Leitsatz (amtlich)

Ein Tantiemeanspruch, der nicht nur gewinnabhängig ist, sondern auch davon abhängt, daß der Gewinn ganz oder teilweise oder in bestimmter Mindesthöhe ausgeschüttet wird, ist am Bewertungsstichtag, an dem der Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverteilung (Gewinnverwendung) noch nicht vorliegt, aufschiebend bedingt und deshalb nach § 4 BewG nicht anzusetzen. An dem RFH-Urteil III A 790/30 vom 4. Februar 1932 (RStBl 1932, 332) wird nicht festgehalten.

 

Normenkette

BewG § 4

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige ist Angestellter einer AG. Nach dem Anstellungsvertrag steht ihm eine dividendenabhängige Erfolgsbeteiligung von je 1 800 DM für jedes über 3 v. H. hinaus ausgeschüttete Prozent Dividende zu. Er erhielt demgemäß im Jahre 1963 für das Jahr 1962 eine Tantieme von 30 000 DM. Das FA setzte bei der Veranlagung zur Vermögensteuer 1963 auch die Tantiemeforderung mit dem Nennwert von 30 000 DM beim sonstigen Vermögen an.

Mit dem Einspruch machte der Steuerpflichtige geltend, der Tantiemeanspruch sei am 1. Januar 1963 dem Grunde nach von in der Zukunft liegenden ungewissen Ereignissen abhängig, nämlich davon, ob

1. der Vorstand der AG den Jahresabschluß so aufstelle, daß ein verteilungsfähiger Reingewinn in ausreichender Höhe ausgewiesen werde,

2. der Aufsichtsrat sich dem Bilanzvorschlag des Vorstandes anschließe,

3. die Hauptversammlung aus dem ihr durch die Feststellung des Jahresabschlusses zur Verteilung zugewiesenen Reingewinn die Ausschüttung einer Dividende in der bestimmten Mindesthöhe beschließe.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dagegen war die Berufung erfolgreich. Das FG ist der Auffassung, die Entstehung des Tantiemeanspruchs hänge von zwei Voraussetzungen ab, nämlich daß die Handelsbilanz überhaupt einen Gewinn ausweise, der die Verteilung einer Dividende zulasse, und zum anderen, daß die Hauptversammlung die Ausschüttung einer Dividende von mehr als 3 v. H. beschließe. Beide Voraussetzungen seien zukünftige, ungewisse Ereignisse. Der Tantiemeanspruch sei deshalb im Veranlagungszeitpunkt (1. Januar 1963) aufschiebend bedingt gewesen.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Es ist der Auffassung, der Tantiemeanspruch sei nicht aufschiebend bedingt. Er sei vertraglich vereinbart. Nur seine Höhe hänge noch vom Geschäftsergebnis ab. Diese Auffassung entspreche dem Urteil des RFH III A 790/30 vom 4. Februar 1932 (RStBl 1932, 332).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Es handelt sich um einen vertraglich vereinbarten Tantiemeanspruch. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von den in Abschn. 57 Abs. 1 VStR 1963 angesprochenen Fällen, in denen die Gewährung einer Tantieme in das freie Ermessen der Gesellschaft gestellt ist und in denen nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. RFH-Urteil III A 237/29 vom 9. April 1930, RStBl 1930, 420) bis zur Beschlußfassung über die Gewährung nur ein aufschiebend bedingter Tantiemeanspruch besteht. Andererseits unterscheidet sich der Streitfall aber auch von den in Abschn. 57 Abs. 2 VStR 1963 behandelten Fällen, in denen zwar ebenfalls ein vertraglich vereinbarter Tantiemeanspruch vorliegt, dieser aber nur davon abhängig ist, daß in dem betreffenden Wirtschaftsjahr ein Gewinn erzielt wird. In diesen Fällen besteht nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. RFH-Urteile I A 129/19 vom 11. Dezember 1919, RFH 2, 179; I A 225/20 vom 21. Oktober 1921, RFH 7, 112; I A 655/28 vom 26. April 1929, RStBl 1929, 363; III 333/38 vom 7. März 1940, RStBl 1940, 540) zwar ein aufschiebend bedingter Anspruch, bei dem die Bedingung jedoch als am Schluß des betreffenden Wirtschaftsjahres bereits eingetreten angesehen wird, weil in diesem Zeitpunkt die Ungewißheit darüber beseitigt sei, ob ein Gewinn erzielt wurde. Der Umstand, daß die Höhe des Gewinns noch nicht festgestellt sei, ändere daran nichts. Denn die Feststellung des Gewinns habe nur noch deklaratorische Bedeutung. In diesen Fällen könne also davon gesprochen werden, daß der Tantiemeanspruch am Bewertungsstichtag dem Grunde nach unbedingt bestehe und nur der Höhe nach ungewiß sei.

Der Senat braucht im Streitfall zu dieser Rechtsprechung nicht Stellung zu nehmen, weil der Tantiemeanspruch des Steuerpflichtigen nicht nur gewinnabhängig, sondern auch noch davon abhängig war, daß der Gewinn ausgeschüttet wurde. Der RFH hat zwar in dem Urteil III A 790/30 vom 4. Februar 1932 (RStBl 1932, 332) die von ihm für gewinnabhängige Tantiemen aufgestellten Grundsätze ohne nähere Begründung auch auf Tantiemeansprüche angewandt, die von der Ausschüttung eines bestimmten Gewinnes abhängig sind. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Es muß beachtet werden, daß in einem solchen Fall der Tantiemeanspruch in zweifacher Hinsicht aufschiebend bedingt ist. Denn auch wenn man der Auffassung folgt, die erste Bedingung, die Erzielung eines Gewinns, sei am Stichtag bereits eingetreten, ist das bei der zweiten Bedingung, der Ausschüttung einer Dividende, im Streitfall einer Dividende von mehr als 3 v. H., nicht der Fall. Die Verteilung (Verwendung) des Gewinns fällt sowohl nach dem Aktiengesetz 1937 (§ 126 Abs. 3) als auch nach dem AktG 1965 (§ 174 Abs. 1) in die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung. Der Beschluß der Hauptversammlung über die Verteilung bzw. Verwendung des Gewinns hat nicht nur deklaratorische, sondern konstitutive Wirkung. Die aufschiebende Bedingung tritt danach erst in dem Zeitpunkt ein, in dem dieser Beschluß gefaßt ist. Dabei ist es unerheblich, daß nach dem AktG 1937 die Hauptversammlung von der Verteilung des Gewinns nur absehen konnte, wenn dies in der Satzung der Gesellschaft ausdrücklich vorgesehen war. Denn ein ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung gefaßter Beschluß, den Gewinn nicht zu verteilen, war nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, wenn er nicht einstimmig beschlossen war (vgl. Urteil des BGH II ZR 208/55 vom 24. Januar 1957, BGHZ Bd. 23 S. 150). Nach dem AktG 1965 ist die Hauptversammlung hinsichtlich der Gewinnverwendung sogar ganz frei (vgl. § 58 Abs. 3 AktG 1965). Ein Beschluß über die Gewinnverwendung kann - abgesehen von den Fällen des § 243 AktG 1965 - nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 AktG 1965 angefochten werden. Unerheblich ist es ferner, ob für den Tantiemeanspruch bereits eine Rückstellung in die Bilanz des abgelaufenen Wirtschaftsjahres eingestellt werden kann oder sogar muß. Denn dadurch wird die Hauptversammlung hinsichtlich der Gewinnverteilung (Gewinnverwendung) nicht gebunden. Nach dem AktG 1937 mußte, wenn sich nach der Beschlußfassung der Hauptversammlung herausstellte, daß die Rückstellung zu hoch ausgewiesen war, nach überwiegender Auffassung (vgl. Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz 1965, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 174 am Ende) die Bilanz des vergangenen Wirtschaftsjahres entsprechend geändert werden. Auch darin zeigt sich die konstitutive Wirkung des Gewinnverteilungsbeschlusses. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, daß jetzt nach § 174 Abs. 3 AktG 1965 die Änderungen des Aufwands durch den Gewinnverwendungsbeschluß auf neue Rechnung vorgetragen werden. Diese Vorschrift dient nur der Vereinfachung und ist bedenkenfrei, weil auch der Gewinnverwendungsbeschluß, der nach § 174 Abs. 2 Nr. 5 AktG 1965 die Änderungen des Aufwands angeben muß, veröffentlicht wird (so Baumbach-Hueck, Aktiengesetz, 13. Aufl., Anm. 12 zu § 174).

Nach alledem ist der Senat der Auffassung, daß ein Tantiemeanspruch, der nicht nur gewinnabhängig ist, sondern auch davon abhängt, daß der Gewinn ganz oder teilweise oder in bestimmter Mindesthöhe ausgeschüttet wird, am Bewertungsstichtag, an dem der Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverteilung (Gewinnverwendung) noch nicht vorliegt, aufschiebend bedingt und deshalb nach § 4 BewG nicht anzusetzen ist.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 703

BFHE 1968, 11

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