Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ausgaben für Trauerkleidung sind in der Regel keine außergewöhnlichen und zwangsläufigen Belastungen im Sinne des § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der mittellose Vater des Steuerpflichtigen (Stpfl.) starb im Jahr 1961. Aus Anlaß dieses Trauerfalles machte der Stpfl. die folgenden Aufwendungen:

a) schwarzer Anzug für sich ------------------ 292,95 DM b) schwarzes Kostüm und Bluse für seine Frau ------------------------------- 350,75 DM c) schwarzer Rock, Jacke und Bluse für die fünfzehnjährige Tochter -------------- 104,70 DM d) schwarzer Pullover, Schleife und Strümpfe für den dreizehnjährigen Sohn ----------------- 55,00 DM e) schwarzer Mantel, Hut, Rock, Bluse und Strickjacke für die 64jährige Mutter --------- 400,00 DM f) Kränze und Blumen -------------------------- 50,00 DM -------------------------------------------- 1.253,40 DM.Der Stpfl. betrachtet diese Kosten als eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Seine Einkünfte haben im Streitjahr 1961 16.344 DM betragen. Er trägt vor, er sei seit seinem Wehrdienst bei der Kriegsmarine gegen schwarze Kleidung "allergisch" und trage die Trauerkleidung daher nur, wenn dies unumgänglich sei. Außer für den Trauerfall brauche er den schwarzen Anzug nicht, da er nicht zur Kirche und nicht ins Theater gehe.

Das Finanzamt (FA) erkannte die Ausgaben nicht als außergewöhnliche Belastung an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung teilweise statt. Es führte aus, die Anschaffung des schwarzen Anzugs sei keine außergewöhnliche Ausgabe, da es allgemein üblich sei, daß ein Mann in der wirtschaftlichen Stellung des Stpfl. einen schwarzen Anzug besitze. Die anderen Ausgaben seien jedoch dem Grunde nach außergewöhnlich und zwangsläufig gewesen. Entgegen der Rechtsprechung des BFH entfalle eine Belastung nicht dadurch, daß der Stpfl. für seine Aufwendungen einen Gegenwert erhalte. Wie das FG Kassel im Urteil vom 30. Oktober 1964 EFG 1965, 67) dargelegt habe, sei § 33 EStG eine Tarifvorschrift, die die Berücksichtigung aller zwangsläufigen außergewöhnlichen Aufwendungen ermögliche, die die Grenze der zumutbaren Eigenbelastungen überstiegen. Ausgaben für Trauerkleidung führten nur dann nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn die Steuerpflichtigen dadurch Ausgaben für andere Kleidung ersparten. Durch die schwarzen Kleider für die Kinder hätte der Stpfl. keine anderen Ausgaben erspart, da die Kinder die Sachen nur zu dem Trauerfall hätten tragen können und in kurzer Zeit aus ihnen herausgewachsen seien. Die Mutter und die Ehefrau hätten sich durch die Anschaffung der Trauerkleidung jedoch teilweise die Anschaffung anderer Kleider erspart. Für die Mutter und die Ehefrau sei ein Betrag von schätzungsweise 150 DM als außergewöhnlicher Aufwand anzuerkennen. Die Ausgaben für Kränze und Blumen seien voll zu berücksichtigen, da ihnen kein Gegenwert oder ersparte Aufwendungen gegenüber stünden.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung im wesentlichen zurückzuweisen.

Die Kosten für Kränze und Blumen erkennt das FA als nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die gegen die sogenannte "Gegenwertlehre" des Senats geäußerten Bedenken des FG greifen nicht durch. Der Senat hat sich mit den Bedenken des FG Kassel gegen die Gegenwertlehre in seiner Entscheidung VI 23/65 S vom 9. April 1965 (BFH 82, 535, BStBl III 1965, 441) auseinandergesetzt und hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung hat der Stpfl. keinen "verlorenen Aufwand" gemacht. Die angeschafften Kleidungsstücke sind nach der Beerdigung des Vaters des Stpfl. nicht wertlos. Sie können bei anderen Gelegenheiten noch getragen werden, z. B. bei Beerdigungen, Hochzeiten, Taufen, Konfirmation, Kommunion, Theater, gesellschaftlichen Empfängen usw. Weithin ist es auch üblich, schwarze Trauerkleidung während des ganzen Trauerjahres zu tragen. Die Finanzverwaltung und die Steuergerichte können, ohne unangemessen in den privaten Bereich einzudringen, nicht feststellen, in welchem Umfang der einzelne Steuerpflichtige aus Anlaß eines Trauerfalles angeschaffte schwarze Kleidung auch später noch getragen hat. Es muß deshalb von der Erfahrung ausgegangen werden, daß die Käufer solcher Kleidung einen ihnen angemessen erscheinenden Gegenwert erhalten und die gekauften Gegenstände in aller Regel auch benutzen und auftragen. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Anschaffungskosten für diese Gegenstände nicht als "Belastungen" im Sinne von § 33 EStG zu behandeln. Das gilt auch für die Trauerkleidung der fünfzehnjährigen Tochter und des dreizehnjährigen Sohnes. Kinder tragen Trauerkleidung gewöhnlich ebenso auf wie andere Kleider, die für sie angeschafft werden und aus denen sie ebenfalls oft herauswachsen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem BFH-Urteil IV 243/59 vom 17. Januar 1963 (Steuerrechtsprechung in Karteiform § 33 EStG, Rechtsspruch 171) darin beizutreten ist, daß § 33 EStG ausnahmsweise anwendbar sei, wenn feststehe, daß der Stpfl. die angeschaffte Trauerkleidung nicht anderweitig verwenden könne, z. B. weil er besonders alt ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Entgegen der Auffassung des FG nimmt der Senat also an, daß der Stpfl. durch die Anschaffung der Trauerkleidung für sich, seine Frau und seine Kinder nicht im Sinne des § 33 EStG "belastet" ist, weil er für seine Ausgaben einen angemessenen Gegenwert erhalten hat. Selbst wenn man aber diese Frage anders beurteilen wollte, könnten die streitigen Ausgaben nicht als "außergewöhnlich" und "zwangsläufig" im Sinne des § 33 EStG angesehen werden. Bei dem heute üblichen Lebenszuschnitt und bei Steuerpflichtigen mit Einkünften von etwa 16.000 DM sind Ausgaben für Trauerkleidung beim Tod naher Angehöriger üblich und deshalb nicht "außergewöhnlich". Ausgaben zur Anschaffung von Trauerkleidung sind auch nicht "zwangsläufig". Es entspricht zwar der Sitte, bei Beerdigungen schwarze Kleidung zu tragen. Derartige Sitten begründen aber keine sittliche oder tatsächliche Verpflichtung, ihr zu folgen. übungen und Sitten, die die Steuerpflichtigen zu bestimmten finanziellen Maßnahmen veranlassen, hat der Senat bisher nicht als "zwangsläufig" im Sinne von § 33 EStG anerkannt (vgl. z. B. das Urteil VI 303/57 U vom 2. Mai 1958, BFH 67, 62, BStBl III 1958, 296, betreffend die Kosten einer Hochzeitsfeier).

Das angefochtene Urteil war mithin aus verschiedenen Gründen wegen unrichtiger Auslegung des § 33 EStG aufzuheben.

Die Frage, ob das FG die Ausgaben für Blumen und Kränze zu Recht als außergewöhnliche Belastung behandelt hat, kann der Senat nicht prüfen, da das FA seinen Revisionsantrag darauf nicht erstreckt hat (Urteil des Senats VI 248/65 vom 26. August 1966, BFH 86, 783, BStBl III 1966, 659). Es muß daher offenbleiben, ob auch insoweit einem Revisionsantrag des FA hätte stattgegeben werden müssen, weil auch derartige Ausgaben nicht zu einer "Belastung" führen, jedenfalls aber nicht "außergewöhnlich" und "zwangsläufig" im Sinne von § 33 EStG sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412243

BStBl III 1967, 364

BFHE 1967, 235

BFHE 88, 235

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