Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlagevermögen, Vorratsvermögen

 

Leitsatz (NV)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen zur Veräußerung bestimmte Güter des Anlagevermögens einer in Abwicklung befindlichen Aktiengesellschaft zu Gegenständen ihres Vorratsvermögens werden.

 

Normenkette

UStG 1967 § 28 Abs. 1 S. 1; AktG § 151 Abs. 1, § 152 Abs. 1 S. 1, § 268 Abs. 1 S. 1; HGB § 1 Abs. 2 Nr. 1; AktG § 270 Abs. 1, 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin ist durch Umwandlung der . . . AG (AG) deren Gesamtrechtsnachfolgerin geworden. Diese hatte bis 1966 den Kohlenbergbau betrieben und war seit dem 30. Dezember 1965 als Abwicklungsgesellschaft geführt worden. Nach Aufgabe des Bergbaus wurde in den Jahren 1966 und später nur noch Kohle aufbereitet und verkauft sowie Deputatkohle abgegeben. Für einen Teil des am 31. Dezember 1967 nicht mehr genutzten Betriebsvermögens hatte die AG eine Entlastung als Vorratsvermögen gemäß § 28 UStG 1967 in Höhe von . . . DM in Anspruch genommen. Es handelte sich um stillgelegte Schacht- und Förderanlagen sowie aus der Nutzung genommene andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, vor allem um ausgebaute Motoren und Maschinenteile; diese wurden - zum Teil als Schrott - später veräußert. In der Steuerbilanz zum 29. Dezember 1967 hatte die AG für die Gliederung der Bilanz die Überschriften ,,Anlagegüter" und ,,Umlaufgüter" verwendet und die entlasteten Gegenstände unter den Anlagegütern ausgewiesen. In der Abwicklungsbilanz zum 29. Dezember 1967 wurden die Gegenstände bei den Aktiva, die nicht mehr nach Überschriften gegliedert waren, unter ,,4. Maschinen und maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung" erfaßt.

Das Finanzamt hat die Entlastung der Gegenstände mit der Begründung versagt, diese seien dem Anlagevermögen zuzurechnen gewesen.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. § 28 UStG 1967 stelle auf die Verhältnisse eines werbenden Unternehmens ab. Zwar seien bei einer in Abwicklung befindlichen Gesellschaft anders als bei einem werbenden Unternehmen alle Vermögensgegenstände zur Veräußerung bestimmt. Gleichwohl seien damit nicht alle Gegenstände des Betriebsvermögens Vorratsvermögen im Sinne des § 28 UStG 1967 geworden. Soweit es bei Abwicklungsgesellschaften auf die Unterscheidung zwischen Anlage- und Vorratsvermögen ankomme, sei der Charakter der Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Abwicklung entscheidend. Anlagevermögen bleibe daher Anlagevermögen, obwohl es nunmehr zur Veräußerung bestimmt sei. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob auch bei einer Abwicklungsgesellschaft wie bei einem werbenden Unternehmen ein Gegenstand des Anlagevermögens aufgrund einer Änderung des Verwendungszwecks zu einem solchen des Vorratsvermögens werden könne; denn solche Verhältnisse seien bei den zur Entlastung gestellten Gegenständen weder geltend gemacht noch ersichtlich. In den Bilanzen ab 29. Dezember 1967 seien die fraglichen Gegenstände im Anlageposten ,,Maschinen und maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung" angeführt gewesen. Eine Bewertung der Gegenstände zum 31. Dezember 1967 als Vorratsvermögen sei nicht erfolgt.

Mit der Revision begehrt die Klägerin, die Umsatzsteuerschuld 1968 um die beantragte Entlastung niedriger festzusetzen.

Sie rügt unrichtige Anwendung des § 28 UStG 1967: Für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Anlage- oder Umlaufvermögen sei die Zweckbestimmung, d. h. die vorgesehene Art des Dienens für den Betrieb am jeweiligen Bilanzstichtag maßgebend. Somit könne sich die Zweckbestimmung eines Gegenstandes zwischen zwei Bilanzstichtagen ändern. Hierbei sei ohne Bedeutung, ob es sich um ein lebendes Unternehmen oder eine Abwicklungsgesellschaft handele, weil es für in Auflösung befindliche Unternehmen kein Sonderrecht gebe. Mit dem Finanzgericht sei zwar davon auszugehen, daß mit dem Beschluß über die Abwicklung der Gesellschaft das vorhandene Anlagevermögen nicht deshalb zwangsläufig Umlaufvermögen werde, weil es von nun an letztlich zur Veräußerung bestimmt sei. Entscheidend sei vielmehr, ob die Gesellschaft die Anlagen in Reserve halte, sie also zu einem späteren Zeitpunkt wieder als Anlagevermögen nutzen oder sie endgültig veräußern wolle. Im gegebenen Fall habe sich die Absicht der endgültigen Veräußerung an den Maßnahmen gezeigt, die nach Einstellung der Förderung entsprechend den bergamtlichen Anordnungen durchgeführt werden mußten, sowie durch den Ausbau und die Loslösung von Motoren und Maschinenteilen, Förderbändern usw. aus ihrer früher bestehenden technischen Verbindung. Durch Änderung der Widmung könnten nicht nur Gegenstände des Anlagevermögens zu solchen des Vorratsvermögens werden, die üblicherweise zum Verkauf vorrätig gehalten würden. Entscheidend sei allein, ob ein Gegenstand durch nach außen erkennbare Maßnahmen endgültig zur Veräußerung bestimmt werde.

Das Finanzamt ist der Revision entgegengetreten. Es vertritt ergänzend zu den Ausführungen des Finanzgerichts die Auffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob zur Veräußerung bestimmte Güter des Anlagevermögens, mit denen der Unternehmer nicht üblicherweise handele, zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen gehörten. Im letztgenannten Falle gehörten sie nicht zum Vorratsvermögen, sondern zu den ,,sonstigen Vermögensgegenständen" im Sinne des § 151 Abs. 1 Aktivseite Posten III B Nr. 12 AktG; denn sie seien weder aus der eigenen Produktion hervorgegangene Erzeugnisse noch Waren fremder Herkunft, mit denen im Rahmen des Betriebszweckes gehandelt werde. Im übrigen müsse sich die Klägerin daran festhalten lassen, daß sie die fraglichen Gegenstände in der Bilanz zum 29. Dezember 1967 als Gegenstände des Anlagevermögens behandelt und somit diesem Vermögen zugeordnet habe. Eine andere Widmung könne daher erst später erfolgt sein.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

1. Eine Entlastung der fraglichen Gegenstände gemäß § 28 UStG 1967 setzt voraus, daß diese am Schluß des Jahres 1967 dem Vorratsvermögen der AG zuzurechnen waren (§ 28 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967).

Das Wort ,,Vorratsvermögen" in § 28 UStG 1967 bezeichnet keinen dem Umsatzsteuerrecht eigentümlichen, sondern einen dem Handelsrecht entnommenen und daher nach diesem Recht zu bestimmenden Begriff (vgl. Urteil vom 31. März 1977 V R 44/73, BFHE 122, 184, BStBl II 1977, 684). Maßgebend sind somit nicht anders als für den umfassenden Begriff des Umlaufvermögens im Einkommensteuerrecht die Vorschriften des § 151 Abs. 1 und des § 152 Abs. 1 Satz 1 AktG. Beim Vorratsvermögen (§ 151 Abs. 1 Aktivseite Posten III A AktG) sind bei der Gliederung der Jahresbilanz nach allgemeinem Verständnis die Gegenstände auszuweisen, deren Zweck im Verbrauch oder in der Weiterveräußerung liegt, wobei der Unternehmer die fertigen Erzeugnisse oder die Waren, die er dem Vorratsvermögen zuordnen will, sofort zur Lieferung auf eintreffende Bestellung hin bereithalten muß (vgl. Kopf in Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Kommentar, § 151 Anm. 58; Mellerowicz in Großkommentar zum Aktiengesetz, § 151 Anm. 46; Claussen in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 151 Anm. 24).

Gegenstände, die dem Anlagevermögen zuzurechnen sind, weil sie im Sinne des § 152 Abs. 1 Satz 1 AktG dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen, werden daher nicht bereits durch die Aufgabe der bisherigen Nutzung und die Absicht, sie zu veräußern, zu Gegenständen des Vorratsvermögens, wenn sich nicht aus einer nach außen erkennbaren Bereitstellung dieser Gegenstände zum Verkauf als Ware des Handelsverkehrs die Änderung der bisherigen Widmung und damit die unternehmerische Zuordnung zum Vorratsvermögen ergibt (vgl. die Urteile vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73, BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352, zum Einkommensteuerrecht, und vom 8. Februar 1972 VIII R 9/67, BFHE 105, 227, BStBl II 1972, 528, zum Berlinhilfegesetz). Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist indessen für die Zuordnung zum Vorratsvermögen nicht erforderlich, daß der Gegenstand zu den Waren gehört, mit denen der Unternehmer ,,üblicherweise" handelt. Der Begriff ,,Ware" im Sinne der Bilanzgliederung gemäß § 151 Abs. 1 AktG (III A 3) umfaßt nicht nur bewegliche Gegenstände, die zur Veräußerung angeschafft worden sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB), sondern alle zum Verkauf bereitgehaltenen Gegenstände, die wie solche Waren zur Veräußerung bestimmt sind (vgl. Mellerowicz in Großkommentar zum Aktiengesetz, § 151 Anm. 47). Steht diese geänderte Widmung fest, sind solche Gegenstände nicht - wie das Finanzamt meint - dem Umlaufvermögen erst als sonstiger Vermögensgegenstand im Sinne von § 151 Abs. 1 Aktivseite Posten III B Nr. 10 AktG zuzurechnen.

2. Diese Grundsätze gelten sinngemäß für eine Aktiengesellschaft, deren Auflösung beschlossen worden ist. Zwar haben die Abwickler u.a. die Pflicht, das ,,übrige Vermögen" der Gesellschaft in Geld umzusetzen (§ 268 Abs. 1 Satz 1 AktG). Nicht schon deswegen werden aber bei einer solchen Gesellschaft alle bisher dem Anlagevermögen zuzurechnenden Gegenstände von selbst zu Gegenständen des Vorratsvermögens. Das ergibt sich bereits aus § 270 Abs. 1 und 2 Satz 2 AktG. Nach diesen Vorschriften haben die Abwickler für den Beginn der Abwicklung eine Eröffnungsbilanz und für den Schluß jeden Jahres einen Jahresabschluß aufzustellen; hierbei gelten u.a. die Vorschriften der §§ 151, 152 AktG über die Gliederung der Jahresbilanz und zu den einzelnen Posten dieser Bilanz sinngemäß.

Demzufolge kann der Klägerin die begehrte Entlastung gemäß § 28 UStG 1967 ganz oder teilweise nur gewährt werden, wenn die fraglichen Gegenstände am Schluß des Jahres 1967 im Sinne dieser Grundsätze zum Verkauf standen. Die Einstellung der Förderung und die ihr folgenden Maßnahmen entsprechend den bergamtlichen Stillegungsplänen sowie der Ausbau und die Loslösung von Motoren, Maschinenteilen, Förderbändern usw. aus ihrer früher bestehenden technischen Verbindung sind zwar Maßnahmen, aus denen sich die geänderte Widmung ergeben kann; doch ist dieser Schluß nicht zwingend. Daher dürfen auch die sonstigen Umstände des Falles keine ernstlichen Zweifel an der Bereitstellung zum Verkauf lassen. Gegebenenfalls hat die Klägerin die Beweislast, weil sie sich auf eine geänderte Widmung beruft (vgl. Urteil vom 7. Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760). In diesem Rahmen können auch Folgerungen aus der Bilanzierung der Gegenstände zum 28. Dezember 1967 und dem Verzicht auf eine Bewertung als ,,Waren" (vgl. insoweit Urteil des Reichsgerichts vom 1. Oktober 1912 in RGZ 80, 104) gezogen werden.

Das Finanzgericht hat aufgrund seiner zum Teil abweichenden Rechtsauffassung zu diesen Fragen keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Sein Urteil muß daher aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413850

BFH/NV 1986, 120

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