Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsverbot für Geldauflagen nach § 153a StPO verfassungsgemäß

 

Leitsatz (NV)

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Abzug von Geldauflagen gemäß § 153a StPO als Betriebsausgaben durch Gesetz vom 25. 7. 1984 (BGBl I 1984, 1006) auch mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen worden ist.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 4, § 52 Abs. 19a i.d.F. des EStÄndG vom 25. 7. 1984 (BGBl I 1984, 1006, BStBl I 1984, 401)

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten sind in Anwaltsgemeinschaft tätig. Gegen ihren Gesellschafter Rechtsanwalt und Notar A (Kläger) wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Falschbeurkundung eines Kaufvertrags eingeleitet. Dieses Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft im Jahre 1978 gemäß § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) gegen Zahlung eines Geldbetrags von 5 000 DM eingestellt worden. Nach den Angaben der Kläger ist der Vorwurf der Falschbeurkundung in einem nachfolgenden standesrechtlichen Verfahren nicht aufrechterhalten worden.

Die Kläger setzten den Betrag von 5 000 DM in ihrer Erklärung zur Gewinnfeststellung 1978 als Betriebsausgabe ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt; seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 493 veröffentlicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Der vom Kläger zur Erfüllung der Auflage geleistete Geldbetrag kann nicht als Sonderbetriebsausgabe im Rahmen der Gewinnfeststellung berücksichtigt werden.

Nach § 12 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 1984, 1006, BStBl I 1984, 401) - EStG - können Leistungen zur Erfüllung von Auflagen in einem Strafverfahren, die nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat angerichteten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Eine derartige Auflage ohne Wiedergutmachungscharakter ist dem Kläger gemäß § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO in Zusammenhang mit der Einstellung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens gemacht worden. Das in § 12 Nr. 4 EStG statuierte Abzugsverbot findet nach § 52 Abs. 19a EStG, ebenfalls eingefügt durch das Gesetz vom 25. Juli 1984 (a. a. O.), auch für Veranlagungszeiträume vor 1983 Anwendung, sofern die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Es erfaßt daher auch den Streitfall. Die Gesetzesänderung ist zwar erst während des Revisionsverfahrens wirksam geworden, gleichwohl aber vom Revisionsgericht zu beachten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1973 VII R 128/71, BFHE 110, 484, BStBl II 1974, 110). Sie beinhaltet für den Streitfall eine sog. echte Rückwirkung, weil sie an einen abgeschlossenen Tatbestand anknüpft; die fraglichen Ausgaben sind im Jahre 1978 getätigt worden und haben die mit Ablauf dieses Jahres entstandene Einkommensteuerschuld (§ 36 Abs. 1 EStG) beeinflußt. Gegen diese Rückwirkung bestehen jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Dem Grundgesetz (GG) läßt sich ein generelles Rückwirkungsverbot für Gesetze nicht entnehmen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. April 1953 1 BvR 102/51, BVerfGE 2, 237, 264 ff.; vom 17. Dezember 1953 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58, 150). Ein solches Verbot ergibt sich aus Art. 103 Abs. 2 GG lediglich für den Bereich des Strafrechts. Im übrigen wird der Erlaß rückwirkender belastender Gesetze allerdings durch das Rechtsstaatsprinzip begrenzt, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört. Rechtssicherheit bedeutet für den Staatsbürger Vertrauensschutz. In diesem Vertrauen wird der Bürger enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (Entscheidungen des BVerfG vom 14. November 1961 2 BvR 345/60, BVerfGE 13, 215, 223; vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271; vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285; vom 8. Juni 1977 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167). Eine Enttäuschung dieses Vertrauens ist nach der Rechtsprechung des BVerfG gleichwohl gerechtfertigt, wenn das Vertrauen nicht schutzwürdig war, weil mit der Neueregelung gerechnet werden mußte, wenn das geltende Recht unklar und verworren war, wenn das Vertrauen einer ungültigen Rechtsnorm galt oder wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls die Rückwirkung rechtfertigen (BVerfGE 13, 261, 272).

Hierauf braucht im Streitfall jedoch nicht eingegangen zu werden. Denn wie eine begünstigende Regelung rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann, ist auch eine rückwirkende Regelung unbedenklich, mit der lediglich eine bereits in der Vergangenheit herrschende Rechtsüberzeugung kodifiziert wird. Ein solches Gesetz schafft im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand keine zusätzliche Belastung. Der Gesetzgeber knüpft in diesem Fall an den abgeschlossenen Tatbestand keine ungünstigen Folgen als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen mußte. Im Streitfall mußte der Kläger, als er sich zu einer Geldauflage bei Einstellung des Strafverfahrens bereit erklärte, aber davon ausgehen, daß er den Geldbetrag nach geltendem Recht nicht als Betriebsausgabe werde abziehen können. Hierauf wurde in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) seit 1978 (Abschn. 120 Abs. 1) hingewiesen. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung war zutreffend.

b) In der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und BFH sind Geldstrafen wegen krimineller Straftaten auch dann nicht als Betriebsausgaben angesehen worden, wenn sie im Zusammenhang mit einer betrieblichen Betätigung des Straftäters standen (vgl. BFH-Beschluß vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, 162, mit weiteren Nachweisen). Die Rechtsprechung nahm zunächst an, daß der Zusammenhang mit der Person des Bestraften den Zusammenhang mit dem Betrieb überwiege und eine Geldstrafe damit in die Privatsphäre des Bestraften falle. Später trat die Überlegung in den Vordergrund, daß ein Abzug der Strafe als Betriebsausgabe im Ergebnis zu einer Strafminderung und zur Beeinträchtigung des Strafzwecks führe (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 1968 I R 12/66, BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74; Beschluß vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105).

In Befolgung dieses Grundsatzes hätte auch die strittige Geldauflage trotz ihres Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden können. Nachdem bereits § 153 StPO gestattete, von der Strafverfolgung eines Vergehens abzusehen, wenn die Schuld des Täters gering ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht, erlaubt § 153a StPO seit 1974 ein Absehen von der Strafverfolgung auch dann, wenn das öffentliche Interesse an der Verfolgung durch bestimmte Auflagen und Weisungen beseitigt werden kann. Zu solchen Maßnahmen gehört insbesondere die vom Beschuldigten akzeptierte Auflage, eine Geldleistung zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen (§ 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO). Eine derartige Geldauflage ist zwar keine Strafe und auch keine strafrechtliche Sanktion, weil sie kein Unwerturteil über den Täter enthält, stellt jedoch ein der Geldstrafe vergleichbares Übel dar, das die Verhängung einer Strafe entbehrlich macht (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 11. Juli 1978 1 StR 232/78, BGHSt 28, 69; vom 13. November 1978 AnwSt (R) 13/78, BGHSt 28, 174; Rieß bei Löwe / Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 153a Rdnr. 2). Die Geldauflage wird denn auch ähnlich einer Geldstrafe bemessen (Rieß, a. a. O., Anm. 47). Demgemäß wird bei der Bemessung der Geldauflage wie bei der Geldstrafe vom Nettoeinkommen, d. h. dem versteuerten Einkommen des Täters, ausgegangen (vgl. § 40 Abs. 2 des Strafgesetzbuches - StGB -). Diesem Gesetzesauftrag würde ein Abzug des zur Erfüllung der Auflage geleisteten Betrags als Betriebsausgabe zuwiderlaufen; er mußte deshalb nach der zitierten Rechtsprechung unterbleiben.

c) Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluß in BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160 allerdings entschieden, daß das EStG das Nettoeinkommen nach Abzug aller betrieblich veranlaßten Ausgaben besteuern wolle und dabei strafrechtlichen Zielen nicht Rechnung trage. Diese Aussage ist jedoch hinsichtlich von Geldbußen gemacht worden, die nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verhängt wurden. Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten waren zeitweilig nach der Rechtsprechung des RFH als Betriebsausgaben abziehbar. Geldbußen für Verstöße gegen das GWB werden, wie der Große Senat im einzelnen dargelegt hat, auch anders berechnet als Geldstrafen. Der Große Senat hat daher ausdrücklich offengelassen, ob das Nettoprinzip bei der Einkunftsermittlung auch den Abzug von betrieblich veranlaßten Geldstrafen rechtfertige. Demnach sind die Erwägungen, die die Steuerrechtsprechung zur Nichtabzugsfähigkeit von betrieblich veranlaßten Geldstrafen geführt haben und die auch einem Abzug von Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO entgegenstehen, durch den Beschluß des Großen Senats nicht überholt. Das Gesetz vom 25. Juli 1984 (a. a. O.) beinhaltet damit keine Abweichung von einer zwischenzeitlich vertretenen abweichenden Rechtsauffassung.

Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob gegen das genannte Gesetz unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes insoweit verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, als es die vor dem Beschluß des Großen Senats vertretene rechtliche Beurteilung wiederhergestellt und den Abzug von Geldbußen als Betriebsausgaben und Werbungskosten in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 und § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen hat. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß § 12 Nr. 4 EStG betrieblich veranlaßte Geldstrafen und Geldauflagen nunmehr zu den Aufwendungen der privaten Lebensführung rechnet, nach der zuletzt vertretenen Auffassung der Steuerrechtsprechung aber ihre Einordnung als nicht abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten nähergelegen hätte (vgl. Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 12 Anm. 13); der Gesetzgeber kann betrieblich veranlaßte Aufwendungen aus besonderen Gründen auch als Privataufwand fingieren. Im Ergebnis beinhaltet das Gesetz vom 25. Juli 1984 in diesem Punkt keine Abweichung von dem zuvor geltenden Recht, so daß gegen die angeordnete Rückwirkung keine Bedenken bestehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414401

BFH/NV 1987, 492

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