Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht bei sogenannten geschlossenen Immobilienfonds

 

Leitsatz (NV)

Ist bei einem sogenannten geschlossenen Immobilienfonds eine Treuhandgesellschaft Grundstückseigentümer und der (Fonds-)Anteilsinhaber Treugeber, so unterliegt die Anteilsübertragung der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG.

Die Steuer ist nach der Gegenleistung zu berechnen. Als Gegenleistung zahlt der neue Anteilsinhaber den vereinbarten ,,Kaufpreis"; außerdem befreit er den bisherigen Anteilsinhaber von der Verpflichtung, gemäß § 670 BGB (anteilig) die Aufwendungen der Treuhandgesellschaft zu ersetzen, d. h. diese Gesellschaft von den noch offenen Verbindlichkeiten aus dem Kauf und der Verwaltung des Fondsgrundbesitzes zu entlasten.

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 12

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

I. Der Kläger schloß 1979 einen notariell beurkundeten ,,Kaufvertrag über Fonds-Anteile eines Immobilien-Fonds mit Abtretung von Eigentumsverschaffungsansprüchen an Grundstücken".

In dem Vertrag heißt es u. a., der Verkäufer sei Inhaber von Grundstücks- und Gebäudebriefen der X-Treuhandgesellschaft, Treuhandunternehmen für Wohn- und Geschäftsbau, und zwar des Fonds . . . im Nennbetrag von zusammen 10 000 DM. Er (der Verkäufer) habe ferner gegen die Treuhandgesellschaft Ansprüche auf Übertragung des Miteigentums der ideellen Bruchteile von . . . an den Grundstücken im Grundbuch von . . . Auf diesen Grundbuchblättern seien in Abt. II Auflassungsvormerkungen zugunsten des Verkäufers eingetragen.

Der Verkäufer verkaufe an den Kläger seine vorgenannten Beteiligungen an dem Immobilienfonds im Nennbetrag von insgesamt 10 000 DM zum Kaufpreis von 4 500 DM (§ 2 des Vertrages). Die verkauften Beteiligungen trete er an den Kläger ab; dieser nehme die Abtretung an. Der Verkäufer verpflichte sich, die Grundstücks- und Gebäudebriefe, die über die verkauften Beteiligungen ausgestellt seien, unverzüglich dem Kläger zuzustellen (§ 6 des Vertrages).

Gemäß § 7 des Vertrages wurde die Umschreibung der vorgenannten Auflassungsvormerkungen auf den Kläger bewilligt und beantragt.

Das Rechtsverhältnis zwischen den Inhabern (den sog. Teilhabern) der Grundstücks- und Gebäudebriefe (Briefe) untereinander und zu der Treuhandgesellschaft mit beschränkter Haftung ist durch Allgemeine Vertragsbedingungen (AVB) geregelt. Danach verwaltet die Treuhandgesellschaft das Fondsvermögen treuhänderisch für die Teilhaber (§ 1), die eine Bruchteilsgemeinschaft bilden (§ 3). Die Treuhandgesellschaft ist verpflichtet, mit den Mitteln des Fonds Grundstücke zu erwerben. Sie wird als Grundstückseigentümerin i. S. des bürgerlichen Rechts im Grundbuch eingetragen (§ 2). Da die Teilhaber ,,wirtschaftliche Eigentümer nach Bruchteilen der geplanten Bauvorhaben" sind, werden ,,zu ihren Gunsten Auflassungsvormerkungen in Abt. II der Grundbücher . . . eingetragen" (§ 7). Der Brief kann durch Übergabe und schriftlichen Vertrag übertragen werden. Der Übernehmende hat den Brief an die Treuhandgesellschaft ,,zur Berichtigung desselben und des Teilhaberregisters . . . zu übersenden" (§ 5). Die Auflösung der Gemeinschaft kann ein Teilhaber nur aus wichtigem Grund fordern. Dann können die übrigen Teilhaber oder die Treuhandgesellschaft von ihm die Übertragung seiner Anteile verlangen (§ 12). Alle Teilhaber können gemeinsam den Treuhandvertrag mit der Treuhandgesellschaft kündigen. Dann ,,wird ein Anspruch der Teilhaber auf Eintragung des Eigentumsüberganges fällig" (§ 13 Abs. 2), und die Teilhaber müssen die Treuhandgesellschaft von den Fondsverbindlichkeiten befreien; sie haften dabei nach dem Verhältnis ihrer Eigentumsanteile (§ 13 Abs. 3).

Das beklagte Finanzamt (FA) war der Auffassung, der Kaufvertrag vom . . . habe es im Sinne des § 2 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes Rheinland-Pfalz - GrEStG RP - (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) dem Kläger ermöglicht, den genannten Miteigentumsanteil an dem in Rheinland-Pfalz gelegenen Fondsgrundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Es setzte Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von . . . DM. Diese setzt sich zusammen aus dem vereinbarten Kaufpreis und ,,übernommenen Schulden" (Differenz zwischen den Verbindlichkeiten und den im Fondsvermögen zum . . . ausgewiesenen Zahlungsmitteln und Forderungen, soweit sie auf den Anteil des Klägers an dem Grundstück entfällt).

Das Finanzgericht (FG) setzte die Steuer herab. Der Vertrag unterliege zwar der Grunderwerbsteuer. Diese könne aber nur von dem vereinbarten Kaufpreis berechnet werden. Aus den streitigen Verbindlichkeiten sei für die Dauer des Bestehens des Fonds nur die Treuhandgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich verpflichtet; es obliege den Teilhabern nicht, die Treuhänderin von diesen Verbindlichkeiten zu befreien.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

a) die Revision zurückzuweisen,

b) ,,der in der ursprünglichen Klagebegründung dargelegten grunderwerbsteuerlichen Ungleichbehandlung abzuhelfen".

Die Beteiligten haben sich im Revisionsverfahren mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die vom FG zugelassene Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

III. Den vorgenannten ,,Antrag" zu b) des Klägers faßt der Senat entsprechend dem eindeutigen Wortlaut nicht als (unselbständige) Anschlußrevision auf. Diese wäre ohnehin unzulässig. Der betreffende Schriftsatz ging beim Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Oktober 1983 ein, während die Revisionsbegründung des FA dem Kläger schon am 30. Juni 1983 übersandt worden war. Damit war die Monatsfrist nach § 155 FGO i. V. m. § 556 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht eingehalten (vgl. das BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534).

IV. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, daß der Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer unterliegt. Entgegen seiner (des FG) Ansicht hat jedoch der Kläger als Gegenleistung im Sinne des § 23 Abs. 1 GrEStG RP(= § 8 Abs. 1 GrEStG 1983) nicht nur den ,,Kaufpreis" gezahlt, sondern noch weitere sonstige Leistungen gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (= § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) erbracht.

1. Die Steuerpflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 2 GrEStG RP (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983). Mit dem (treuhänderischen) Erwerb des Eigentums an einem Grundstück durch die Treuhandgesellschaft erlangten die Teilhaber jeweils entsprechend ihrer Bruchteilsbeteiligung an dem Fondsvermögen die Möglichkeit, das Grundstück im Sinne der genannten Vorschrift auf eigene Rechnung zu verwerten. Das der Treuhandgesellschaft nach außen zustehende bürgerlich-rechtliche Eigentum an dem Grundstück war gegenüber den Teilhabern als Treugebern eingeschränkt; in deren (und nicht im eigenen) Interesse hielt diese Gesellschaft das Eigentum (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12 unter 3. der Gründe).

In dem Kaufvertrag übertrug der Verkäufer seine vorgenannten Treugeberrechte und damit die Verwertungsmöglichkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 GrEStG RP (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) auf den Kläger. Der Vertrag ermöglichte daher dem Kläger, nunmehr seinerseits entsprechend dem erworbenen Bruchteil die Treuhandgrundstücke auf eigene Rechnung zu verwerten.

Nach Ansicht des Klägers hat das FG nicht berücksichtigt, ,,daß es sich bei einem Brief lediglich um die Verbriefung eines Bruchteils an einer Forderungsgemeinschaft handelt". Diese Argumentation geht jedoch ins Leere. Das Charakteristische der Steuerpflicht nach Abs. 2 des § 2 GrEStG RP (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) liegt im Gegensatz zu derjenigen nach Abs. 1 gerade darin, daß der Erwerber hier kein Grundstückseigentum, sondern andere Rechte erwirbt; diese können auch (bloße) Forderungen (z. B. aus einem Treuhandvertrag) sein. Ebenso ist es unerheblich, daß die Rechte der Teilhaber durch die AVB modifiziert werden, indem die Teilhaber nur schwer oder gar nicht die Aufhebung der Gemeinschaft erreichen und nur gemeinsam den Treuhandvertrag kündigen können. Dadurch wird die nach den AVB zwischen den Teilhabern vereinbarte Bruchteilsgemeinschaft nicht in ihrem Wesen verändert, so daß die Teilhaber zumindest aus Billigkeitsgründen grunderwerbsteuerrechtlich Personengesellschaftern gleichgestellt werden müßten, die ihre Rechte ohne Auslösung von Grunderwerbsteuer übertragen können. Das Ausmaß der Bindung ist kein Merkmal für die Unterscheidung zwischen Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthandsgemeinschaft.

2. Die Grunderwerbsteuer berechnet sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 23 Abs. 1 GrEStG RP = § 9 Abs. 1 GrEStG 1983). Zu dieser Gegenleistung gehört aber nicht nur der ,,Kaufpreis", welchen der Kläger an den Verkäufer zahlte. In dem Vertrag ,,verkaufte" der Verkäufer an den Kläger ,,seine vorgenannten Beteiligungen an dem Immobilien-Fonds". Damit übertrug er gemäß § 5 AVB seine Rechte und Pflichten als Teilhaber auf den Kläger. Zu den Pflichten eines Treugebers gehört es auch, dem Treuhänder gemäß § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die zur Ausführung des Auftrages erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Demnach übernahm es der Kläger mit Abschluß des Vertrages u. a., die Treuhandgesellschaft anteilig von allen aus dem Kauf und der Verwaltung des Fondsgrundbesitzes offenen Verbindlichkeiten zu entlasten. Das war eine sonstige Leistung i. S. des § 24 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (= § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983); (vgl. das BFH-Urteil vom 24. November 1970 II 76/65, BFHE 101, 309, BStBl II 1971, 309). Unerheblich ist, wenn die Treuhandgesellschaft gemäß den §§ 1 und 2 AVB die Mittel zur Verzinsung und Tilgung der genannten Schulden später dem Fondsvermögen entnahm. Auch wenn man auf diese Weise Ansprüche aus den §§ 667 und 670 BGB gegeneinander aufrechnete, ging die Entlastung der Treuhandgesellschaft auf Kosten der Teilhaber. Diese tragen daher entgegen der Auffassung des FG auch schon vor Auflösung des Fonds die Fondsverbindlichkeiten. Soweit jene bei Auflösung des Fonds noch nicht vollständig getilgt sind, müssen die Teilhaber mangels weiterer Einnahmen der Treuhandgesellschaft diese durch Zahlung von den Verbindlichkeiten entlasten (§ 13 Abs. 3 AVB).

Der Senat ist der Auffassung, daß die bei Abschluß des Kaufvertrages im Fondsvermögen vorhanden gewesenen Zahlungsmittel und Forderungen die für die Berechnung der Gegenleistung maßgebenden Verbindlichkeiten minderten. Insoweit muß mit dem FA bei der Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (= § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß sein Vorgänger in der Treugeberstellung bereits alles getan hatte, um die Verpflichtung gemäß § 670 BGB zu erfüllen.

Künftig entstandene und noch entstehende Verpflichtungen aus § 670 BGB sind hier im Rahmen des § 24 GrEStG RP (= § 9 GrEStG 1983) unerheblich, weil sie ggf. unmittelbar in der Person des Klägers entstanden bzw. entstehen.

Das FG hat keine Tatsachen festgestellt, welche die Berechnung der Gegenleistung nach den vorgenannten Grundsätzen erlauben. Die Sache muß daher an dieses Gericht zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414167

BFH/NV 1986, 368

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