Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung Einfamilienhaus/Zweifamilienhaus

 

Leitsatz (NV)

1. Wohnungen i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG müssen lediglich mehr als 23 qm groß sein.

2. Der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG stehen gemeinsame Verkehrsflächen dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind.

 

Normenkette

BewG § 75 Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Reihenmittelhauses, das im Jahre 1984 bezugsfertig geworden ist. Es hat folgende bauliche Gestaltung: Vom X-Weg gelangt man über einen kleinen Vorgarten zur Haustür aus Glas. Hinter der Tür liegt ein etwa 7 qm großer Vorbau. Dieser ist auf der dem X-Weg zugewandten Seite ebenso wie am Dach mit Glas verkleidet und hat u.a. den Charakter einer Wärmefalle. Der Vorbau ist mit einem Heizkörper der Zentralheizung und mit Tisch, Stühlen und Grünpflanzen ausgestattet. Der Fußboden besteht aus keramischen Fliesen.Die - vom X-Weg aus gesehen - linke und die hintere Wand des Vorbaus sind tragende Wände des Wohnzimmers. In der hinteren Wand befindet sich die Tür, hinter der die Hauptwohnung liegt, die - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des Bewertungsgesetzes (BewG) erfüllt. Auf der rechten Seite des Vorbaus ist eine weitere Tür, hinter der die Einliegerwohnung liegt. Man gelangt durch diese Tür zunächst in einen kleinen Flur, von dem eine Tür in eine Naßzelle führt, die Waschbecken, Dusche und WC enthält. Eine zweite Tür führt vom Flur in den einzigen Wohnraum. Im vorderen Teil dieses Raumes befindet sich eine benutzungsfähige Kücheneinrichtung mit Dunstabzugshaube. Hinter der Küchenzeile beginnt - ohne Zwischentür - der kombinierte Wohn-/Schlafraum, an dessen Stirnseite sich ein großes Fenster befindet. Die Wohnfläche beträgt 23,06 qm.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Grundstück mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1985 als Einfamilienhaus. Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Bewertung als Zweifamilienhaus begehrte, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Wohnung i.S. des § 75 BewG zumindest eine Fläche von 25 qm besitzen müsse. Über die Frage der baulichen Abgeschlossenheit der beiden Wohnbereiche brauche daher nicht abschließend entschieden zu werden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Nebenwohnung erfülle mit 23,06 qm die für eine Wohnung erforderliche Mindestfläche. Auch sei die bauliche Abgeschlossenheit der beiden Wohnbereiche gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsentscheidung sowie zur Verpflichtung des FA, das Grundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß das Grundstück nicht als Zweifamilienhaus anzusehen sei, weil die Einliegerwohnung kleiner als 25 qm ist. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 4. Juli 1990 II R 74/87, BFHE 161, 166, BStBl II 1991, 131) erfüllt die Größe der Einliegerwohnung mit 23,06 qm im Streitfall die Anforderungen, denn Wohnungen i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG müssen lediglich mehr als 23 qm groß sein.

2. Die Sache ist spruchreif.

a) Nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus und Zweifamilienhaus entscheidend, ob in dem betreffenden Wohngrundstück eine Wohnung oder zwei Wohnungen enthalten sind. Das BewG selbst enthält keine Legaldefinition des Wohnbegriffs. Nach den Urteilen des III.Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) und vom 8. Februar 1985 III R 62/84 (BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319) ist für die Annahme einer Wohnung - jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974 - abgesehen von der unter 1. genannten Mindestgröße von mehr als 23 qm Fläche u.a. wesentlich, daß die Räume eine von anderen Wohnungen und Wohnräumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene, Einheit bilden. Sie müssen einen eigenen Zugang aufweisen. Außerdem ist erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume vorhanden sind. Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen. Der erkennende Senat hat sich mit Urteil vom 12. Februar 1986 II R 192/78 (BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320) dieser Rechtsprechung angeschlossen. Der III.Senat hat in der Entscheidung vom 26. März 1985 III R 124/84 (BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496) weiter ausgesprochen, daß der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG gemeinsame Verkehrsflächen dann entgegenstehen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind. Auch insoweit hat sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des III.Senats angeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 43/85, BFH/ NV 1988, 770).

b) Das Wohngrundstück der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Es enthält zwei Wohnungen. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist und die auch nicht durch Verfahrensrügen angegriffen sind, stellen die Haupt- und die sog. Einliegerwohnung jeweils Räumlichkeiten dar, die den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllen. Insbesondere sind die beiden Wohnbereiche vollständig voneinander getrennt. Der Vorbau stellt weder, wie nach dem dem Urteil in BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496 zugrunde liegenden Sachverhalt, eine räumliche Verbindung zwischen den Räumen einer der beiden Wohnungen dar, noch ist er Teil der Hauptwohnung. Vielmehr dient er, wie ein Windfang oder ein gemeinsames Treppenhaus, beiden Wohnungen als Zugang und zugleich als sog. Wärmepuffer. Die Ausstattung des Vorbaus mit Heizkörper, Tisch, Stühlen und Grünpflanzen ändert hieran nichts. Die Feststellungen des FG ergeben keine Anhaltspunkte dafür, daß der Vorbau einer der beiden Wohnungen als Wohnraum dient.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419372

BFH/NV 1994, 531

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