Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständigkeit von Zerlegern (Metzgern)

 

Leitsatz (NV)

Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Frage, ob ein Dienstleistender selbständig oder nichtselbständig ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden; dies bedeutet, daß die für und gegen die Unternehmereigenschaft sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abgewogen werden müssen.

 

Normenkette

FGO § 115; UStG 1980 § 2 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) organisierte in den Jahren 1982 bis 1985 Zerlegekolonnen, deren Mitglieder (gelernte Metzger) für die X geschlachtete Tiere zerlegten. In den Jahren 1986 -- 1988 übte er diese Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH (der Klägerin und Beschwerdegegnerin -- Klägerin --) aus. Die Verpflichtung, sämtliche im Betrieb der X anfallenden Zerlegungen von Schlachttieren auszuführen, wurde vom Kläger bzw. später von der Klägerin übernommen.

Kläger und Klägerin schlossen mit den einzelnen Kolonnenmitgliedern sog. Nachunternehmer-Verträge, in denen die Mitglieder erklärten, selbständige Gewerbetreibende zu sein. Die Zerleger wurden von dem Kläger bzw. der Klägerin wöchentlich aufgrund von Gutschriften bezahlt. Anspruch auf Urlaub oder Vergütung im Krankheitsfall hatten sie nicht.

Kläger und Klägerin unterwarfen die der X gegenüber erbrachten Zerlegungsleistungen der Umsatzsteuer und machten für das den Kolonnenmitgliedern gezahlte Entgelt Vorsteuerabzug geltend.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) verneinte eine selbständige Tätigkeit der Kolonnenmitglieder und verweigerte den geltend gemachten Vorsteuerabzug in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1982 bis 1988.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage größtenteils statt; es bejahte nach dem -- von ihm im einzelnen dargestellten -- "Gesamtbild der Verhältnisse" die Selbständigkeit der Kolonnenmitglieder.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das FA Beschwerde eingelegt, die es auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. April 1988 X R 40/81 (BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804) stützt. Das FA führt im einzelnen aus: Nach dem Urteil des BFH sei nicht auf die von den Parteien gewählten Bezeichnungen und Vertragsformen, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen; im Widerspruch dazu habe das FG der vertraglichen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses entscheidendes Gewicht beigemessen. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht das FA in der Frage, ob der Arbeitsbeitrag eines einzelnen Metzgers in einem Schlacht- oder Zerlegebetrieb, der innerhalb einer Gruppe von Metzgern am Fließband Einzelarbeitsschritte ausführt (sog. Kolonnenarbeit), eine fremdbestimmte nichtselbständige Tätigkeit darstellt, die typisierend die Unternehmereigenschaft des einzelnen Kolonnenmitglieds ausschließt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das FA begehrt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach diesen Vorschriften ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Eine Abweichung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt nur dann vor, wenn das FG in einer bestimmten Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH und das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht.

Das FA hat zwar Sätze unterschiedlichen Inhalts aus der Vorentscheidung und dem Urteil des BFH in BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804 zitiert; diese widersprechen einander aber nicht. Nach beiden Entscheidungen kommt es entscheidend auf das Gesamtbild der (tatsächlichen) Verhältnisse an.

Der vom FA angeführte Satz aus dem Urteil in BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804 verweist ausdrücklich auf das BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150--152/82 (BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661). Dort hat der BFH näher ausgeführt, daß bei der Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse auch berücksichtigt werden muß, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist demnach zwischen der (inhaltlichen) Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses und den von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnungen und Vertragsformen zu unterscheiden. Wenn das FG "der vertraglichen Ausgestaltung" des Dienstverhältnisses entscheidendes Gewicht beimaß, widerspricht dies nicht dem zitierten Rechtssatz aus dem BFH-Urteil in BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804.

2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit in einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die streitige Rechtsfrage sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt, aufgrund der Rechtsprechung des BFH geklärt ist, offensichtlich so zu beantworten ist, wie das FG dies getan hat, oder wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309 und vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).

Im Streitfall geht es nur um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Frage, ob ein Dienstleistender selbständig oder nichtselbständig ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden; dies bedeutet, daß die für und gegen die Unternehmereigenschaft sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abgewogen werden müssen (vgl. für Opernsängerin BFH-Urteil vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493). Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, warum für Zerleger etwas anderes gelten soll.

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 718

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