Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweisung der Klage eines Sicherheitenpools durch das FG unter Berufung auf Unwirksamkeit der Vollmacht

 

Leitsatz (NV)

1. Wird namens eines Sicherheitenpools (Zusammenschluß von Gläubigern eines in Konkurs geratenen Unternehmens), dessen Führung aus einer Poolführerin -- einer GmbH (Geschäftsführer: ein Rechtsanwalt) -- und einem Poolbeirat besteht, durch den Rechtsanwalt Klage erhoben, wobei dieser nicht als gesetzlicher Vertreter der Poolführerin (Geschäftsführer), sondern als gewillkürter Prozeßbevollmächtigter des Sicherheitenpools auftritt, so ist eine entsprechende durch den Sicherheitenpool erteilte Prozeßvollmacht vorzulegen.

2. Die wirksame Vollmacht ist Sachurteilsvoraussetzung.

3. Ist mit der Klageschrift eine entsprechende vom Rechtsanwalt als Geschäftsführer der GmbH unterzeichnete Vollmacht ein gereicht worden und werden in der münd lichen Verhandlung Genehmigungserklärungen der Mitglieder des Poolbeirats im Original vorgelegt, so ist von wirksamer Bevollmächtigung auszugehen.

4. Nichts Gegenteiliges gilt für den Fall, daß der Berichterstatter den Rechtsanwalt gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG unter Setzung einer -- vor der mündlichen Verhandlung endenden -- Ausschlußfrist zur Vollmachtsvorlage aufgefordert und ihm zugleich u. a. aufgegeben hatte, "die Vertretungsverhältnisse" des Sicherheitenpools "durch Vorlage geeigneter Belege (Urkunden) nachzuweisen".

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 1

 

Tatbestand

Mehrere Gläubiger einer 1985 in Konkurs geratenen Firma schlossen sich zur Durchsetzung ihrer Eigentumsvorbehaltsrechte zu einem Sicherheitenpool -- der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -- zusammen.

Ziff. 6 Abs. 1 der Vereinbarung zur Bildung eines Sicherheitenpools lautet:"

Die Poolführung besteht aus folgenden Mitgliedern:

a) Aus dem Poolführer, X-GmbH

b) Aus dem Poolbeirat, gebildet aus ...

Der Poolverwalter im Zusammenwirken mit dem Poolbeirat vertritt die Interessen der Poolgläubiger. Sie sind ermächtigt, bezüglich der Kosten der Poolabwicklung verbindliche Entscheidungen zu Lasten des Poolvermögens zu treffen."

Rechtsanwalt Y erhob mit Schriftsatz vom 25. Mai 1987 namens der Klägerin gegen die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) für den Sicherheitenpool erlassene Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr (1985) Anfechtungsklage. Beigefügt war eine auf ihn und seine Partnerin lautende und von ihm selbst unterzeichnete Prozeßvollmacht. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 1987 legte er erneut eine auf ihn und seine Partnerin lautende und von ihm selbst unterzeichnete Vollmacht, ein Schreiben der GmbH, deren Geschäftsführer er ist, sowie den Poolvertrag vor.

Mit Verfügung vom 7. März 1989 setzte der Berichterstatter dem "Prozeßbevollmächtigten" gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Ent lastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) zur Vollmachtsvorlage eine Ausschlußfrist bis zum 10. April 1989. Zusätzlich gab er ihm auf, "die Vertretungsverhältnisse der Klägerin durch Vorlage geeigneter Belege (Urkunden) nachzuweisen" und auch "anzugeben, von wem die Vollmacht gezeichnet (worden) ist". Verbunden war diese Aufforderung mit dem Hinweis, daß nach Ablauf der Ausschlußfrist eingereichte Unterlagen nur noch unter den Voraussetzungen des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berücksichtigen seien.

Mit Schriftsatz vom 9. März 1989 teilte Rechtsanwalt Y mit, daß die vorgelegte Prozeßvollmacht von ihm selbst als Geschäftsführer der GmbH unterzeichnet worden sei, und legte einen Handelsregisterauszug für die GmbH vor, wonach er deren Geschäftsführer war.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 16. Oktober 1990 legte der Prozeßvertreter dem Gericht Originale von Genehmigungserklärungen der Beiratsmitglieder des Pools vor.

Das FG verwarf die Klage als unzulässig. In seinem -- in Entscheidungen der Finanz gerichte (EFG) 1991, 334 veröffentlichten -- Urteil führte es zur Begründung aus, die nachgereichten Vollmachts- bzw. Genehmigungserklärungen der Poolbeiratsmitglieder seien bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage unberücksichtigt zu lassen, denn sie seien erst nach Ablauf der Ausschlußfrist vorgelegt worden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom FG zugelassenen Revision, mit der sie sinngemäß beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA hat sich zu der Revision nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Entgegen der Auffassung des FG hat die Klägerin die ihr nach § 62 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 3 § 1 VGFGEntlG obliegenden prozessualen Pflichten fristgerecht erfüllt.

a) Gemäß § 62 Abs. 3 FGO ist die Vollmacht eines Bevollmächtigten schriftlich beim Gericht einzureichen. Hierzu war auch die Klägerin verpflichtet; denn ihr Prozeßvertreter ist im Klageverfahren nicht als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der Poolführerin aufgetreten, sondern als (gewillkürter) Prozeßbevollmächtigter der Klägerin. Dieser hat die Vollmacht mit der Klageschrift vom 25. Mai 1987 vorgelegt.

Die Vollmacht war wirksam. Nach § 62 FGO ist eine durch einen Bevollmächtigten erhobene Klage nur dann mit Wirkung für den Vertretenen erhoben, wenn der Bevollmächtigte wirksam bevollmächtigt war. Lediglich der im Rahmen einer wirksamen Vollmacht handelnde Bevollmächtigte kann Prozeßerklärungen und Prozeßhandlungen mit Wirkung für den von ihm Vertretenen abgeben oder vornehmen. Die wirksame Vollmacht des Bevollmächtigten ist Sachurteilsvoraussetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. November 1988 I R 168/84, BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514, m. w. N.).

Zwar hat im Streitfall für die Klägerin Rechtsanwalt Y selbst als Geschäftsführer der Poolführerin die auf ihn und seine Partnerin lautende Prozeßvollmacht unterzeichnet.

Der erkennende Senat kann indes unerörtert lassen, ob aufgrund des Poolvertrages (vgl. Nr. 6 dieser Vereinbarung) die GmbH als Poolführerin allein oder nur zusammen mit den Mitgliedern des Poolbeirates berechtigt war, für den vertretenen Pool -- die Klägerin -- den Prozeßvertreter zu bevollmächtigen. Die Beiratsmitglieder haben die Prozeßführung des Poolführers wirksam genehmigt (vgl. zur Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch einen Gesamtvertreter, Thiele, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 164 Rz. 81, m. w. N.; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17. April 1984 GmS-OGB 2/83; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1984, 389; BFH in BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514, m. w. N.).

b) Die Beiratsmitglieder konnten die Prozeßführung im Streitfall auch nach Ablauf der vom FG gesetzten Ausschlußfrist nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG genehmigen; denn die Ausschlußfrist bezog sich nur auf die Vorlage einer auf den Bevollmächtigten lautenden Vollmacht.

Zwar enthielt die Fristsetzung darüber hinaus die Aufforderung an den Bevollmächtigten, "die Vertretungsverhältnisse der Klägerin durch die Vorlage geeigneter Belege (Urkunden) nachzuweisen" und "anzugeben, von wem die Vollmacht gezeichnet (worden) ist". Dieses Verlangen stellt aber keine Rechtfertigung dar, die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgelegten Genehmigungen der Beiratsmitglieder nicht zu berücksichtigen.

Der erkennende Senat kann offenlassen, ob nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG innerhalb der Ausschlußfrist nicht allein die Vorlage der Vollmachtsurkunde, sondern auch der Nachweis der Vertretungsmacht eines Dritten verlangt werden kann, wenn die Vollmachtsurkunde -- wie im Streitfall -- nicht von dem Verfahrensbeteiligten selbst, sondern von einem Dritten unterzeichnet worden ist (offengelassen auch im BFH-Urteil vom 16. Februar 1990 III R 81/87, BFHE 160, 387, BStBl II 1990, 746). Denn das Fehlen eines derartigen Nachweises innerhalb der Ausschlußfrist kann nur beachtlich sein, wenn die gerichtliche Aufforderung zum Nachweis der Vollmacht entsprechend abgefaßt worden ist, etwa das FG den Prozeßvertreter aufgefordert hat, innerhalb der Frist seine Prozeßbevollmächtigung lückenlos bis hin zum Verfahrensbeteiligten oder dessen gesetzlichen Vertreter nachzuweisen (BFH in BFHE 160, 387, BStBl II 1990, 746).

Entgegen der Auffassung des FG fehlt es im Streitfall an einer derartigen Aufforderung. Der Berichterstatter hat in seiner Verfügung vom 7. März 1989 lediglich verlangt, die Vertretungsverhältnisse der Klägerin nachzuweisen und aufzuzeigen, von wem die Vollmacht gezeichnet wurde. Da der Prozeßvertreter dem letzten Teil dieses Verlangen dadurch fristgerecht nachgekommen ist, daß er einen Handelsregisterauszug der GmbH vorgelegt hat, der ihn selbst als Geschäftsführer ausweist, hat er die Vertretungsverhältnisse der Klägerin bereits mit seinem Schriftsatz vom 9. Juni 1987 nachgewiesen. Diesem Schriftsatz lag nämlich die schriftliche Poolvereinbarung bei, aus der sich im einzelnen ergibt, wer die Geschäfte der Klägerin zu führen und die Klägerin nach außen zu vertreten hat. Ob die Poolführerin hierzu allein oder nur gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedern des Beirats berechtigt war, ist eine Rechtsfrage, die zu klären Aufgabe des Gerichts ist und die zu beantworten das Gericht nicht den Beteiligten überlassen darf. Ob das FG aufgrund etwaiger rechtlicher Zweifel am Alleinvertretungsrecht der Poolführerin bei der Auslegung des Poolvertrages dem Prozeßvertreter gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG hätte aufgeben dürfen, innerhalb der Frist Vollmachten oder Genehmigungen der übrigen Beiratsmitglieder vorzulegen, kann der Senat offenlassen; denn eine solche Vorlage hat der Berichterstatter nicht verlangt. In diesem Sinne konnte auch nicht die allgemein gehaltene Aufforderung verstanden werden, die Vertretungsverhältnisse nachzuweisen.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat noch nicht über den materiellen Steueranspruch entschieden. Dies wird es in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 716

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