Entscheidungsstichwort (Thema)

Freibetrag bei Veräußerung des Gewerbebetriebs durch Erben

 

Leitsatz (NV)

Veräußert ein (Allein-)Erbe (hier: die Witwe) nach dem Tode des Betriebsinhabers den Gewerbebetrieb, steht ihm der erhöhte Freibetrag des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG nur dann zu, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift in seiner Person erfüllt sind.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Januar 1986 verstorbenen Ehemannes Z. Dieser betrieb bis zu seinem Tode auf dem ihm gehörenden gemischt-genutzten Grundstück einen Gewerbebetrieb. Z hatte im Zeitpunkt seines Todes das 55. Lebensjahr vollendet. Nach dem Tode ihres Ehemannes schloß die Klägerin den Betrieb. Mit Vertrag vom 4. März 1986 veräußerte sie den Betrieb nebst Grundstück und Inventar zu einem Gesamtkaufpreis von . . . DM.

Aus diesem Veräußerungsvorgang ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von . . . DM. Das FA versagte die Anwendung des erhöhten Freibetrages gemäß § 16 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Begründung, dessen Voraussetzungen lägen in der Person der Klägerin nicht vor. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1986 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG. Das FG habe sein Urteil ausschließlich auf den Gesetzeswortlaut gestützt. Zu berücksichtigen seien aber auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Vorliegend sei zu berücksichtigen, daß - anders als im Falle des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 1982 IV R 116/79 (BFHE 142, 429, BStBl II 1985, 204) - der Betrieb nach dem Erbfall nicht fortgeführt worden sei. Der Entschluß zur Veräußerung des Betriebes sei sofort nach der Beisetzung gefaßt worden. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß für das Streitjahr 1986 eine Zusammenveranlagung stattfinde und deren sämtliche Vorteile zu gewähren seien. Unter diesen Voraussetzungen sei für die Gewährung des erhöhten Freibetrages auf die Person des Erblassers abzustellen. Dem Gesetz liege der Gedanke zugrunde, daß der Veräußerungserlös der Altersversorgung des Steuerpflichtigen diene und daher steuerlich stärker geschont werden solle. Dieser Gesichtspunkt sei gerade in ihrem Falle von besonderer Bedeutung, weil ihr Ehemann keinerlei Versicherungen abgeschlossen habe, um die Versorgung der Familie sicherzustellen.

Gegenstand des Verfahrens ist der geänderte Steuerbescheid vom 13. März 1991.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG wird bei der Versteuerung eines Veräußerungsgewinns ein erhöhter Freibetrag gewährt, ,,wenn der Steuerpflichtige nach Vollendung seines 55. Lebensjahres oder wegen dauernder Berufsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb veräußert oder aufgibt". Das FG hat zutreffend entschieden, daß diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen.

1. Wird ein Betrieb nach dem Tode des Inhabers von der Witwe zunächst weitergeführt und zu einem späteren Zeitpunkt veräußert, steht nach dem BFH-Urteil vom 19. Mai 1981 VIII R 143/78 (BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665) der Witwe der erhöhte Freibetrag nur dann zu, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG in ihrer Person vorliegen. Für einen dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt hat es der BFH mit Urteil in BFHE 142, 429, BStBl II 1985, 204 dahingestellt sein lassen, ob der Veräußerungsgewinn in der Person der Klägerin als Erbin entstanden ist, weil erst diese den Betrieb veräußert hat, oder ob der Veräußerungsgewinn noch dem Erblasser zuzurechnen ist: Wird eine freiberufliche Praxis wegen Todes des Praxisinhabers veräußert, so ist dies jedenfalls keine Veräußerung ,,wegen dauernder Berufsunfähigkeit" im Sinne der genannten Vorschrift. Dem liegt die Auffassung zugrunde, daß die Voraussetzungen für eine Begünstigung nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG in der Person des (verstorbenen) Betriebsinhabers selbst vorliegen müssen; rechtlich unerheblich ist, daß die Witwe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, den Betrieb selbst weiterzuführen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung für den hier gegebenen Fall der Veräußerung eines Gewerbebetriebs an.

Zwar hat das Urteil in BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665 ausgeführt, die (gewerbliche) Tätigkeit der Witwe könne ,,nicht etwa als Teil der Abwicklung im Rahmen einer Veräußerung des der bisherigen selbständigen Tätigkeit dienenden Vermögens angesehen werden"; im entschiedenen Fall wurde ein Zusammenhang zwischen der Beendigung der freiberuflichen Tätigkeit und dem Veräußerungsvorgang verneint. Vor allem hierauf hat die Klägerin ihre Revisionsbegründung gestützt. Sollte dieser beiläufigen Bemerkung zu entnehmen sein, auch bei Abwicklung eines Betriebes durch die Witwe stehe dieser der erhöhte Freibetrag zu, könnte sich der Senat dem nicht anschließen.

Mit dem Tode des Gewerbetreibenden geht dessen Betrieb - d. h. die Wirtschaftsgüter des dem Gewerbebetrieb dienenden Vermögens - auf seine Erben als Rechtsnachfolger über. Träger des Unternehmens ist bzw. sind nach dem Erbfall der Erbe bzw. die Erben (BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, unter C. I. 2.). Unter dieser Voraussetzung scheitert die Anwendung der Begünstigungsnorm daran, daß die Klägerin selbst den Betrieb weder nach Vollendung des 55. Lebensjahres noch ,,wegen dauernder Berufsunfähigkeit" veräußert hat (ebenso Abschn. 139 Abs. 15 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990; L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl. 1991, § 16 Anm. 112; Hörger in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 16 EStG Rdnr. 247; anderer Ansicht App in Dankmeyer / Giloy, Einkommensteuer, § 16 Rdnr. 159).

2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.

Der erkennende Senat sieht keine Möglichkeit, die Klägerin im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm über den Gesetzeswortlaut hinaus zu begünstigen. Mit der Verdoppelung des Freibetrages will der Gesetzgeber bei solchen Steuerpflichtigen Härten mildern, die aus Altersgründen oder infolge dauernder Berufsunfähigkeit ihren Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil veräußern (Regierungsentwurf BTDrucks VI/1901 S. 12). Es sprechen keine Anhaltspunkte dafür, daß andere Personen als der Steuerpflichtige selbst - z. B. ein unter 55 Jahre alter oder nicht berufsunfähiger Erbe - begünstigt werden sollen.

Auch aus dem Prinzip der Zusammenveranlagung (§ 26 b EStG) läßt sich für den Rechtsstandpunkt der Klägerin nichts herleiten. § 26 b EStG regelt die Zusammenrechnung der von den Ehegatten erzielten Einkünfte, nicht aber die Frage, in welcher Höhe der einem Ehegatten zuzurechnende Veräußerungsgewinn zur Einkommensteuer herangezogen wird.

Es ist nicht ersichtlich, daß § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht nur den Betriebsinhaber persönlich, sondern darüber hinaus die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eheleute begünstigen wollte. Ein bei typisierender Betrachtung gesteigerter Versorgungsbedarf könnte bei fortbestehender Ehe auch dann angenommen werden, wenn der nicht unternehmerisch tätige Ehegatte die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG erfüllt. Auch für diesen Fall sieht das Gesetz keine Begünstigung vor.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 813

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