Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachlaß für Krankenkassenangestellte als Arbeitslohn

 

Leitsatz (NV)

Gewährt eine AOK ihren beihilfeberechtigten Angestellten für den Fall, daß sich diese unter Verzicht auf Beihilfeansprüche bei ihr in vollem Umfang versichern lassen, eine Beitragsermäßigung, so handelt es sich im Umfang der Ermäßigung um eine steuerpflichtige Lohnzuwendung (Fortführung der Rechtsprechung im Urteil vom 21. Dezember 1990 VI R 59/85, BFHE 164, 226).

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 11, 62, §§ 19, 42d

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK). Sie beschäftigt neben sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern auch sog. Dienstordnungs-Angestellte (DO-Angestellte), deren Dienstverhältnis dem eines Landesbeamten entspricht, so daß die für Landesbeamte maßgebenden beamten-, besoldungs- und versorgungsrechtlichen Vorschriften gelten. Diese DO-Angestellten sind demgemäß von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit und haben im Krankheitsfall Anspruch auf Beihilfe. Die Klägerin ist gesetzlich nicht verpflichtet, den DO-Angestellten zu einer freiwilligen Krankenversicherung zuzuzahlen. In den Streitjahren 1981 bis 1986 räumte die Klägerin denjenigen DO-Angestellten, die sich bei ihr unter Verzicht auf Beihilfeansprüche als freiwillige Mitglieder versichern ließen, eine Beitragsermäßigung von durchschnittlich 30 v. H. gegenüber ihren übrigen Versicherungsnehmern dadurch ein, daß bei der Beitragsbemessung ein fiktives Gehalt zugrunde gelegt wurde, das unter dem tatsächlich bezogenen Gehalt lag.

Nach einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, in Höhe des Beitragsnachlasses hätten die DO-Angestellten geldwerte Vorteile erlangt, die als Lohn steuerpflichtig seien. Mit Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 15. Mai 1986 nahm das FA die Klägerin zunächst auf Lohn- und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt ... DM in Anspruch. Der Haftungsbetrag ist nach Vorlage weiterer Unterlagen durch Änderungsbescheid vom 11. Februar 1987 auf insgesamt ... DM herabgesetzt worden.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Haftungsbescheides und der Einspruchsentscheidung begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 275 veröffentlichten Gründen ab.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, hilfsweise begehrt sie wegen der Frage der Verjährung die Zurückverweisung der Sache an das FG. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. März 1991 VI R 126/87 (BFHE 164, 266, BStBl II 1991, 720) führe die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung von Sachbezügen durch den Arbeitgeber nur dann zu einer wirtschaftlichen Bereicherung und damit zu Lohn des Arbeitnehmers, wenn dieser entsprechende eigene Ausgaben erspart habe. Damit fehle es im Streitfall an einer Vorteilszuwendung, da die DO-Angestellten den vollen und damit wirtschaftlich gleichwertigen Krankenversicherungsschutz preiswerter dadurch hätten erlangen können, daß sie ihr beihilferechtliches Restrisiko durch eine private Krankenversicherung abdeckten, statt sich bei ihr -- der Klägerin -- verbilligt voll zu versichern. Diesen Gesichtspunkt habe das FG unberücksichtigt gelassen und statt dessen für die Frage des steuerpflichtigen Vorteils allein auf die Beiträge abgestellt, die fremde Versicherungsnehmer bei ihr für den gleichen Versicherungsschutz hätten zahlen müssen. Ein Personalrabatt führe aber dann nicht zu Lohn, wenn der Arbeitnehmer an anderer Stelle keinen höheren Preis für die Ware zu zahlen habe. Statt hierzu Feststellungen zu treffen, habe das FG bei seiner Bejahung eines geldwerten Vorteils durch die den Arbeitnehmern gewährten Preisnachlässe auf die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung der Versicherungsverträge abgestellt. Richtig wäre es hingegen gewesen, auf den durch die Verträge gewährleisteten objektiven Wert der Deckungszusagen abzustellen. Zwar werde von ihr -- der Klägerin -- für die DO-Angestellten das gesamte Risiko einer Erkrankung abgedeckt, während durch eine private Zusatzversicherung unter Berücksichtigung des bestehenden Beihilfeanspruchs nur ein Restrisiko abgesichert werde. Für die DO-Angestellten hätten aber beide Versicherungen denselben wirtschaftlichen Wert, da jeweils das Erkrankungsrisiko im vollem Umfang abgedeckt sei. Die Beiträge für die Vollversicherung bei ihr lägen nicht unterhalb der Prämien der alternativ wählbaren privaten Krankenversicherung. Die DO-Angestellten stünden sich im Gegenteil finanziell günstiger, wenn sie statt der beitragsermäßigten Krankenversicherung die Beihilfe unter Abdeckung des Restrisikos durch eine private Krankenversicherung in Anspruch nehmen würden. Dieses werde dadurch belegt, daß die Mehrzahl der DO-Angestellten nicht auf den Beihilfeanspruch verzichtet habe.

Wolle man aber mit der Vorentscheidung einen geldwerten Vorteil der DO-Angestellten bejahen, so scheide dennoch eine Lohnzuwendung aus, da sich bei objektiver Würdigung aller Umstände die Beitragsermäßigung als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweise und sie damit im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt worden sei. Die Beitragsvergünstigung sei sämtlichen DO-Angestellten deshalb angeboten worden, weil das Beihilfesystem für sie -- die Klägerin -- kostenaufwendiger sei als die Aufnahme der DO-Angestellten in die Krankenvollversicherung. Soweit das FG das überwiegend eigenbetriebliche Interesse verneint habe, weil es allein eine Kosteneinsparung durch Verwaltungsvereinfachung nicht als ausreichend angesehen habe, habe es bei seiner Entscheidung nur einen Umstand der betrieblichen Kostenstruktur berücksichtigt, alle übrigen Einflußfaktoren auf die Kostenstruktur aber unbeachtet gelassen.

Das FA tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat hat durch Urteil vom heutigen Tage VI R 76/91, DStR 1996, 377, BB 1996, 522 nach gemeinsamer mündlicher Verhandlung entschieden, daß von einer steuerpflichtigen Lohnzuwendung auszugehen ist, wenn eine AOK ihren beihilfeberechtigten DO-Angestellten für den Fall eine Beitragsermäßigung gewährt, daß sich die DO-Angestellten unter Verzicht auf Beihilfeansprüche bei ihr in vollem Umfang versichern lassen. Für den Streitfall gelten die Grundsätze dieses Urteils ebenfalls. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil VI R 76/91.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421151

BFH/NV 1996, 399

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