Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz, grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

1. Der bloße Vortrag, das angefochtene Urteil des FG widerspreche den Grundsätzen eines in der Beschwerde angeführten BFH- Urteils, reicht zur Bezeichnung einer Divergenz nicht aus.

2. Mit der Anführung von Urteilen anderer FG, die zu einer Frage ergangen sind, die in dem angefochtenen Urteil für das FG nicht entscheidungserheblich war, wird die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht dargelegt. Dazu genügt auch nicht der Hinweis auf ein Berichterstatterschreiben in einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren, aus dem sich möglicherweise eine von der Entscheidung des FG abweichende Rechtsauffassung ergibt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der ... GmbH. Diese stellte unter dem 23. September 1991, eingegangen beim Finanzamt V (FA V) am 25. September 1991, einen Antrag auf Investitionszulage für Investitionen im Fördergebiet für das Kalenderjahr 1990. Sie verwandte dazu das amtliche Formular "IZ R (86) Antrag auf Regionalzulage 11.86".

Nach Feststellung der Unzuständigkeit des FA V beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 5. November 1991, eingegangen beim FA V am gleichen Tage, die Weiterleitung an das vermeintlich zuständige FA D, wo der Antrag am 18. November 1991 einging. Mit Schreiben vom 5. Dezember 1991 teilte das FA D der Klägerin mit, sie, die Klägerin, habe beim FA V einen Antrag nach §1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) auf Gewährung von Regionalzulage gestellt. Sollte es sich um Anträge auf Gewährung von Investitionszulage nach der Investitionszulagenverordnung (InvZulVO) handeln und das FA D örtlich zuständig sein, wäre der Antrag verspätet eingegangen. Der Klägerin stehe jedoch frei, Wiedereinsetzung zu beantragen.

Das FA D setzte mit Bescheid vom 30. Juni 1992 die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1990 auf 0 DM fest, da der Antrag nach Ablauf der Ausschlußfrist eingegangen und Wiedereinsetzung nicht beantragt worden sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 10. Juli 1992 Einspruch ein. Der Einspruch wurde vom FA D an das örtlich zuständige FA E, den Beklagten und Beschwerdegegner, weitergeleitet. Beim FA E hatte die Klägerin ferner -- ohne Verwendung eines amtlichen Vordrucks für einen Investitionszulageantrag -- am 7. Juli 1992 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, ohne diesen zu begründen.

Mit Schreiben vom 20. Juli 1992 forderte das FA E zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags auf und wies unter anderem darauf hin, der Investitionszulageantrag sei nicht auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck gestellt worden. Ein erneuter Antrag unter Verwendung des zutreffenden Formulars wurde nicht eingereicht.

Das FA E wies den Einspruch zurück und lehnte in der Einspruchsentscheidung die Wiedereinsetzung ab.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Klägerin habe bis zum Ablauf der Ausschlußfrist am 30. September 1991 keinen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage auf einem amtlichen Vordruck gemäß §6 Abs. 3 InvZulVO gestellt. Der am 25. September 1991 beim FA V eingereichte Antrag sei nicht ausreichend, da er nicht auf dem amtlichen Vordruck für den Antrag auf Investitionszulage nach der InvZulVO, sondern auf dem Vordruck für einen Antrag auf Investitionszulage für Investitionen in förderungsbedürftigen Gebieten gemäß §1 InvZulG 1986 gestellt worden sei. Die Verwendung eines falschen Vordrucks schließe die Gewährung einer Investitionszulage aus. Denn nach §6 Abs. 3 InvZulVO sei die Stellung eines ordnungsgemäßen Antrags Wirksamkeitsvoraussetzung.

In dieser Regelung könne kein übertriebener Formalismus gesehen werden. Denn das FA solle durch das Ausfüllen der zutreffenden Formulare in die Lage versetzt werden, rasch und unverzüglich zu entscheiden. In der Literatur würden lediglich geringfügige Abweichungen vom amtlichen Muster als unschädlich angesehen, z. B. wenn der Vordruck für ein früheres Jahr verwandt und die Jahreszahl ausgebessert werde. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Denn der von der Klägerin verwandte Vordruck weiche inhaltlich von dem Vordruck für die Beantragung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 1990 nach der InvZulVO (IZ -- 90 --) ab. So fehle insbesondere der Zusatz, daß für die begünstigten Wirtschaftsgüter keine Sonderabschreibung in Anspruch genommen werde. Die Beantwortung dieser Frage sei im Hinblick auf die Bedeutung, die der Sonderabschreibung im Fördergebiet zukomme, erforderlich. Zwar enthalte die dem Antrag der Klägerin beigefügte Entwicklung des Anlagevermögens Angaben zur Abschreibung. Es fehle indes die in dem Vordruck IZ (90) vorgesehene entsprechende ausdrückliche Erklärung und damit an dem Einstehen der Klägerin für die Richtigkeit ihrer Angaben durch Unterschrift. Auch fehlten in dem Vordruck IZ R (76) Angaben zur Höhe der Investitionszulage. Die InvZulVO sehe unterschiedliche Fördersätze je nach Begünstigungszeitraum vor. Deshalb enthalte der Vordruck IZ (90) eine vom Antragsteller auszufüllende Gesamtrechnung der auszuzahlenden Investitionszulage.

Die fehlende örtliche Zuständigkeit des FA D führe nicht zur Aufhebung oder Änderung des Bescheides. Denn nach §127 der Abgabenordnung (AO 1977) könne die Aufhebung eines nicht nach §125 AO 1977 nichtigen Bescheides, der unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, nicht begehrt werden, wenn -- wie im Streitfall -- keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht innerhalb eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist den Antrag auf dem amtlichen Vordruck nachgeholt habe. Spätestens durch das Schreiben des FA E vom 20. Juli 1992 habe sie Kenntnis von der schädlichen Verwendung des unzutreffenden Vordrucks erlangt und damit die Möglichkeit erhalten, die ordnungsgemäße Antragstellung nachzuholen.

Auch einer isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung stehe §127 AO 1977 entgegen. Es könne deshalb dahinstehen, ob das FA E örtlich zuständig gewesen sei, über den Einspruch gegen den Bescheid des FA D zu entscheiden.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin Divergenz sowie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie trägt vor:

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Juli 1976 III R 158/73 (BFHE 119, 543, BStBl II 1976, 757) sei bei Investitionszulageanträgen die Verwendung eines amtlichen Antragsmusters nicht anspruchsbegründend. Mit dem Zweck des Gesetzes sei es nicht vereinbar, wenn der Steuerpflichtige seinen sachlich begründeten Investitionszulageanspruch aufgrund eines formellen Mangels des Antrags verliere. Hiervon weiche die Vorentscheidung ab.

Es komme hinzu, daß hinsichtlich der Investitionszulage 1990 für Antragsteller und Berater eine unübersichtliche Gesetzeslage bestanden habe. In der Wiedervereinigungsphase hätten sich drei Rechtszustände überlagert, die Phase der ausschließlichen Weitergeltung des DDR-Rechts, danach die Anpassung des DDR-Rechts an das Recht der Bundesrepublik Deutschland und schließlich die gemeinsame Rechtsordnung. Dies habe dazu geführt, daß für begünstigte Investitionen zunächst die InvZulVO der DDR gegolten habe, die später als Bundesrecht übernommen und schließlich in das InvZulG 1991 eingearbeitet worden sei. Die Rechtslage sei unsicher gewesen. Höchstrichterliche Entscheidungen hätten gefehlt. Formelle Mängel eines Ausschüttungantrags seien deshalb zum Beginn der 90er Jahre nicht schädlich.

Die Frage sei allerdings umstritten und habe daher grundsätzliche Bedeutung. Nach dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 23. November 1995 II 254/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 459) seien formelle Mängel nicht zu beanstanden. Nach den Urteilen des FG Münster vom 13. Juni 1995 16 K 2545/94 I (EFG 1996, 154) und des FG des Landes Brandenburg vom 3. Juni 1993 2 K 34/93 I (DDR-Spezial 1993 Nr. 27, 6) sei die damalige Gesetzeslage hingegen durchschaubar gewesen; formelle Mängel führten deshalb zur Zurückweisung von Investitionszulageanträgen.

Entgegen der Auffassung des FG müsse auch die fehlende örtliche Zuständigkeit des FA D zur Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Bescheids führen. Diese Auffassung vertrete auch das FG Berlin. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des (dortigen) Berichterstatters in einem Verfahren vor dem FG Berlin vom 4. September 1996. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen des Sächsischen FG und des FG Berlin sei die Sache auch insoweit von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Vorentscheidung beruhe auf den gerügten Rechtsfehlern. Denn hätte das FG die Divergenzentscheidung des BFH beachtet oder sich der Auffassung des Niedersächsischen FG und des FG Berlin angeschlossen, wäre die Investitionszulage antragsgemäß festzusetzen gewesen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Bei einer auf Divergenz (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Nichtzulassungs beschwerde muß der Beschwerdeführer neben einer genauen Bezeichnung der Divergenzentscheidung des BFH bzw. des Bundesverfassungsgerichts dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem sich aus der Divergenzentscheidung hinreichend deutlich ergebenden -- ebenfalls tragenden -- abstrakten Rechtssatz nicht übereinstimmt. Die Rechtssätze sind so genau zu bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 63, m. w. N.).

Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat insbesondere nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, aus der Vorentscheidung einen abstrakten Rechtssatz herausgearbeitet. Sie trägt vielmehr insoweit lediglich vor, das angefochtene Urteil des FG widerspreche den Grundsätzen des von ihr angeführten Urteils des Senats. Mit dieser bloßen Behauptung wird die geltend gemachte Divergenz nicht ausreichend bezeichnet (BFH-Beschluß vom 16. März 1994 II B 102/93, BFH/NV 1995, 34).

Im übrigen betrifft das von der Klägerin als Divergenzentscheidung bezeichnete BFH- Urteil einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtslage. Der dort einschlägige §3 Abs. 3 InvZulG 1969 hatte keine besondere Form der Antragstellung verlangt.

2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluß vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608).

Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann i. S. von §115 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargelegt, wenn der Beschwerdeführer substantiierte und konkrete Angaben darüber macht, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Februar 1987 V B 99/86, BFH/NV 1987, 312). Hierbei muß ausgeführt werden, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. BFH-Beschluß vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171). Die Prüfung ist auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Rechtsfragen beschränkt (BFH-Beschluß vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Diesen Voraussetzungen entspricht die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

a) Insbesondere geht der Hinweis der Klägerin auf die von ihr zum Beleg dafür, daß die Rechtsfrage umstritten ist, angeführten FG-Urteile fehl. Die Urteile des Niedersächsischen FG in EFG 1996, 459, des FG Münster in EFG 1996, 154 und des FG des Landes Brandenburg in DDR-Spezial 1993 Nr. 27, 6 sind zu der Problematik ergangen, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Einreichung des Investitionszulageantrags beim unzuständigen FA und anschließend verspätetem Eingang beim zuständigen FA dem Anspruchsberechtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Diese Frage war für das FG im Streitfall indes nicht entscheidend. Denn es hat die Klage in erster Linie deshalb abgewiesen, weil die Klägerin nicht den zutreffenden amtlichen Vordruck verwendet hatte. Außerdem sah es die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits deshalb nicht als gegeben an, weil die Klägerin ihren Investitionszulageantrag nicht auf dem amtlichen Vordruck nachgeholt hatte.

b) Schließlich genügt auch der Einwand der Klägerin, der angefochtene Bescheid müsse bereits wegen der fehlenden ört lichen Zuständigkeit des FA D zur Entscheidung über den Investitionszulageantrag aufgehoben werden, nicht den Darlegungsvoraussetzungen gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Auch insoweit hat die Klägerin weder die Klärungsbedürftigkeit noch ein Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts deutlich gemacht. Der Verweis auf ein Berichterstatterschreiben in einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren, aus dem sich möglicherweise eine von der in dem angefochtenen Urteil abweichende Rechtsauffassung ergibt, reicht für eine Darlegung nicht aus, in welchem Umfang und aus welchen Gründen eine aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist und worin die Bedeutung einer Entscheidung zu dieser Rechtsfrage für die Fortentwicklung des Rechts im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung -- insbesondere des BFH -- oder auf gewichtige Auffassungen im Schrifttum zu sehen ist. Die bloße Behauptung, eine Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, reicht nicht aus (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 58, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66806

BFH/NV 1998, 180

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