Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur gesellschaftsteuerrechtlichen Behandlung des unentgeltlichen Erwerbs eigener Anteile

 

Leitsatz (NV)

Erwirbt eine inländische Kapitalgesellschaft eigene Geschäftsanteile von ihrem Gesellschafter unter Preis, so wird der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 nicht verwirklicht. Es fehlt der Leistung die Eignung, den Wert der übertragenen Geschäftsanteile zu erhöhen.

 

Normenkette

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine durch Gesellschaftsvertrag vom 6. Mai 1958 gegründete inländische GmbH. Das Stammkapital betrug ursprünglich 20 000 DM. Es wurde im Jahre 1963 auf 100 000 DM erhöht. Die Geschäftsanteile hielten A und seine Tochter B.

Auf Grund des notariellen Vertrages vom 26. April 1979 veräußerte B ihre Geschäftsanteile von nominal 42 000 DM zu einem Kaufpreis von 100 000 DM an die Klägerin. Die erworbenen Geschäftsanteile wurden durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 10. August 1979 eingezogen.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Kaufpreis habe wesentlich unter dem gemeinen Wert der Anteile gelegen. B habe mit Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu A eine verdeckte Einlage gegenüber der Klägerin erbracht, die als freiwillige Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 zu behandeln sei. Bei einer Berechnung des gemeinen Wertes der Geschäftsanteile nach dem Stuttgarter Verfahren ergebe sich ein Betrag von . . . DM und entsprechend eine Einlage von . . . DM. Das FA setzte deshalb durch Bescheid vom 11. Februar 1982 eine Gesellschaftsteuer von . . . DM fest.

Der Einspruch der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das FA den Wert der verdeckten Einlage nur noch mit . . . DM ansetzte und die Gesellschaftsteuer entsprechend herabsetzte. Die Klage blieb erfolglos.

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972.

Sie beantragt, unter Änderung des Urteils des FG den Gesellschaftsteuerbescheid vom 11. Februar 1982 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1984 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheides in der Form der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1984 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i. V. m. Satz 2 KVStG 1972 unterliegt die Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung als freiwillige Leistung des Gesellschafters an seine inländische Kapitalgesellschaft nur dann der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dabei bestimmt sich der Begriff ,,Gesellschaftsrechte" gemäß § 6 KVStG 1972. Gesellschaftsrechte i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 sind deshalb bei einer GmbH alle Geschäftsanteile. Entsprechend bezieht sich der ,,Wert der Gesellschaftsrechte" i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 bei einer GmbH auf den Wert der Summe aller Geschäftsanteile, die unmittelbar vor dem Bewirken der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 möglicherweise gesellschaftsteuerbaren Leistung bestanden.

2. Erwirbt eine Kapitalgesellschaft unentgeltlich eigene Anteile, so erhöht sich dadurch der Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte nicht. Dies gilt unbeschadet der Fragen, ob sich überhaupt der Wert des Gesellschaftsvermögens erhöht (vgl. dazu: Scholz / Westermann, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 33 Rdnr. 32 ff.; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 12. Aufl., § 33 Rdnr. 7; Baumbach / Hueck, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 33 Rdnr. 17 ff.; Thiel, Die steuerliche Behandlung eigener Anteile von Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1967, S. 102 ff.) und wie die eigenen Anteile von der Kapitalgesellschaft zu bilanzieren sind. Es finden allenfalls Wertverschiebungen zwischen den Gesellschaftsrechten statt. Dies macht das folgende Beispiel deutlich:

An der X-GmbH (Stammkapital: 100; Buchkapital: 150; stille Reserven: 50) sind A und B je zur Hälfte beteiligt. A und B übertragen je die Hälfte ihrer Anteile unentgeltlich auf die X-GmbH. Die X-GmbH veräußert später die eigenen Anteile (nominal: 50) für 200.

In diesem Fall beträgt der Wert des Gesellschaftsvermögens der X-GmbH und damit auch der Wert der Summe aller Geschäftsanteile vor der unentgeltlichen Anteilsübertragung 200. Der Senat läßt offen, ob sich der Wert des Gesellschaftsvermögens durch die unentgeltliche Anteilsübertragung erhöht oder ob die eigenen Anteile für die X-GmbH nur die Chance repräsentieren, bei späterer Veräußerung an einen neuen Gesellschafter einen dann erst das Gesellschaftsvermögen erhöhenden Preis wert zu sein. Jedenfalls kann es keinen Unterschied machen, ob die Geschäftsanteile an die X-GmbH oder an einen Dritten unentgeltlich abgetreten werden. Stets bleibt der Wert der Summe aller Geschäftsanteile gleich. Durch die Abtretung der Anteile an die X-GmbH findet allenfalls eine Wertverschiebung zwischen den Geschäftsanteilen dergestalt statt, daß die Anteile von A und B in Höhe von nominal je 25 nunmehr je 100 statt vorher je 50 wert sind, während die eigenen Anteile der X-GmbH von nominal 50 solange mit 0 anzusetzen sind, als die Möglichkeit, sie wieder in den Verkehr zu bringen, sich nicht zu einem gegenwärtigen wirtschaftlichen Wert konkretisiert hat. Die hier unterstellte Wertverschiebung läßt den Wert der Summe aller Geschäftsanteile unberührt. Er beträgt vorher und nachher 200. Die Veräußerung der eigenen Anteile durch die X-GmbH löst erst die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens um weitere 200 aus. Dann erst erhöht sich auch der Wert der Summe aller Geschäftsanteile auf nunmehr 400. Diese Werterhöhung ist aber ausschließlich auf die Anteilsveräußerung und nicht schon auf den unentgeltlichen Anteilserwerb zurückzuführen.

3. Erwirbt eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile entgeltlich, so mindert das von der Kapitalgesellschaft zu zahlende Entgelt allenfalls den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte. Eine Werterhöhung scheidet auch in diesem Fall aus. Dies macht das folgende Beispiel deutlich:

An der X-GmbH (Stammkapital: 100; Buchkapital: 150; stille Reserven: 50) sind A und B je zu 50 v. H. beteiligt. A und B veräußern je die Hälfte ihrer Anteile an die X-GmbH zu einem Kaufpreis von je 50.

In diesem Fall beträgt das Gesellschaftsvermögen vor der Anteilsveräußerung 200. Es mindert sich durch die Kaufpreiszahlung einerseits um 100. Dafür erhält die X-GmbH die Chance, durch Weiterveräußerung der eigenen Anteile einen neuen Gesellschafter zu beteiligen oder die Beteiligung eines bisherigen Gesellschafters zu erweitern. Ob diese Chance mit dem Kaufpreis 100 bewertet werden kann, kann dahinstehen, weil der Betrag von 100 als Mehrung des Gesellschaftsvermögens jedenfalls erst mit der Anteilsveräußerung zugeführt wird. Auch nach der Anteilsveräußerung durch die X-GmbH beträgt der Wert der Summe aller Geschäftsanteile 200. Deshalb kann für die Zeit vorher kein höherer Wert angenommen werden.

4. Erwirbt die Kapitalgesellschaft - wie im Streitfall - eigene Anteile unter Preis zum Zwecke der Einziehung, so gilt das zu 2 und 3 Gesagte sinnentsprechend. In diesem Falle stellen die zwecks Einziehung erworbenen eigenen Gesellschaftsrechte nicht einmal bewertungsfähige Wirtschaftsgüter dar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Juni 1970 III R 33/68, BFHE 99, 389, BStBl II 1970, 658). Um so mehr muß die Eignung der eigenen Anteile verneint werden, das Gesellschaftsvermögen einerseits und den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte andererseits zu erhöhen. In diesem Fall findet lediglich eine Wertverschiebung zu Lasten der eigenen und zu Gunsten der übrigen Gesellschaftsrechte statt. Diese Wertverschiebung berührt jedoch den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte nicht.

5. Die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung wird durch die Regelung in § 2 Nr. 5 KVStG 1959 bestätigt. Die Vorschrift ging davon aus, daß die unentgeltliche Übertragung eigener Anteile bzw. ihre Veräußerung zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung an die Kapitalgesellschaft keine gesellschaftsteuerbare Leistung i. S. des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 (heute: § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972) war. Erst wenn die Kapitalgesellschaft die eigenen Anteile weiterveräußerte und ihr dadurch neues Kapital zugeführt wurde, war eine gesellschaftsteuerbare Leistung i. S. des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 bewirkt. Während die Vorschrift des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 unverändert in das KVStG 1972 übernommen wurde, wurde § 2 Nr. 5 KVStG 1959 ersatzlos gestrichen. Dies kann nur bedeuten, daß seit dem 1. Januar 1972 sowohl die Einlage als auch die Veräußerung eigener Anteile nicht gesellschaftsteuerbar sind. Soweit in der Regierungsbegründung zum KVStG 1972 eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. BTDrucks VI/2769 S. 6), ist die andere Auffassung weder durch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 noch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gedeckt.

6. Nach den tatsächlichen und den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Klägerin eine inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972. B übertrug ihre Geschäftsanteile an der Klägerin auf diese unter Preis zu dem Zweck, die Geschäftsanteile später einziehen zu lassen. Der Leistung der B fehlte die Eignung, den Wert der Summe aller Geschäftsanteile zu erhöhen (vgl. oben Nr. 4). Zwar bewirkte die Leistung der B eine Erhöhung des Werts der Gesellschaftsrechte der übrigen Gesellschafter. Insoweit fand jedoch nur eine Wertverschiebung zwischen den Geschäftsanteilen statt. Der Wert der Summe aller Geschäftsanteile erhöhte sich nicht. Er minderte sich sogar durch die Kaufpreiszahlung an B. Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 im Streitfall nicht erfüllt.

7. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Mangels Tatbestandsverwirklichung waren die Vorentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben .

 

Fundstellen

Haufe-Index 416564

BFH/NV 1990, 396

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