Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Antrag beim BFH durch nicht vertretenen Antragsteller

 

Leitsatz (NV)

Der gemäß § 118 ZPO von dem Prozeßgericht vorzunehmenden Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Rechtsmittelinstanz das Rechtsmittel zugrunde zu legen, das geeignet ist, zu der vom Antragsteller erkennbar erstrebten revisionsrechtlichen Überprüfung des FG-Urteils zu führen. Das sind, wenn das FG die Revision nicht zugelassen hat, die zulassungsfreie Verfahrensrevision gemäß § 116 Abs. 1 FGO sowie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

Der Auffassung des Antragstellers, bei dem einzulegenden Rechtsmittel handele es sich um die Revision, kommt keine Bedeutung zu. Eine entsprechende Beschränkung der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung der Erfolgsaussichten würde dem Zweck des PKH-Verfahrens zuwiderlaufen, der dahin geht, dem unbemittelten Bürger eine sachgerechte Rechtsverfolgung zu ermöglichen (Fortführung von BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 339, und Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1992 XII ZB 118/92, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 732).

Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten sind insbesondere der Vortrag des Antragstellers sowie die Vorentscheidung und das Protokoll über die mündliche Verhandlung zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FGO §§ 142, 155; ZPO § 118

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der vom Kläger und Antragsteller (Antragsteller) in den Streitjahren 1984 bis 1987 ausgeführten Umsätze und des ihm zustehenden Vorsteuerabzugs.

Der Antragsteller betrieb einen Handel mit Edelmetallen und Schmuckwaren. Dabei kaufte er hauptsächlich Gold in jeglicher Form auf, verschmolz dieses selbst zu Planchen und veräußerte diese an verschiedene Scheideanstalten bzw. Goldgroßhändler. Einzelne Schmuckstücke, wie z. B. Uhren, Brillanten und Goldschmuck, verkaufte er an Schmuckeinzelhandelsgeschäfte oder Privatpersonen.

Nach einer Fahndungsprüfung erhöhte der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) die Umsätze des Antragstellers für die Streitjahre und kürzte die erklärten Vorsteuerbeträge, soweit dafür keine Rechnungen, sondern vom Antragsteller erstellte Eigenbelege vorhanden waren. Die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) für 1985 bis 1987 abgewiesen und ihr für 1984 teilweise stattgegeben. Das FG führt im wesentlichen aus, das FA habe die Umsätze des Antragstellers in den Streitjahren nicht zu hoch angesetzt. Die Umsätze aus Goldverkäufen seien durch Rechnungen des Antragstellers bzw. Gutschriften der ankaufenden Firmen belegt. Sie würden auch durch Einzahlungen auf dem Geschäftskonto des Antragstellers bestätigt. Zutreffend habe das FA auch die Umsätze aus dem Verkauf von Uhren aufgrund einer jedenfalls aus dem Bereich des Antragstellers stammenden, handschriftlich erstellten Liste (Bl. 470 der sichergestellten Beweismittel) erfaßt. Es habe auch ohne Rechtsfehler die vom Antragsteller erklärten Vorsteuerbeträge um die von ihm in Eigenbelegen ausgewiesenen Beträge gekürzt. Materielle Voraussetzung des Umsatzsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei das Vorliegen von Rechnungen oder zumindest von Gutschriften, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 UStG erfüllten. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Eigenbelege des Antragstellers den leistenden Unternehmern zugeleitet worden seien und zwischen dem Antragsteller und dem Empfänger der Gutschrift Einverständnis darüber bestanden habe, daß mit einer Gutschrift über den Leistungsbezug abgerechnet werde. Eine Schätzung komme mangels ordnungsgemäßer Rechnungen bzw. Gutschriften nicht in Betracht (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688). Im Streitfall stehe fest, daß der Antragsteller neben den von ihm ausgestellten Eigenbelegen keine Rechnungen seiner Lieferanten besitze. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Rechnungen für 1987 ergebe sich im übrigen ein gegenüber dem vom FA anerkannten wesentlich niedrigerer Vorsteuerabzug.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Innerhalb der Rechtsmittelfrist hat der Antragsteller Prozeßkostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er trägt im wesentlichen vor, das FG habe zu Unrecht seine Ankäufe von der Firma Y, welche durch Gutschriften und Eigenbelege abgerechnet worden seien, nicht berücksichtigt. Das FG messe mit zweierlei Maß. Obgleich aus der Liste Nr. 470 weder Mehrwertsteuer, Leistender und Leistungsempfänger hervorgingen, habe das FG diese Liste zur Bestimmung der Umsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Er fühle sich in seinen Grundrechten verletzt.

Dem Antrag war eine vom Antragsteller ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unbegründet und deshalb abzulehnen.

Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§ 117 Abs. 1 ZPO). Ferner sind dem Antrag eine Erklärung der Partei auf amtlichem Vordruck über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2, 3 ZPO).

Der gemäß § 118 ZPO von dem Prozeßgericht vorzunehmenden Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Rechtsmittelinstanz das Rechtsmittel zugrunde zu legen, das geeignet ist, zu der vom Antragsteller erkennbar erstrebten revisionsrechtlichen Überprüfung des FG-Urteils zu führen. Das sind, weil das FG die Revision nicht zugelassen hat, im vorliegenden Fall die zulassungsfreie Verfahrensrevision gemäß § 116 Abs. 1 FGO sowie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Der Auffassung des Antragstellers, bei dem einzulegenden Rechtsmittel handele es sich um die Revision, kommt keine Bedeutung zu. Eine entsprechende Beschränkung der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung der Erfolgsaussichten würde dem Zweck des PKH- Verfahrens zuwiderlaufen, der dahin geht, dem unbemittelten Bürger eine sachgerechte Rechtsverfolgung zu ermöglichen (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 339, und Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1992 XII ZB 118/92, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 732).

Die danach vom Senat unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers sowie anhand der Vorentscheidung und des Protokolls über die mündliche Verhandlung vorzunehmende summarische Prüfung ergibt, daß weder die zulassungsfreie Revision (§ 116 Abs. 1 FGO) noch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 115 Abs. 2, 3 FGO) hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Wesentliche Mängel des Verfahrens vor dem FG i. S. des § 116 Abs. 1 FGO sind nicht ersichtlich. Ebensowenig ist erkennbar, daß die Vorentscheidung mit einem nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend zu machenden Verfahrensfehler behaftet ist. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, daß dem Antragsteller nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden wäre oder das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen wäre. Eine Zulassung der Revision, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder Abweichung von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das FG hat seiner Entscheidung zum Vorsteuerabzug die Rechtsprechung des BFH zugrunde gelegt. Im übrigen beruht die Entscheidung des FG im wesentlichen auf Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigung und betrifft einen Einzelfall.

Es entstehen keine Gerichtsgebühren (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Sätze 4, 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 250

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