eigene Rechnung Beförderungsleistungen an Dritte zu erbringen. Beförderungsleistungen an andere Reiseveranstalter waren jedoch ausgeschlossen. Als Ver gütung wurde ein Betrag von 2,15 DM je Kilometer vereinbart. Über diesen Kilo metersatz sollte alljährlich neu verhandelt werden; die Kostenentwicklung sollte angemessen berücksichtigt werden. Die GmbH garantierte der KG eine Mindestinanspruchnahme von 60 000 km im Jahr.

Entsprechend dieser Vereinbarung kaufte die KG im Streitjahr (1982) sieben Busse zum Preis von je ... DM (ohne Umsatzsteuer). In der Folgezeit wurden die Busse zunächst ausschließlich für Fahrten der GmbH verwendet, wobei auch Fahrer der GmbH zum Einsatz kamen. Erst im Jahre 1986 führte die KG auch Fahrten für andere Unternehmen durch.

Die KG beantragte u. a. für die Anschaffung der sieben Omnibusse die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4 b des Investititionszulagengesetzes (InvZulG 1982, sog. Beschäftigungszulage). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Antrag insoweit ab. Das FA war der Ansicht, die Fahrzeuge seien nach § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 der GmbH zuzurechnen, da die KG sie der GmbH zur Nutzung überlassen habe. Dementsprechend berücksichtigte es die Anschaffungskosten bei der Gewährung von Investitionszulage an die GmbH.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch von der GmbH erhobene Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) veröffentlichten Urteil ab (EFG 1994, 311). Es war der Ansicht, die KG habe die umstrittenen Fahrzeuge der GmbH i. S. von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 zur Nutzung überlassen. Als Nutzungsüberlassung seien nicht nur Rechtsverhältnisse wie Miete, Pacht oder Leihe anzusehen, sondern auch der dauerhafte Einsatz von Wirtschaftsgütern bei einem Nutzungsempfänger. Soweit die KG demnach gegenüber der GmbH Beförderungsleistungen erbracht habe, könne dies durchaus als Nutzungsüberlassung verstanden werden. Eine solche Auslegung werde dem Willen des Gesetzgebers am ehesten gerecht.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Zur Begründung führt diese aus, die von der KG erbrachten Beförderungsleistungen könnten nicht als Nutzungsüberlassung angesehen werden. Die Verfügungsmacht über die Busse sei bei der KG verblieben. Diese habe im Auftrag der GmbH und unter Einsatz der Busse Beförderungsleistungen erbracht, die nicht -- wie bei Miete oder Pacht üblich -- pauschal vergütet worden seien, sondern mit einem festen Betrag je Kilometer. Eine Nutzungsüberlassung i. S. des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 liege nur dann vor, wenn das Wirtschaftsgut der Nutzung durch den Eigentümer vollständig entzogen worden sei. Auch sei die Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) der KG und nicht der GmbH erteilt worden. Nur die KG und nicht etwa die GmbH habe daher Beförderungsleistungen erbringen dürfen. Auch der Gesichtspunkt der Schaffung von Arbeitsplätzen gebiete es nicht, § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 so auszulegen, wie es das FG getan habe. Die KG habe selbst Fahrer eingestellt und damit Arbeitsplätze geschaffen. Die Tatsache, daß die KG in den Anfangsjahren nur für die GmbH und nicht auch für andere Unternehmen tätig gewesen sei, sei unschädlich. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung der GmbH, die zur Vollauslastung der KG geführt habe, sei damals nicht absehbar gewesen. Im übrigen sei es keineswegs ungewöhnlich, daß ein Unternehmen ausschließlich als Subunternehmer eines anderen fungiere. Die Auslegung des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 durch das FG gehe über den Wortlaut der Vorschrift hinaus. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe den Worten "Überlassung zur Nutzung" eine über ihr gewöhnliches Verständnis hinausgehende Bedeutung beigemessen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Investitionszulagenbescheid 1982 vom 12. April 1984 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. November 1991 dahin zu ändern, daß der Klägerin eine weitere Investitionszulage von ... DM gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat die Voraussetzungen für die Anwendung des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 zu Recht bejaht.

1. Nach § 4 b Abs. 1 InvZulG 1982 erhielten Unternehmen für bestimmte betriebliche Investitionen eine Investitionszulage (sog. Beschäftigungszulage), deren Höhe sich nach dem Begünstigungs- und dem Vergleichsvolumen des Investors richtete (§ 4 b Abs. 4 und 5 InvZulG 1982). Wurden die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter innerhalb verbundener Unternehmen zur Nutzung überlassen, so waren sie unter den "Beteiligungs"-Voraussetzungen des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 bei der Ermittlung von Begünstigungs- und Vergleichsvolumen dem nutzenden Unternehmen zuzurechnen (sog. Konzernklausel).

a) Der Begriff der Nutzungsüberlassung i. S. des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 ist nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes auszu legen. Nach der Gesetzesbegründung (s. BTDrucks 9/1400, S. 17) sollte mit der Konzernklausel verhindert werden, daß durch rechtliche Gestaltungen, insbesondere in Konzernen und sonstigen verbundenen Unternehmen, die Begrenzung der Begünstigung auf die sog. Mehrinvestitionen beeinträchtigt wird. Mehrinvestitionen sind diejenigen Investitionen, die über den Durchschnitt der Investitionen im gesetzlich vorgeschriebenen Vergleichszeitraum von 1979 bis einschließlich 1981 hinausgehen (vgl. § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982). Die Zielrichtung der sog. Konzernklausel ist danach u. a. eine Konstellation, bei der innerhalb eines Unternehmensverbundes eine weitere Gesellschaft gegründet wird, die dann, ohne ein eigenes Vergleichsvolumen zu haben, umfangreiche Investitionen vornimmt (vgl. das Senatsurteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242). Entsprechend diesem Vorverständnis ist auch der Begriff des "Überlassens zur Nutzung" in § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 weit auszulegen. Er erfaßt über die Fälle der Vermietung, Verpachtung und leihweisen Hingabe von Wirtschaftsgütern hinaus grundsätzlich alle Überlassungsvorgänge, die es dem nutzenden Unternehmen ermöglichen, über den Einsatz der betreffenden Wirtschaftsgüter im Rahmen seines Unternehmenszweckes zum eigenen Vorteil selbst zu entscheiden. Das gilt insbesondere dann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter dem Nutzenden auf Dauer und unter Ausschluß Dritter zur Verfügung stehen. Der Wortlaut der sog. Konzernklausel steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.

b) Im Streitfall hat die KG die Omnibusse der GmbH zur Nutzung im oben beschriebenen Sinne überlassen. Nach der Vereinbarung vom 3. Januar 1982 war die KG gegenüber der GmbH verpflichtet, sieben Busse zu erwerben, mit denen sie für die GmbH Reisen durchzuführen hatte. Die Ausrüstung der Fahrzeuge war zwischen der KG und der GmbH abgesprochen worden. Die Fahrzeuge der KG waren in den Umlaufplan der GmbH einbezogen. Die GmbH konnte daher über Fahrtstrecken und Einsatzzeiten der Busse bestimmen. Nur soweit die GmbH die Fahrzeuge der KG nicht benötigte, war es dieser erlaubt, für andere Unternehmen Fahrten durchzuführen. Im Streitfall wurden die Busse allerdings während des maßgeblichen Verbleibenszeitraums von drei Jahren (§ 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 c, bb InvZulG 1982) allein für Reiseveranstaltungen der GmbH eingesetzt. Erst ab dem Jahr 1986 führte die KG auch für andere Unternehmen Fahrten durch. Während des Dreijahreszeitraums standen die Busse somit auf Dauer und unter Ausschluß Dritter ausschließlich der GmbH zur Verfügung. Nach den vorstehend unter a) dargelegten Grundsätzen liegt eine Nutzungsüberlassung i. S. des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 vor. Unerheblich ist dabei, daß die KG Inhaberin der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG erforderlichen Genehmigung war.

2. Bei der Ermittlung der auf die Busse entfallenden Investitionszulage sind somit nach § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 das Begünstigungs- und das Vergleichsvolumen der GmbH zugrunde zu legen. Die "Beteiligungs"-Voraussetzungen der sog. Konzernklausel liegen im Streitfall nach § 4 b Abs. 6 Satz 2 InvZulG 1982 vor. Die GmbH hatte für die Fahrzeuge selbst Investitionszulage beantragt und in geringerem Umfang -- unter Berücksichtigung ihres Vergleichsvolumens -- auch erhalten. Eine weitergehende Anspruchsberechtigung der Klägerin scheidet demnach aus.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 310

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