Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Arbeitnehmern, die aus mehreren Dienstverhältnissen Arbeitslohn beziehen und deren Werbungskosten den Pauschbetrag gemäß § 9a Ziff. 1 EStG 1955 nicht übersteigen, wird bei der Veranlagung der Werbungskostenpauschbetrag nur einmal berücksichtigt.

 

Normenkette

EStG § 9a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer (Bf.), der im Jahre 1955 als Studienrat ein Gehalt von 10.222 DM und als Heimleiter eines Internats ein solches von 1.792 DM hatte, der Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1955 zweimal zusteht. Das Finanzamt hat bei der nach § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 durchgeführten Einkommensteuerveranlagung den Pauschbetrag nur einmal berücksichtigt. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Berufung hatte insoweit keinen Erfolg.

Das Finanzgericht nahm in übereinstimmung mit dem Finanzamt an, daß sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn des § 9a EStG 1955 der Werbungskostenpauschsatz nur einmal zu gewähren sei, wenn ein Steuerpflichtiger aus mehreren Arbeitsverhältnissen Bezüge habe. Das ergebe sich auch aus § 14 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung (LStDV) 1955. Aus § 46 Abs. 1 Ziff. 3 und Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1955 sei nicht zu entnehmen, daß in diesen Fällen der Pauschbetrag von dem gleichen Steuerpflichtigen mehrfach beansprucht werden könne. Diese Vorschrift sehe nur vor, daß bei mehreren Dienstverhältnissen der Pauschbetrag jeweils bei den niedrigsten Lohneinkünften abzuziehen sei, weil sich dies für die Steuerpflichtigen am günstigsten auswirke; denn nach § 46 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1955 werde ein Steuerpflichtiger nicht veranlagt, wenn der Lohn aus dem zweiten Arbeitsverhältnis 912 DM im Jahre nicht übersteige. Abschn. 215 Abs. 2 der Einkommensteuer- Richtlinien (EStR) 1955 enthalte die gleiche Regelung. Diese Bestimmung stehe mit Abschn. 86 Abs. 2 EStR 1955 nicht in Widerspruch. Bei der Einkommensteuerveranlagung des Bf. für 1955 sei ein Härteausgleich nach § 70 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) 1955 nicht durchzuführen. Er komme nur in Betracht, wenn die Einnahmen aus dem zweiten oder dem weiteren Dienstverhältnis 1.612 DM nicht erreichten. Der Bf. habe aber für seine Tätigkeit als Heimleiter 1.792 DM erhalten.

Der Bf. rügt Verletzung der §§ 9a und 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955. Er vertritt die Auffassung, daß der in § 9a EStG 1955 vorgesehene Pauschbetrag von 312 DM bei jedem von mehreren Dienstverhältnissen eines Steuerpflichtigen abzuziehen sei, wenn keine höheren Werbungskosten geltend gemacht werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 9a EStG 1955. Die von der früheren Regelung in § 14 EStDV 1953 abweichende Fassung dieser Vorschrift stimme mit § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 überein. Bei mehreren Arbeitsverhältnissen entstehe aus einer Mehrheit von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Gesamtbetrag dieser Einkünfte. Der Gesetzgeber habe in § 9a EStG 1955 hinsichtlich des Abzugs des Werbungskostenpauschbetrags keine Begrenzung eingeführt. Daß eine solche nicht gewollt sei, ergebe sich auch aus § 70 EStDV 1955. Die Finanzverwaltung habe in den Abschn. 215 bis 219 EStR 1955 daraus auch richtig geschlossen, daß die Einkünfte aus dem zweiten Arbeitsverhältnis immer unter Berücksichtigung eines Werbungskostenpauschbetrags von 312 DM zu ermitteln seien. Daß bei der Ermittlung der Arbeitseinkünfte aus dem ersten Arbeitsverhältnis der Abzug des Pauschbetrags nicht in Betracht komme, sei in keiner Vorschrift angeordnet. Die Auffassung der Vorinstanzen, daß der Werbungskostenpauschbetrag nur bei dem zweiten Arbeitsverhältnis zum Abzug kommen könne, entbehre daher der Rechtsgrundlage.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

§ 9a Ziff. 1 EStG 1955 bestimmt, daß von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein Werbungskostenpauschbetrag von 312 DM bei der Einkommensteuerveranlagung eines Arbeitnehmers abzuziehen ist, sofern nicht höhere Werbungskosten geltend gemacht werden. Diese Vorschrift, deren Auslegung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allein maßgebend ist, ordnet den Abzug des Werbungskostenpauschbetrags von den "Einnahmen" aus nichtselbständiger Arbeit an. Hierunter kann nur der Gesamtbetrag der Einnahmen eines Steuerpflichtigen verstanden werden, die er im Rahmen dieser Einkunftsart in einem Veranlagungszeitraum gehabt hat. Da jeder Steuerpflichtige nur einen Gesamtbetrag von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit haben kann, kommt der Abzug des Werbungskostenpauschbetrags auch nur einmal in Betracht. Abschn. 86 Abs. 2 EStR 1955, der § 9a EStG 1955 in dem gleichen Sinne auslegt, entspricht daher dem geltenden Recht.

Aus § 46 EStG 1955, der Bestimmungen darüber enthält, wann ein Arbeitnehmer zur Einkommensteuer zu veranlagen ist, kann für die Auslegung des ganz andere Fragen betreffenden § 9a EStG 1955 nichts hergeleitet werden. Das gleiche gilt für die zur Auslegung des § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 ergangenen Verwaltungsanweisungen in Abschn. 214 ff. EStR 1955.

Für die Auffassung, daß der Werbungskostenpauschbetrag bei jedem Arbeitnehmer nur einmal zu berücksichtigen ist, spricht andererseits § 14 LStDV 1955, der für das Lohnsteuerverfahren für die zweite und jede weitere Lohnsteuerkarte eines Arbeitnehmers bindend die Hinzurechnung von 115 DM monatlich zum Arbeitslohn vorschreibt. Dadurch soll unter anderem auch eine doppelte Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags verhindert werden. Diese Vorschrift hat zwar unmittelbare Bedeutung nur für das Lohnsteuerverfahren. Sie läßt aber erkennen, daß ein doppelter Abzug des Pauschbetrags nicht gewollt ist.

Die mehrfache Berücksichtigung wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Der Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a Ziff. 1 EStG 1955 soll die im allgemeinen anfallenden kleineren Werbungskosten abgelten. Er dient daher der Arbeitsvereinfachung sowohl bei den Steuerpflichtigen als auch bei den Behörden der Finanzverwaltung. Haben Arbeitnehmer höhere Werbungskosten, so müssen diese besonders geltend gemacht werden. Wenn einem Arbeitnehmer Bezüge aus mehreren Arbeitsverhältnissen zufließen, könnte durch die mehrfache Berücksichtigung der Werbungskostenpauschale eine nicht gerechtfertigte steuerliche Begünstigung dieser Steuerpflichtigen entstehen. Die Vorentscheidung, die eine doppelte Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrags abgelehnt hat, entspricht daher sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn des geltenden Rechts. Das Finanzgericht hat auch mit zutreffender Begründung die Vornahme eines Härteausgleichs gemäß § 70 EStDV 1955 abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409348

BStBl III 1959, 220

BFHE 1959, 575

BFHE 68, 575

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