Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung als Ein- oder Zweifamilienhaus

 

Leitsatz (NV)

1. Das BewG selbst enthält keine Definition des Wohnungsbegriffes.

2. Für Stichtage ab 1. Januar 1974 ist bei neu errichteten Gebäuden der Begriff ,,Wohnung" nur dann erfüllt, wenn eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit vorhanden ist.

3. Gemeinsame Verkehrsflächen stehen der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i. S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind.

 

Normenkette

BewG § 75 Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kl. erwarb im Jahre 1980 ein Grundstück. Auf diesem ließ er ein zweieinhalbgeschossiges Wohngebäude (östlicher Teil eines Doppelwohnhauses) errichten, dessen Dachgeschoß er bis Juli 1981 ausbaute. Das Erdgeschoß, das von einem öffentlichen Weg aus zu erreichen ist, enthält - um eine Diele gelegen - zwei Zimmer, Küche und WC. Von der Diele führt - unmittelbar hinter der Haustür beginnend - eine um 180 Grad gewendete Treppe in das Obergeschoß und weiter in das Dachgeschoß. Im Obergeschoß befinden sich drei Zimmer und ein Bad. Das Dachgeschoß enthält ein Wohn-/Schlafzimmer sowie - nur von diesem Raum aus zugänglich - ein Bad und eine Loggia. Im Wohn-/Schlafzimmer befindet sich in einer Nische mit Dachschräge zwischen der Tür zur Treppe und der Tür zum Bad ein Herd, ein Kühlschrank und ein Geschirrschrank. Rechts von der Tür zum Bad war im Sommer 1981 eine Spüle angebracht, die der erste Mieter während des vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1983 laufenden Mietverhältnisses entfernt hatte und die im November 1983 wieder angebracht worden war. Die Räume im Erd- und Obergeschoß bewohnt der Kl. selbst; das Dachgeschoß ist nach Auflösung des ersten Mietverhältnisses wiederum ab 1. Dezember 1983 vermietet.

Nach einer Ortsbesichtigung im Jahre 1983 nahm das FA zum 1. Januar 1982 mit Bescheid vom 15. März 1984 eine Art- und Wertfortschreibung vor. Es stellte die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.

Der Einspruch des Kl., mit dem er die Artfeststellung Zweifamilienhaus begehrte, blieb ohne Erfolg.

Der ebenfalls auf die Artfeststellung Zweifamilienhaus gerichteten Klage gab das FG statt. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, die Räume im Dachgeschoß erfüllten nicht alle baulichen Anforderungen an eine abgeschlossene Wohnung. Sie verfügten insbesondere nicht über einen gesonderten Zugang; ihnen gegenüber seien die Räume im Erd- und Obergeschoß nicht durch Türen oder Mauern baulich abgeschlossen. Die sich aus der baulichen Gestaltung ergebenden Zweifel am Vorliegen einer selbständigen Wohnung würden jedoch durch die Tatsache ausgeräumt, daß der Mieter am Stichtag in den Dachgeschoßräumen einen selbständigen Haushalt geführt habe.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 75 BewG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG den Begriff ,,Wohnung" i. S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG fehlerhaft ausgelegt hat. Nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus und Zweifamilienhaus entscheidend, ob in dem betreffenden Wohngrundstück eine Wohnung oder zwei Wohnungen enthalten sind. Das BewG selbst enthält keine Legaldefinition des Wohnungsbegriffs. Hierzu hat der III. Senat des BFH in den Urteilen vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) und vom 8. Februar 1985 III R 62/84 (BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319) ausgesprochen, daß für Stichtage ab 1. Januar 1974 bei neu errichteten Gebäuden der Begriff ,,Wohnung" nur erfüllt ist, wenn eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit vorhanden ist. Der erkennende Senat hat sich mit Urteil vom 12. Februar 1986 II R 192/78 (BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320) dieser Rechtsprechung angeschlossen. Der III. Senat hat weiter in der Entscheidung vom 26. März 1985 III R 124/84 (BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496) ausgesprochen, daß der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i. S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG gemeinsame Verkehrsflächen dann entgegenstehen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind. Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des III. Senats an.

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Das Wohngrundstück des Kl. enthält nur eine Wohnung, denn es fehlt an einem eindeutigen baulichen Abschluß zwischen den beiden Wohnbereichen im Erd- und Obergeschoß einerseits und im Dachgeschoß andererseits. Die zum Dachgeschoß über das Obergeschoß führende Treppe dient beiden Wohneinheiten. Dieser Treppe gegenüber sind die Räume im Erd- und Obergeschoß nicht zusammengefaßt abgeschlossen; von der Treppe aus kann vielmehr jeder einzelne Raum dieser beiden Geschosse betreten werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415319

BFH/NV 1988, 770

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