Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags

 

Leitsatz (NV)

Wer im (Steuer-)Prozeß geltend macht, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, eine gesetzliche Frist einzuhalten, muß innerhalb der in §56 Abs. 2 Satz 1 FGO vorgesehenen Zweiwochenfrist gemäß §56 Abs. 2 Satz 2 FGO eine substantiierte, in sich schlüssige und in den wesentlichen Punkten vollständige Erklärung für die Fristversäumnis abgeben.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat gegenüber der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die auch in der ersten Instanz durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, wegen Einkommensteuer 1987 und 1988 ein klageabweisendes, mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehenes Urteil erlassen und auf entsprechende Beschwerde hin für das Streitjahr 1987 die Revision zugelassen.

Der Zulassungsbeschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten am 7. März 1997 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 1997, der am gleichen Tag beim FG eingegangen ist, hat der Prozeßbevollmächtigte namens der Klägerin Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wird vorgetragen: Die Fristversäumnis beruhe darauf, daß die Revisionsfrist versehentlich nicht in das elektronische Fristenbuch eingetragen und außerdem nicht zu den Fristsachen auf Wiedervorlage abgelegt worden sei. -- Seit 1992 würden die Fristen in der Kanzlei mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung (EDV) erfaßt und seit 1995 durch ein Spezialprogramm maschinell errechnet. Für die Fristeneintragungen sei Frau A, eine eigens hierfür geschulte Fachkraft, zuständig, die regelmäßige Überwachung der Eintragungen sei Sache des Prozeßbevollmächtigten selbst. Er habe nach Erhalt des Zulassungsbeschlusses mit Frau A die "Rechtsbehelfsbelehrung und den weiteren Verlauf des Verfahrens" besprochen, außerdem durch Kontrollfragen den Eindruck gewonnen, diese habe die spezielle Problematik dieses Falles -- "keine gesonderte Rechtsbehelfsbelehrung nach Erhalt des Zulassungsbeschlusses" -- verstanden. Gleichwohl sei die Eintragung der Frist im Streitfall unterblieben. Eine Erklärung hierfür habe Frau A nicht geben können und an die Belehrung vom Februar 1997 nur eine "vage" Erinnerung. Die Kontrolle sei erfolglos geblieben, weil der Zulassungsbeschluß "versehentlich und ausnahmsweise nicht zurückgeleitet, sondern im Akt abgelegt" worden sei.

Bekanntgeworden sei die Fristversäumnis erst am 6. Mai 1997 durch einen Anruf der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --).

In der Sache beantragt die Klägerin Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1987 vom 26. Oktober 1990 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Sie ist verspätet eingelegt worden. Dies bedarf angesichts des unstreitig feststehenden Geschehensablaufs keiner Erörterung. Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand würde nach §56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) voraussetzen, daß die Klägerin bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter (§155 FGO i. V. m. §85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --; dazu: Gräber, Kommentar zur FGO, 4. Aufl., 1997, §56 Rz. 6, m. w. N.) ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, und die hierfür erheblichen Tatsachen spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (hier nach Kenntnisnahme von der Fristversäumnis am 6. Mai 1997) schlüssig dargetan hätte (s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Dezember 1994 X R 236/93, BFH/NV 1995, 702; vom 20. Juni 1996 X R 95/93, BFH/NV 1997, 40, und vom 28. November 1996 XI R 76/95, BFH/NV 1997, 497; Gräber, a. a. O., §56 Rz. 50, jeweils m. w. N.). Das ist nicht geschehen.

Der am letzten Tag der Begründungsfrist i. S. des §56 Abs. 2 FGO beim FG eingegangene Revisions- und Wiedereinsetzungsschriftsatz der Klägerin läßt nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Genauigkeit, erkennen, wie es zur Fristversäumnis gekommen ist und durch welche organisatorischen Kontrollmaßnahmen im allgemeinen und hier im besonderen für den Fall Vorsorge getroffen war, daß eine Frist -- wie offenbar im Streitfall -- überhaupt nicht in das Datenverarbeitungsgerät eingegeben oder zwar eingegeben, aber nicht (richtig) gespeichert wird (zu den Sorgfaltspflichten speziell im letztgenannten Fall: Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 23. März 1995 VII ZB 3/95, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 1756, m. w. N.). In sich nicht schlüssig ist das Vorbringen hinsichtlich der erteilten Weisung und des Erklärungsversuchs dafür, daß die organisatorisch beim Prozeßbevollmächtigten liegende Kontrolle erfolgslos geblieben ist. Infolgedessen bleibt auch ein weiterer Punkt, wie es nämlich hatte geschehen können, daß -- unabhängig vom elektronischen Programm und Arbeitsablauf -- die Versäumung der Rechtsmittelfrist mit sechswöchiger Verspätung und mehr oder weniger zufällig, durch ein Ereignis von außen, bemerkt wurde, unklar. Dieser Mangel in der Darlegung kann -- ungeachtet der fehlenden Glaubhaftmachung -- nicht nachträglich geheilt werden (vgl. außer den zuvor Zitierten: BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 1993 X R 82/92, BFH/NV 1993, 611; vom 12. August 1996 VIII R 66/95, BFH/NV 1997, 137, 138, und vom 12. Februar 1997 X B 297/95, BFH/NV 1997, 592, 593, m. w. N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 711

JurBüro 1999, 220

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