Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung zum Eintritt in einen gegenseitigen Vertrag kann nur dann als Teil der Gegenleistung i. S. § 11 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 angesehen werden, wenn gewichtige Umstände eine Unausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen zu Lasten des Eintretenden erkennen lassen.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 11 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom 22. August 1968 erwarb der Kläger durch Tausch das Grundstück A, das mit einem Wohnhaus mit Gastwirtschaft bebaut war. Der Kläger verpflichtete sich in diesem Vertrag, in den mit der X Brauerei bestehenden Bierlieferungsvertrag für die Gaststätte einzutreten. Diese Eintrittsverpflichtung bezieht sich auf zwei Verträge, die die Veräußerer am 30. Oktober 1961 und am 14. April 1964 mit der X geschlossen hatten. In dem Vertrag vom 30. Oktober 1961 hatten sie sich zur Abnahme von insgesamt 2 000 hl Bier bei einer Mindestabnahme von 120 hl jährlich verpflichtet. Sie hatten sich einer Vertragsstrafe in Höhe von 20 % des jeweiligen Ganterpreises für jeden vertragswidrig von einem Dritten bezogenen Hektoliter Faß- oder Flaschenbier unterworfen. Außerdem hatten sie sich verpflichtet, das Geschäft während der Dauer der Vereinbarung ohne Unterbrechung weiterzuführen und bei Verkauf oder Verpachtung dem Käufer dieselbe Verpflichtung aufzuerlegen. Vereinbarungsgemäß sollten die Veräußerer nur aus dem Vertrag entlassen werden, wenn der Nachfolger im Einvernehmen mit der X mit allen Rechten und Pflichten in den Vertrag eingetreten war. Die X hatte den Verkäufern leihweise bewegliches Mobiliar im Gesamtbetrag von 8 000 DM überlassen. Außerdem hatte sie die Verzinsung bis zu 6,5 % für eine Hypothek von 22 000 DM zugunsten einer Bank übernommen. Mit dem Vertrag vom 14. April 1964 hatten sich die Veräußerer zur Abnahme weiterer 1 000 hl Bier verpflichtet, wofür die X ein Darlehen von 6 000 DM gewährt hatte, das zu 5 % zu verzinsen und in Monatsraten von 150 DM zu tilgen war.

Der Kläger schloß am 16. September 1968 eine im wesentlichen den früheren Verträgen der Veräußerer entsprechende Vereinbarung mit der X, wonach er sich zur Abnahme von 3 000 hl Bier und zu einer Vertragsstrafe von 20 DM für jeden Hektoliter vertragswidrig bezogenen Bieres verpflichtete. Die X überließ dafür dem Kläger bewegliches Mobiliar It. Leihschein und übernahm die Verzinsung für die Hypothek von 22 000 DM zugunsten der Bank. Die X teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 1970 mit, daß der Zinsausgleich jährlich 1 430 DM betrage, was bei dem Bezug von 150 hl jährlich einer Belastung von 10 DM/hl entspreche. Der Zinsausgleich stelle die Leistung der X für das Bierlieferungsrecht dar und habe mit dem Erwerb des Grundstücks von den Veräußerern nichts zu tun.

Der Beklagte (das FA) hat Grunderwerbsteuer festgesetzt. Bei dieser Festsetzung ist er davon ausgegangen, daß auch die Übernahme der Verpflichtung aus dem Bierlieferungsvertrag einen Teil der Gegenleistung für den Grundstückserwerb darstelle.

Das FG hat die Grunderwerbsteuer herabgesetzt und zur Begründung - soweit einschlägig - ausgeführt, daß die Übernahme einer Bierbezugsverpflichtung zwar grundsätzlich eine zusätzliche Leistung i. S. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) darstellen könne, daß dieser Verpflichtung indes im vorliegenden Falle kein Wert beizumessen sei, da sie den korrespondierenden Verpflichtungen der X zur unentgeltlichen Mobiliarüberlassung und zur Verzinsung der Buchhypothek entspreche. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Vertrag eine langjährige Bindung des Klägers zum Bierbezug von der X beinhalte, könne ihm wegen der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ein selbständiger negativer Vermögenswert nicht beigemessen werden. Aus der Vereinbarung einer Vertragsstrafe ergebe sich nichts anderes.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 gelten bei einem Tausch auch die vereinbarten zusätzlichen Leistungen als Gegenleistung. Die Verpflichtung, in bestehende Verträge mit Dritten einzutreten, bzw. zu bewirken, daß der Veräußerer aus solchen Verträgen entlassen wird, kann zwar in besonderen Fällen eine solche zusätzliche Leistung darstellen. In der Regel werden sich jedoch bei gegenseitigen Verträgen die Verpflichtungen der Vertragspartner in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen, so daß der Eintritt in einen derartigen Vertrag im allgemeinen wertneutral ist. Nur wenn bedeutsame Umstände zutage treten, durch die die Ausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen in Frage gestellt wird, kann der Eintritt in einem gegenseitigen Vertrag für den Eintretenden belastend und für den Ausscheidenden von Vorteil sein und mithin eine Leistung an den Ausscheidenden darstellen. Dafür, daß dies im vorliegenden Falle so war, ergeben sich aus den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte.

Daß der Eintritt in den Bierlieferungsvertrag trotz der Ausgewogenheit der in diesem enthaltenen gegenseitigen Verpflichtungen etwa deshalb eine Last darstelle, weil er die Dispositionsfreiheit der Vertragspartner einschränke, macht ihn nicht zu einer zusätzlichen Leistung i. S. § 11 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940. Die Bedeutung und das Gewicht der Einschränkung der Dispositionsfreiheit kann nicht losgelöst vom Inhalt des Vertrages selbst gesehen werden, der diese Einschränkung mit sich bringt. Aus der Sicht dessen, dem der Vertrag keine Nachteile bringt, stellt die Einschränkung der Dispositionsfreiheit im allgemeinen keine Last dar. Ein sich aus der vertraglichen Bindung ergebender Nachteil würde aufgewogen durch die Vorteile, die der Vertrag selbst mit sich bringt. In der Regel kann deshalb der Eintritt in einen nicht nachteiligen Vertrag auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Inkaufnahme von Dispositionseinschränkungen als Leistung an den bisherigen - jetzt aus dem Vertrag zu entlassenden - Vertragspartner angesehen werden. Daß im vorliegenden Falle Umstände vorgelegen haben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, hat das FG nicht festgestellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72309

BStBl II 1977, 486

BFHE 1977, 543

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