Entscheidungsstichwort (Thema)

Alternative Rechtsmitteleinlegung unzulässig

 

Leitsatz (NV)

Läßt die Rechtsmittelschrift nicht erkennen, ob der Rechtsmittelführer Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde einlegen will - alternative Benennung beider Rechtsmittel -, so ist das Rechtsmittel unzulässig.

 

Normenkette

FGO §§ 115-116, 120

 

Tatbestand

Die gegen den Widerruf ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gerichtete Klage der Klägerin, Revisionsklägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde durch Urteil des Finanzgerichts (FG) vom . . . - verkündet im Anschluß an die Sitzung am selben Tage - abgewiesen. Das FG führte in seiner Entscheidung aus, der am Vortag in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfene Verlegungsantrag der Klägerin sei dem Senat erst nach Ende der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung ausgehändigt worden.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin - zugleich deren Geschäftsführer - hat gegen das Urteil das nachfolgende Rechtsmittel eingelegt:

,,In der Streitsache . . . lege ich gegen das Urteil des Finanzgerichts . . . Revision bzw. Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Dem Unterfertigten war es nicht möglich, an der Verhandlung am . . . teilzunehmen. Er wurde am Abend des . . . davon verständigt, daß sein Vater im Sterben liege. Der Vertagungsantrag, der noch in der Nacht vom . . . auf den . . . in den Nachtbriefkasten mit dem Vermerk um sofortige Vorlegung beim Senat eingeworfen wurde, wurde nicht berücksichtigt. Der Vater des Unterfertigten ist inzwischen verstorben."

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Beschwerdegegner (das Ministerium der Finanzen) beantragt, die Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil die Rechtsmittelschrift nicht erkennen läßt, welches Rechtsmittel - Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde - die Klägerin eingelegt hat.

Das Prozeßrecht erfordert Klarheit über das Schweben oder Nichtschweben eines Rechtsstreits (Beschluß des Senats vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603) und über die Art des eingelegten Rechtsmittels. Der Rechtsmittelführer braucht zwar das Rechtsmittel nicht ausdrücklich mit seiner rechtstechnischen Bezeichnung (Revision, Beschwerde) zu benennen, seine Rechtsmittelschrift muß aber eindeutig erkennen lassen, welches Rechtsmittel gemeint ist. Wegen der erheblichen rechtlichen und verfahrensrechtlichen Unterschiede kann insbesondere eine Revision grundsätzlich nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde und eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht in eine Revision umgedeutet werden (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO Tz. 2, 3). Die Einlegung eines Rechtsmittels unter einer Bedingung oder unter Vorbehalt wird im allgemeinen als unzulässig angesehen (Senatsbeschluß in BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 115 Rz. 10). Dasselbe muß dann gelten, wenn zwei Rechtsmittel - wie im Streitfall die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde - alternativ eingelegt worden sind und auch die Auslegung der Rechtsmittelschrift nicht zweifelsfrei ergibt, daß jedenfalls eines der Rechtsmittel (oder auch beide) bedingungsfrei und vorbehaltlos eingelegt worden ist.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält zwar in ständiger Rechtsprechung die gleichzeitige Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision - wobei immer nur eines dieser Rechtsmittel zulässig sein kann - für möglich. Denn nur durch die Einlegung beider Rechtsmittel kann sich der Beteiligte in Fällen, in denen es für ihn ungewiß ist, ob eine zulassungsfreie Revision gegeben ist, vor Nachteilen bewahren. Das gegenseitige innerprozessuale Bedingungsverhältnis, in dem Nichtzulassungsbeschwerde und Revision notwendigerweise stehen, schließt also die Einlegung beider Rechtsmittel nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 6. Februar 1979 VII R 82/78, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374). Von diesen beiden Rechtsmitteln ist aber das im jeweiligen Einzelfall nach der Gesetzeslage gegebene Rechtsmittel (entweder die Revision oder die Nichtzulassungsbeschwerde) nur dann statthaft, wenn es eindeutig und bedingungsfrei eingelegt worden ist, wenn also der Rechtsmittelführer vorbehaltlos beide Rechtsmittel zur Prüfung des Revisionsgerichts gestellt und auch für beide Rechtsmittel das Kostenrisiko auf sich genommen hat.

Diese Voraussetzung für die Zulässigkeit eines der beiden benannten Rechtsmittel ist im Streitfall nicht erfüllt.

Mit der Formulierung in der Rechtsmittelschrift ,,. . . lege ich gegen das Urteil . . . Revision bzw. Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein" hat die Klägerin, vertreten durch einen sachkundigen Prozeßbevollmächtigten, die benannten Rechtsmittel alternativ eingelegt, ohne eines von beiden bedingungsfrei und vorbehaltlos zur Prüfung des Senats zu stellen. Sie überläßt es dem Revisionsgericht, sich das nach dem Sachverhalt und der Rechtsmittelbegründung passende (statthafte) Rechtsmittel herauszusuchen, ohne ein Eingehen auf das andere - nicht statthafte - Rechtsmittel zu erwarten und für beide Rechtsmittel das Kostenrisiko zu übernehmen. Aus der Rechtsmittelschrift läßt sich auch nicht entnehmen, daß der Senat die beiden Rechtsmittel in einer bestimmten Reihenfolge überprüfen soll, so daß wenigstens eines von ihnen als unbedingt eingelegt angesehen werden könnte. Mit ihrer Rechtsmittelbegründung will die Klägerin offenbar Verfahrensfehler (etwa nicht ordnungsgemäße Vertretung oder Verletzung des rechtlichen Gehörs) rügen, ohne diese im einzelnen zu bezeichnen und sie unter die Vorschriften des § 116 Abs. 1 (zulassungsfreie Revision) oder des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - (Nichtzulassungsbeschwerde) zu subsumieren. Da für den Senat nicht eindeutig erkennbar ist, ob er das Rechtsmittel unter den rechtlichen Voraussetzungen der Revision oder unter denen der Nichtzulassungsbeschwerde überprüfen soll, war dieses als unzulässig zu verwerfen (vgl. § 126 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416243

BFH/NV 1989, 648

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