Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung ist anhand widerstreitender Meinungen darzustellen; kein Nachschieben von nicht fristgerecht dargelegten Zulassungsgründen

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sind insbesondere Ausführungen dazu erforderlich, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen, die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten ist. Insbesondere müssen widerstreitende Meinungen in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen vorgetragen werden.

2. Nach Ablauf der Beschwerdefrist sind nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen zulässig. Eine am Frist ende fehlende Darlegung i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr nachgeholt werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Er erwarb 1978 entgeltlich einen 15 %igen Gesellschaftsanteil an einer Steuerberatersozietät von der Erbin des Gründers der Sozietät. Im Jahre 1982 schied er aus der Sozietät aus. Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Gewinne der Sozietät für 1980 und 1981 begehrte er die ihm allein zuzurechnende gewinnmindernde Berücksichtigung einer Abschreibung von jeweils 20 % auf den von ihm erworbenen Praxiswert.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, der vom Kläger erworbene Sozietätspraxiswert habe sich in den Streitjahren nicht verflüchtigt, weil der Kläger in eine bestehende Kanzlei eingetreten sei und die Umsätze und Gewinne sich stark erhöht hätten.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger Zulassung der Revision wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängeln.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Zur Abweichung trägt der Kläger unter Hinweis auf mehrere Urteile des BFH vor, daß nach ständiger Rechtsprechung der Praxiswert einer freiberuflichen Praxis seitens eines Erwerbers als derivativ erworbenes Wirtschaftsgut abschreibbar sei. Das FG habe zu Unrecht das BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 81/83 (BFH/NV 1985, 31) herangezogen. Es gehe unzutreffenderweise von einer mehrgliedrigen großen Sozietät aus. Diese liege im Streitfall nicht vor.

Mit diesem Vortrag ist die Entscheidung, von der das Urteil des FG nach Auffassung des Klägers abweicht, nicht bezeichnet. Dazu ist nicht nur eine genaue Bezeichnung der jeweiligen BFH-Entscheidung erforderlich; darüber hinaus muß aus der angefochtenen Entscheidung des FG ein abstrakter Rechtssatz herausgestellt werden, der zu einem abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des BFH in Widerspruch stehen könnte. Die (möglicherweise) voneinander abweichenden Rechtsauffassungen sind dabei erkennbar oder zumindest in ohne weiteres nachvollziehbarer Weise gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). An einer solchen Gegenüberstellung fehlt es im Streitfall.

2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich nach den Ausführungen des Klägers daraus, daß höchstrichterlich der bislang nicht entschiedene Fall zu beurteilen sei, ob ein auf persönlichen Bindungen beruhender, von einem nicht weiter tätigen Gesellschafter erworbener Praxiswertanteil an einer einfachen Steuerberatersozietät ohne eigenständigen, am Markt vorhandenen Goodwill abschreibbar sei, wenn der den persönlichkeitsbezogenen Praxiswert allein repräsentierende ausscheidende Gesellschafter nicht weiter mitarbeite. Das FG habe unzutreffend unterstellt, daß die Kanzlei im Jahre 1978 einen anteiligen Praxiswert gehabt habe. Sein -- des Klägers -- Eintritt in die Sozietät habe gerade dazu dienen sollen, künftig einen eigenständigen marktfähigen Sozietätswert aufzubauen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird dadurch nicht dargelegt. Dies erfordert, schlüssig und substantiiert darzutun, daß eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschlüsse in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 13. September 1989 II B 77/89, BFH/NV 1990, 513). Es sind insbesondere Ausführungen dazu erforderlich, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen, die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten ist. Hierfür reicht der Vortrag, daß eine aufgeworfene Rechtsfrage vom BFH noch nicht beantwortet ist, nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, widerstreitende Meinungen in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen darzulegen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

3. Zur Rüge von Verfahrensmängeln trägt der Kläger vor, das FG habe völlig unzutreffend behauptet, der Zeuge X habe eine Absprache, daß Änderungen aufgrund einer Außenprüfung nicht mehr zu einer Änderung des im ersten Steuerbescheid auf ihn (Kläger) entfallenden Gewinnanteils führen sollten, eindeutig verneint. Richtig sei, daß der Zeuge dies ausdrücklich bestätigt habe. Das FG habe seine falsche Sachverhaltsdarstellung als entscheidungserheblich verwendet.

Ein Verfahrensmangel ist damit nicht bezeichnet. Das erfordert eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem ist die Möglichkeit darzutun, daß das FG ohne den Verfahrensmangel anders entschieden hätte (vgl. BFH-Beschluß vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148 m. w. N.). Abgesehen davon, daß sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen läßt, ob er einen Verfahrensmangel rügen will oder aber die Beweiswürdigung des FG angreift, kann die Rüge jedenfalls keinen Erfolg haben. Es wird zwar behauptet, es ist aber nicht erkennbar, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem vorgetragenen Fehler des FG beruhen kann.

4. Unabhängig davon, ob der Schriftsatz des Klägers vom 6. Juni 1994 eine zulässige Beschwerdebegründung enthält, kann er jedenfalls nicht mehr berücksichtigt werden, weil nach Ablauf der Beschwerdefrist nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen zulässig sind. Eine am Fristende fehlende Darlegung i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr nachgeholt werden (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 55).

Der Beschluß ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 1071

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