Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Halbteilung für die Dauer der vom BVerfG angeordneten Weitergeltung des VStG

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Anordnung des BVerfG im Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerGE 93, 121, BStBl II 1995, 655), wonach die Regelungen zur Vermögensbesteuerung bis Ende 1996 weiterhin angewendet werden dürfen, schließt die Berufung auf alle in dem Beschluss beanstandeten Verstöße des befristet fortgeltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte aus.
  2. Daher kommt der Frage, ob in der Zeit der weiteren Anwendbarkeit des VStG bereits die vom BVerfG herausgearbeitete Belastungsobergrenze (Halbteilungsgrundsatz) zu beachten ist, keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist ohne weiteres zu verneinen.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; VStG § 10 Nr. 1; GG Art. 14

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 02.12.1999; Aktenzeichen 3 K 5584/97 VSt)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind mit letztmals geänderten Bescheiden vom 29. Juni 1998 zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1994 und 1995 veranlagt worden. Die Klage, mit der die Kläger unter anderem geltend gemacht hatten, die Bescheide verstießen gegen die Belastungsobergrenze (Halbteilungsgrundsatz), die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) herausgearbeitet habe, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, da das BVerfG die Weitergeltung des bisherigen Vermögensteuergesetzes (VStG) bis Ende 1996 angeordnet habe, könnten sich die Kläger nicht auf jene Belastungsobergrenze berufen.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger geltend, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob die vom BVerfG in dem o.a. Beschluss angeordnete befristete Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes dahin zu verstehen sei, dass in der Zeit der Weitergeltung die vom BVerfG herausgearbeitete Belastungsobergrenze noch nicht zu beachten sei. Aus der Tatsache, dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. August 1999 XI R 77/97 (BFHE 189, 413, BStBl II 1999, 771) bezüglich der Einkommen- und Gewerbesteuer zur Entscheidung angenommen habe, ergebe sich ein Interesse der Allgemeinheit an einer Entscheidung der von ihnen, den Klägern, aufgeworfenen Rechtsfrage.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu, da sie sich ohne weiteres aus der zitierten Entscheidung des BVerfG beantworten lässt.

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats hat das BVerfG die Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes bis Ende 1996 auch insoweit angeordnet, als der weitere Vollzug des Gesetzes im Einzelfall die vom Gericht dargelegte Obergrenze der Belastung überschreitet. Die Anordnung in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 (unter C. III. 3.), wonach die Regelungen zur Vermögensbesteuerung bis Ende 1996 weiterhin angewendet werden dürfen, ist nicht nur ungeachtet des festgestellten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz infolge der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe erfolgt, sondern auch ungeachtet dessen, dass diese Regelungen den aufgestellten Belastungsobergrenzen (noch) keine Rechnung tragen (so Entscheidungen des BFH vom 29. Oktober 1997 II B 67/97, BFH/NV 1998, 361; vom 19. Mai 1998 II B 14/98, BFH/NV 1998, 1275; vom 6. August 1998 II B 53/98, BFH/NV 1999, 228; vom 30. September 1998 II R 47/97, BFH/NV 1999, 452; vom 30. Juni 1999 II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653, sowie vom 23. Oktober 2000 II B 157/99, BFH/NV 2001, 498).

Aus der Tatsache, dass der Abschn. C. III. 3. des genannten Beschlusses des BVerfG über die Anordnung der befristeten Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen den Gleichheitssatz eingeleitet wird, kann nicht gefolgert werden, mit der angeordneten Weitergeltung sei lediglich die Berufung auf diesen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist vielmehr die Berufung auf alle in der Entscheidung beanstandeten Verstöße des bis dahin geltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz wird eingangs nur deshalb angesprochen, weil derartige Verstöße nach der Rechtsprechung des BVerfG in der Regel nicht zur Nichtigkeit der gerügten Norm(en), sondern nur zum Ausspruch ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz in Verbindung mit der Anordnung ihrer befristeten Weitergeltung führen. Regelmäßig bestehen nämlich mehrere Möglichkeiten, den Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu beheben. Die Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten soll dem Gesetzgeber überlassen werden (vgl. dazu Urteil des BFH vom 24. Mai 2000 II R 25/99, BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378, unter II. 1., m.w.N.).

Dieses Verständnis der Weitergeltungsanordnung wird durch die nachfolgenden Ausführungen des BVerfG bestätigt, mit denen dem Gesetzgeber bei einer Neuregelung für die Dauer der durchzuführenden Neubewertung des Vermögens ―längstens für fünf Jahre― zugestanden wird, die vermögensteuerrechtliche Belastung mit Hilfe von Übergangsregelungen schrittweise den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben anzunähern. Mit diesen Maßstäben sind auch die Ausführungen des BVerfG zur einzuhaltenden Obergrenze der Belastung gemeint.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093700

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