Entscheidungsstichwort (Thema)

Instandsetzungsrückstellung nach dem § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG keine Gegenleistung

 

Leitsatz (NV)

Verpflichtet sich der Erwerber einer Eigentumswohnung gleichzeitig mit dem Erwerb zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG und zur Zahlung entsprechender Geldbeträge an den Verwalter, so sind diese Aufwendungen nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung einzubeziehen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 2 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; WEG § 16 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Nr. 4; BGB § 96

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) kaufte durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 13. Dezember 1985 eine in A gelegene Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von . . . DM. Ferner übernahm er die Verpflichtung, ,,zusätzlich zum Kaufpreis und gleichzeitig mit diesem einen Betrag von 15 DM pro Quadratmeter Wohnfläche der gekauften Wohnung, somit . . . DM einmalig zur Bildung einer Instandhaltungsrücklage an den Verwalter des Wohnungseigentums . . ." zu zahlen. Die danach ab 1. Januar 1987 fällig werdenden jährlichen Beiträge von 3 DM pro Quadratmeter Wohnfläche zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung sollten ebenfalls vom Kläger übernommen werden.

Die vom Kläger erworbene Wohnung liegt in einem Gebäude mit 62 Wohneinheiten. Eigentümerin der gesamten Wohnanlage waren die B-AG und die C-AG. Diese hatten zum Zwecke der Veräußerung die Wohnanlage in Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt. In der hierzu abgegebenen Teilungserklärung vom 18. November 1985 hatten sie vereinbart, daß die Wohnungseigentümer zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung Beiträge (ab 1. Januar 1987 in Höhe von 3 DM pro Quadratmeter Wohnfläche jährlich) an den Verwalter entrichten sollten. Ferner heißt es dann wörtlich:

,,Im Hinblick darauf, daß bisher keine Instandhaltungsrücklage gebildet ist, hat jeder Wohnungseigentümer bis spätestens 31. 12. 1986 einen einmaligen Beitrag von 15 DM pro Quadratmeter Wohnfläche an den Verwalter zu entrichten."

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der vom Kläger als Beitrag für die Instandhaltungsrückstellung zu zahlenden . . . DM gegen den Kläger festgesetzt. Das Finanzgericht (FG) hat auf die hiergegen gerichtete Klage des Klägers die Grunderwerbsteuerfestsetzung aufgehoben und die Steuer nur nach dem vereinbarten Kaufpreis berechnet und auf . . . DM ermäßigt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß beim Erwerb einer Eigentumswohnung die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen an den Verwalter zwecks Bildung einer Instandhaltungsrückstellung nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) durch den Erwerber nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983; Gegenleistung) einzubeziehen ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen als Gegenleistung.

Die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung des Betrages von . . . DM zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung ist nicht Teil des vom Kläger zu zahlenden ,,Kaufpreises". Denn als ,,Kaufpreis" i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 kann nur der Geldbetrag angesehen werden, den der Erwerber nach dem Kaufvertrag für den Erwerb des Grundstücks an den Verkäufer zu zahlen hat. Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zur Einzahlung in die Instandhaltungsrückstellung nicht gegeben. Nach dem notariellen Vertrag vom 13. Dezember 1985 sollte der vom Kläger an die Verkäuferinnen zu zahlende Kaufpreis ,,insgesamt" . . . DM betragen, während der zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung vom Kläger zusätzlich aufzuwendende Geldbetrag nicht an die Verkäuferinnen, sondern an den Verwalter gezahlt werden sollte. Verpflichtet sich ein Grundstückserwerber gegenüber dem Grundstücksveräußerer neben dem vereinbarten Kaufpreis - anders der Fall, daß er sich in Anrechnung auf den Kaufpreis verpflichtet - zu Leistungen an einen Dritten, kann es sich nur um eine ,,sonstige Leistung" i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 handeln.

Die im Rahmen des Kaufvertrages übernommene Verpflichtung auf Zahlung eines Betrages von . . . DM zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung stellt auch keine ,,sonstige Leistung" des Klägers i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 dar. Denn diese Zahlungen an den Verwalter zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung wurden im Streitfall vom Kläger nicht als ,,Entgelt für den Grundstückserwerb (vgl. hierzu Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 9 Rdnr. 291 mit weiteren Nachweisen) erbracht, sie stellen vielmehr Aufwand für den Erwerb einer geldwerten Vermögensposition dar, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fällt. Es handelt sich insoweit (auch) um ,,eigennützige" Leistungen des Klägers.

Für die Frage, ob Leistungen Entgelt für den Grundstückserwerb darstellen, ist vom grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen. Dieser knüpft an den Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts an (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG 1983). In bestimmter Hinsicht sind aber der Besteuerung engere Grenzen gezogen. Das folgt aus dem Sinn der Nr. 2 des § 2 Abs. 1 GrEStG 1983, wonach nur der Rechtsverkehr mit Grundstücken der Steuer unterliegen soll und der Erwerb von Geldforderungen oder anderen vergleichbaren Vermögenspositionen selbst dann grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich ist, wenn solche Rechte gemäß § 96 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Bestandteile des Grundstücks bürgerlich-rechtlich dessen Schicksal teilen (vgl. die Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 393; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Oktober 1985 II R 111/83, BFHE 145, 238, BStBl II 1986, 189 - zum Erwerb des Anspruchs auf Brandentschädigung -, und vom 30. Januar 1991 II R 89/87, BFHE 163, 251, BStBl II 1991, 271 - zum Erwerb des mit einem Erbbaugrundstück verbundenen Erbbauzinsanspruches). Werden zusammen mit einem Grundstück mit diesem verbundene Rechte, die gemäß § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks gelten, erworben, ist deshalb der hierauf entfallende Aufwand des Grundstückserwerbers nicht zwingend und in jedem Fall als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung anzusehen. Umgekehrt ergibt sich daraus aber noch nicht, daß der Aufwand für solche Rechte generell nicht zur Gegenleistung zu rechnen ist. Entscheidend und in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob solche mit dem Eigentum verbundene und deshalb gemäß § 96 BGB als Grundstücksbestandteile geltende Rechte geldwerte Vermögenspositionen vermitteln, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fallen.

Das Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung nach dem WEG stellt eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition dar. Denn Sinn der Instandhaltungsrückstellung ist es, für künftig erforderlich werdende Reparaturen vorzusorgen und die Liquidität der Eigentümergemeinschaft für den Fall höherer Instandhaltungsaufwendungen zu gewährleisten. Es handelt sich wirtschaftlich um Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer auf zukünftige Instandhaltungsaufwendungen. Diese können deshalb verlangen, daß Aufwendungen für Instandsetzungen am Gemeinschaftseigentum, an denen sie sich entsprechend der Größe ihres Wohnungseigentums zu beteiligen hätten (vgl. § 16 Abs. 2 WEG), zunächst aus der Rücklage bezahlt werden. Die insoweit bestehenden Ansprüche der Wohnungseigentümer sind zwar zweckgebunden und für die einzelnen Wohnungseigentümer - nach überwiegender Rechtsauffassung in der Literatur - nicht frei verfügbar. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß die in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel den einzelnen Wohnungseigentümern ihrem Anteil an der Instandhaltungsrückstellung entsprechend im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 2 WEG unmittelbar zugute kommen. Dies gilt bei Verkauf einer Eigentumswohnung sowohl für den Fall des entgeltlichen Erwerbs der entsprechenden Anteile aus einer bereits bestehenden als auch für den hier vorliegenden Fall der Übernahme der Verpflichtung zur Bildung einer noch nicht bestehenden Instandhaltungsrückstellung. Denn in beiden Fällen kann der Erwerber einer Eigentumswohnung für den Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht wegen Instandhaltungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 2 WEG zu seiner Entlastung die Verwendung der in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel verlangen (vgl. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 50. Aufl., § 21 WEG Rz. 8). Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Aufwand des Erwerbers einer Eigentumswohnung für die Übernahme oder Bildung einer Instandhaltungsrückstellung nicht Entgelt für den Erwerb der Eigentumswohnung selbst, sondern Entgelt zur Erlangung eines - möglicherweise erst zukünftig entstehenden - geldwerten Anspruchs auf Bezahlung von Instandhaltungsaufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung dar. Der Erwerb eines solchen Anspruchs ist nicht grunderwerbsteuerpflichtig, und zwar unabhängig von der zivilrechtlichen Vorfrage, ob es sich bei den Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung nach dem WEG um selbständige, vom Wohnungseigentum lösbare Forderungsrechte (so: Weitnauer, WEG-Kommentar, 7. Aufl. 1988, Vorbem. § 1 Rdnr. 4 o, p, Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1 WEG Anm. 4; Bayer. Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 25. Juli 1984, BayObLG 84, 198) oder um untrennbare Bestandteile der jeweiligen Wohnungseigentumsrechte handelt und diese deshalb an die Unauflösbarkeit der Gemeinschaft (vgl. § 11 WEG) gebundene Vermögensbestandteile darstellen, die nicht als eigene Guthaben der Wohnungseigentümer anzusehen sind (so: Bärmann/Pick, WEG-Kommentar, Einleitung Rdnr. 17, § 1 Rdnr. 10; Röll in Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 4, 2. Aufl., § 1 WEG Rdnr. 12; ders. Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 5. Aufl. 1991, Rdnr. 2.4.2.5 und 1.2.4.2; Sauren, WEG, § 11 Anm. 3; Belz, Das Wohnungseigentum, 2. Aufl. 1982, S. 107; Henker/Niedenführ/Schulze, WEG, 1991, § 21 Tz. 31). Denn selbst wenn der zuletzt dargestellten Rechtsmeinung zu folgen wäre, könnte - wie oben ausgeführt - grunderwerbsteuerrechtlich allein aus der zivilrechtlichen Verknüpfung des jeweiligen Anteils an der Instandhaltungsrückstellung mit dem Wohnungseigentumsrecht nicht der Schluß gezogen werden, der Aufwand für die Instandhaltungsrückstellung sei für den Erwerb der Eigentumswohnung getätigt worden.

Gegen die Annahme, die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages an den Verwalter zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung sei als Gegenleistung für den Erwerb der Eigentumswohnung zu betrachten, spricht ferner auch der Umstand, daß die aufgewandten Beträge (einschließlich evtl. Zinserträge) nicht den Verkäuferinnen oder Dritten, sondern dem Erwerber selbst zugute kommen (vgl. hierzu Boruttau/Egly/Sigloch, a.a.O., § 9 Rdnr. 49, 143). Denn dieser hat - wie oben bereits ausgeführt - bei Durchführung von zukünftigen Instandsetzungsmaßnahmen gegen die übrigen Miteigentümer einen Anspruch darauf, daß zum Ausgleich der nach § 16 Abs. 2 WEG bestehenden Ansprüche die in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel verwendet werden. Insoweit steht - einem gegenseitigen Vertragsverhältnis vergleichbar - der Verpflichtung des Klägers zur Vornahme von Einzahlungen in die Instandhaltungsrückstellung der Anspruch des Klägers gegen die Miteigentümer auf Verwendung der Mittel einschließlich der Zinsen für den Fall notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen - offensichtlich ausgeglichen - gegenüber. Hierzu hat der erkennende Senat (für den Fall des Eintritts in eine Bierbezugsverpflichtung) in seinem Urteil vom 23. Februar 1977 II R 159/72 (BFHE 121, 543, BStBl II 1977, 486) entschieden, daß die Verpflichtung zum Eintritt in einen gegenseitigen Vertrag nur dann als Teil der Gegenleistung angesehen werden kann, wenn gewichtige Umstände eine Unausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen zu Lasten des Eintretenden erkennen lassen. Diese Grundsätze gelten entsprechend auch im Streitfall. Wenn der Erwerber eines Grundstücks mit der Leistung an einen Dritten, zu der er sich dem Veräußerer gegenüber verpflichtet hat, einen entsprechenden Gegenwert (hier: Anspruch auf bestimmungsgemäße Verwendung der Mittel) erhält, der nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fällt und der der Leistung ausgeglichen gegenübersteht, liegt keine Gegenleistung im Sinne des GrEStG vor. Denn in einem solchen Falle kommt die Leistung des Grundstückserwerbers ausschließlich diesem und nicht dem Grundstücksveräußerer oder einem Dritten zugute.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 264

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