Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen Treu und Glauben bei Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

Erteilt das Finanzamt trotz Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung diese rechtswidrig nicht und wird dadurch die Eintragung des Grundstückserwerbers im Grundbuch innerhalb der Fünfjahresfrist des § 4 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG HE verhindert, so darf es die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b GrEStG HE nicht unter Hinweis auf diese Fristversäumnis verweigern.

 

Normenkette

GrEStG HE § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b; GrEStG HE § 4 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) kauften durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 17. September 1974 zu je 1/2 Miteigentumsanteil ein in Hessen gelegenes, aus zwei Teilparzellen bestehendes Grundstück mit einem nach Angaben der Kläger im Februar 1972 bezugsfertig gewordenen Zweifamilienhaus. Die beiden Wohnungen des Hauses haben eine Größe von 142,05 qm bzw. 52,21 qm.

Die Kläger beantragten Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes Hessen (GrEStG HE). Der Anerkennungsbescheid für das Gebäude nach § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) war den Verkäufern des Grundstücks, die das Gebäude errichtet hatten, unter dem 10. August 1972 erteilt worden.

Die Kläger bezogen nach dem Auszug der Verkäufer zusammen mit ihren drei Kindern beide Wohnungen des Hauses. Hieraufhin setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Kläger durch zwei getrennte Bescheide Grunderwerbsteuer mit der Begründung fest, im Hinblick auf das Bewohnen beider Wohneinheiten durch die Kläger und ihre Familie sei die zulässige Wohnfläche von 156 qm überschritten. Dieses teilte das FA auch dem Magistrat der Stadt H mit, der daraufhin den Anerkennungsbescheid durch Bescheid vom 1. Dezember 1975 widerrief. Auf den Widerspruch der Kläger hin wurde schließlich am 6. Juli 1977 der Widerruf des Anerkennungsbescheides aufgehoben und vom Magistrat festgestellt, daß der ursprüngliche Anerkennungsbescheid gültig sei.

Die Kläger wurden am 26. Mai 1978 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung hatte zuvor das FA am 22. März 1978 auf einen Antrag der Kläger vom 6. Januar 1978 gegen Sicherheitsleistung erteilt. Der amtierende Notar hatte vorher bereits am 29. Oktober 1975 sowie 13. Mai 1976 um Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung gebeten. Das FA hatte mitgeteilt, die Unbedenklichkeitsbescheinigung könne nicht erteilt werden, weil die Grunderwerbsteuer noch nicht gezahlt sei.

Die Einsprüche der Kläger gegen die Grunderwerbsteuerbescheide vom 11. August 1975 wurden vom FA mit der Begründung zurückgewiesen, der von den Klägern beantragten Grunderwerbsteuerbefreiung stehe entgegen, daß die Kläger erst nach Ablauf von fünf Jahren seit Bezugsfertigkeit des Hauses als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden seien. Im anschließenden Klageverfahren hob das Finanzgericht (FG) die Grunderwerbsteuerbescheide und Einspruchsentscheidungen des FA auf, weil dadurch, daß die Einspruchsentscheidungen im Gegensatz zu den Steuerbescheiden erstmals auf den Nachversteuerungstatbestand des § 4 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG HE gestützt worden seien, eine unzulässige Auswechselung des Besteuerungsgegenstandes vorliege.

Mit Bescheiden vom 25. August 1981 setzte das FA erneut Grunderwerbsteuer gegen die Kläger fest, weil das Eigentum nicht innerhalb von fünf Jahren übergegangen sei. Die Einsprüche sowie die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision beantragen die Kläger, die Grunderwerbsteuerbescheide, die Einspruchsentscheidungen sowie das Urteil des FG aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Anhand des bisher festgestellten Sachverhaltes läßt sich nicht entscheiden, ob das FA wider Treu und Glauben einwendet, die Kläger hätten die Fünfjahresfrist des § 4 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG HE nicht eingehalten.

Wie der Senat inzwischen durch Urteil vom 31. Juli 1985 II R 76/83 (BFHE 144, 279, BStBl II 1985, 698) entschieden hat, gibt die Aussetzung der Vollziehung einer festgesetzten Grunderwerbsteuer ebenso wie deren Stundung dem Grundstückserwerber einen Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Hat demnach ein FA trotz Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt und dadurch die Eintragung des Grundstückserwerbers im Grundbuch innerhalb der genannten Fünfjahresfrist verhindert, so darf es die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b GrEStG HE nicht unter Hinweis auf diese Fristversäumnis verweigern; denn das verstieße gegen Treu und Glauben.

Das FG hat bisher keine Tatsache festgestellt, welche die Überprüfung des vorliegenden Falles unter dem vorgenannten Gesichtspunkt ermöglichen; das in BFHE 144, 279, BStBl II 1985, 698 (nur als Leitsatz) veröffentlichte Urteil ist erst nach Erlaß des FG-Urteils ergangen. Die Sache geht daher an das FG zurück zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und erneuter Entscheidung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415944

BFH/NV 1989, 666

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge