Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfungsanordnung an Ehegatten; Prüfung aus besonderem Anlaß

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Bekanntgabe von zusammengefaßten, an Ehegatten gerichteten Prüfungsanordnungen.

2. Zur Anordnung einer Prüfungsanordnung außerhalb des allgemeinen Prüfungsrhythmus aus besonderem Anlaß.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 3, §§ 193, 119 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer gegen den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ergangenen Prüfungsanordnung für die Jahre 1978 bis 1980.

Der Kläger betrieb zusammen mit seiner Ehefrau bis zum 31. Dezember 1977 einen Gewerbebetrieb. Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 wurde die bis dahin zwischen den Ehegatten bestehende Gütergemeinschaft aufgehoben und Gütertrennung vereinbart. Infolge der Auseinandersetzung übernahm der Kläger den im Gesamtgut befindlichen Betrieb als Alleininhaber, während das Betriebsgrundstück der Ehefrau zugewiesen wurde. Zum 1. Januar 1980 übertrug der Kläger den Betrieb ,,im Rahmen einer Betriebsaufspaltung" auf eine GmbH.

Der Kläger und seine Ehefrau wurden für die Jahre 1978 bis 1980 antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuererklärungen, die jeweils von beiden Ehegatten unterschrieben wurden, enthalten über den Unterschriften folgende Erklärung: ,,Wir erklären hiermit, daß jeder der unterzeichnenden Ehegatten berechtigt ist, den Steuerbescheid in Empfang zu nehmen." Der Kläger erklärte für die Jahre 1978 bis 1980 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen; seine Ehefrau solche aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen (in den Jahren 1978 und 1979).

Mit Verfügung vom 29. Juni 1982, die an Herrn und Frau M. und A. X gerichtet war und den Ehegatten in einer Ausfertigung bekanntgegeben wurde, ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) aufgrund der §§ 193 Abs. 1 und 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung für die Jahre 1978 bis 1980 an, die die Einkommensteuer, Vermögensteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer sowie die Einheitswerte des Betriebsvermögens umfassen sollte. Diese Prüfungsanordnung war den Ehegatten bereits mit ausführlich begründetem Schreiben vom 19. Februar 1981 angekündigt worden.

Die Beschwerde des Klägers, mit der u. a. die fehlende Darlegung des Auswahlermessens sowie eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen gerügt worden war, wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück. Sie führte hierzu aus, weder aus der AO 1977 noch aus der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - ergebe sich, ob und wann Prüfungsanordnungen zu begründen seien. Das FA habe dennoch eine Begründung für die Anordnung der Außenprüfung gegeben. Infolge der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft, der Begründung des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses und der Durchführung der Betriebsaufspaltung sei es nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, daß möglicherweise Feststellungen getroffen werden könnten, die zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen oder Steuererstattungen führten. Außerdem bestünden keine Anweisungen vorgesetzter Dienstbehörden, daß als Mittelbetriebe eingestufte Unternehmen nur im Abstand von 12 Jahren geprüft werden dürften. In besonders gelagerten Einzelfällen - wie dem vorliegenden - mit ungewöhnlichen Rechts- oder Sachverhaltsfragen sei es schließlich ohnedies nicht ermessensmißbräuchlich, einen Mittelbetrieb häufiger überprüfen zu lassen.

Das Finanzgericht (FG) hatte die an die Ehefrau des Klägers gerichtete Prüfungsanordnung bereits zuvor mit rechtskräftigem Urteil aufgehoben.

Auch die hier angefochtene Prüfungsanordnung gegen den Ehemann hob das FG aus verfahrensrechtlichen Gründen auf. Es vertrat die Auffassung, daß die Zusammenfassung der gegen den Kläger und seine Ehefrau ergangenen Prüfungsanordnungen in einem Bescheid unzulässig sei, da § 155 Abs. 3 AO 1977 nur die Zusammenfassung von Steuerbescheiden ermögliche und es darüber hinaus bei einer Außenprüfung wegen der höchstpersönlich geschuldeten Mitwirkungspflichten an einem Gesamtschuldverhältnis fehle. Eine Zusammenfassung steuerlich bedeutsamer Verwaltungsakte komme auch aus Gründen der Wahrung des Steuergeheimnisses nicht in Betracht.

Die Prüfungsanordnung sei außerdem nicht wirksam bekanntgegeben worden, weil sie dem Kläger und seiner Ehefrau lediglich in einer Ausfertigung übersandt worden sei. Zwar hätten beide Ehegatten die Einkommensteuererklärungen in den Streitjahren unterzeichnet. Im Hinblick auf die in den Steuererklärungsvordrucken seit dem Jahre 1978 enthaltene ausdrückliche Beschränkung der gegenseitigen Bevollmächtigung auf die Empfangnahme von Steuerbescheiden sei für die Annahme einer umfassenden stillschweigenden Bevollmächtigung zur Entgegennahme sonstiger Steuerverwaltungsakte, von der der Bundesfinanzhof (BFH) noch im Urteil vom 5. November 1981 IV R 179/79 (BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208) ausgegangen sei, kein Raum mehr. Eine Erstreckung der stillschweigenden Vollmacht auf den Bereich der betrieblichen Steuern sei ohnehin ausgeschlossen.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 122 Abs. 1, 155 Abs. 3, 196 und 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Gegen die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung bestehen keine verfahrensrechtlichen Bedenken; sie ist auch im übrigen rechtmäßig.

1. Entgegen der Auffassung des FG war es rechtlich zulässig, die Prüfungsanordnung gegen den Kläger und seine Ehefrau in einer Verfügung zusammenzufassen.

Zwar hat das FA, wenn es bei Eheleuten eine Außenprüfung durchführen will, gegen jeden Ehegatten eine Prüfungsanordnung zu erlassen, da jeder Ehegatte auch im Falle der Zusammenveranlagung eigenständiger Steuerschuldner und damit selbständiges Prüfungssubjekt bleibt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das FA jedoch Prüfungsanordnungen gegen Eheleute in einer Verfügung zusammenfassen, wenn aus der zusammengefaßten Prüfungsanordnung für die Empfänger klar erkennbar ist, daß und in welchem Umfang jeder von ihnen von der Außenprüfung betroffen ist (vgl. z. B. Urteile in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; vom 30. September 1988 III R 218/84, BFH/NV 1989, 749; vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612). Zu den vom FG erhobenen Bedenken hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Oktober 1988 III R 52/86 (BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257) ausgeführt, daß die Berechtigung des FA zum Erlaß von Prüfungsanordnungen zwar nicht auf § 155 Abs. 3 AO 1977 gestützt werden kann, da diese Vorschrift lediglich inhaltsgleiche Steuerbescheide gegen mehrere Gesamtschuldner betrifft, die in einem Steuerbescheid zusammengefaßt sind. Dem formellen Abgabenrecht sei aber nicht zu entnehmen, daß die Verbindung von Steuerverwaltungakten in einer Verfügung unzulässig ist, soweit kein Gesamtschuldverhältnis vorliegt, solange dadurch nur das Bestimmtheitsgebot des § 119 AO 1977 nicht verletzt wird.

Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegt im Streitfall jedenfalls hinsichtlich des Klägers nicht vor. Zwar hätte es das Verständnis erleichtert, wenn die - zugleich auf § 193 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützte - Prüfungsanordnung nähere Angaben zum sächlichen Prüfungsumfang enthalten hätte. Mögliche Zweifel sind jedoch durch die Erläuterungen im Beschwerdeverfahren beseitigt worden. Im übrigen bedarf es selbst dann keiner klarstellenden Erläuterungen, wenn eine an Ehegatten adressierte Prüfungsanordnung, von denen nur einer Gewinneinkünfte erzielt, sowohl auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als auch auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 verweist. Denn die erstgenannte Rechtsgrundlage kann nach ihrem objektiven Verständnis lediglich den Unternehmer-Ehegatten (hier den Kläger) betreffen. Da bei ihm im Rahmen dieser Prüfung auch alle für die Besteuerung wesentlichen außerbetrieblichen Umstände mitgeprüft werden dürfen, kann sich die Anordnung der Außenprüfung zur Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse gemäß § 193 Abs. 2 AO 1977 nur gegen den Nichtunternehmer-Ehegatten richten (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1989, 749).

Zu der vom FG angenommenen möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO 1977) hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257 ausgeführt, daß durch die Anordnung einer Außenprüfung den Ehegatten jedenfalls keine Verhältnisse bekannt werden, die nicht im Rahmen der für eine Zusammenveranlagung zu treffenden Feststellungen zulässigerweise offenbart werden.

Die durch das Urteil des FG erfolgte Aufhebung der an die Ehefrau des Klägers gerichteten Prüfungsanordnung berührt die Wirksamkeit der hier zu beurteilenden Prüfungsanordnung gegenüber dem Kläger nicht. Bei einer zusammengefaßten, an Ehegatten gerichteten Prüfungsanordnung handelt es sich um zwei selbständige, lediglich äußerlich verbundene Verwaltungsakte (vgl. Senatsurteil vom 13. März 1987 III R 236/83, BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664), die verfahrensrechtlich ein ,,Eigenleben" führen und gesondert angefochten und aufgehoben werden können.

2. Die Prüfungsanordnung ist entgegen der Auffassung des FG auch nicht mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des X. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, können für Ehegatten bestimmte Prüfungsanordnungen durch Übermittlung nur einer Ausfertigung dann wirksam bekanntgegeben werden, wenn die Adressaten - wie im Streitfall - eine gemeinsame Anschrift haben und für das FA auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Bekanntgabezwecks ersichtlich sind (vgl. Urteil in BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612). Der Frage, ob solche Anhaltspunkte gegeben sind, braucht nicht nachgegangen zu werden, da die Anordnung der Außenprüfung dem Kläger und seiner Ehefrau jedenfalls dadurch wirksam bekanntgegeben worden ist, daß dem gemeinsamen Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren die Beschwerdeentscheidung zugestellt worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257 Bezug genommen.

3. Die Prüfungsanordnung in Gestalt der Beschwerdeentscheidung ist auch frei von materiellen Rechts- und Ermessensfehlern.

Bei Steuerpflichtigen, die wie der Kläger einen Gewerbebetrieb unterhalten, kann nach § 193 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen eine Außenprüfung durchgeführt werden. Ob und zu welchem Zeitpunkt die Finanzverwaltung von dieser Möglichkeit der Überprüfung Gebrauch macht und eine Außenprüfung anordnet, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Ihre Entscheidung kann vom Gericht nur darauf überprüft werden, ob dabei die Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 102 FGO).

Da die Finanzverwaltung nicht in allen Fällen, in denen dies nach § 193 Abs. 1 FGO zulässig wäre, auch tatsächlich eine Prüfung durchführen kann, muß sie die zu prüfenden Steuerpflichtigen auswählen. Die Finanzverwaltung hat sich dahin entschieden, daß Großbetriebe lückenlos, andere Betriebe dagegen in zeitlichen Abständen geprüft werden sollen (§ 4 BpO - St -). Sie kann sich jedoch auch außerhalb des allgemeinen Prüfungsturnus aus besonderem Anlaß zu einer Außenprüfung entschließen (BFH-Urteile vom 24. Januar 1985 IV R 232/82, BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568; vom 16. Dezember 1987 I R 238/83, BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233).

Von dieser letzteren Möglichkeit hat das FA im Streitfall Gebrauch gemacht, wie der Begründung der Beschwerdeentscheidung und den Ausführungen des FA in dem Schreiben vom 8. September 1982, das auf jenes vom 19. Februar 1981 verweist, zu entnehmen ist.

Die dort dargelegten Gründe genügen auch den von der Rechtsprechung an die Begründung der Anordnung einer Prüfung aus besonderem Anlaß aufgestellten Anforderungen. Da es bei der Anordnung einer Prüfung aus besonderem Anlaß auf die Einhaltung eines bestimmten Prüfungsturnus nicht ankommt, sind alle dahingehenden Einwendungen des Klägers unbegründet.

Die Anordnung der Außenprüfung in den Geschäftsräumen des Klägers ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft.

Ob eine Prüfung an Amtsstelle unzweckmäßig und deshalb eine Außenprüfung angezeigt ist, entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie muß dabei Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts berücksichtigen und beachten, daß die Außenprüfung für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung bedeutet (BFH-Urteil vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435). Das FA beabsichtigte die Überprüfung des Steuerfalles aus besonderem Anlaß. Angesichts der verschiedenen aufklärungsbedürftigen Sachverhalte kann es nicht als sachfremd angesehen werden, die betreffenden Unterlagen in den Geschäftsräumen des Klägers einzusehen, wodurch Rückfragen erleichtert und Mißverständnisse vermieden werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 151

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