Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 237 AO in der Fassung des StändG 1961 (BStBl 1961 I S. 444, 459) stehen einer Gemeinde gegen die Ablehnung eines von ihr nach § 27 GewStG gestellten Antrags auf Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme die Beschwerde, gegen die Beschwerdeentscheidung die Berufung an das Finanzgericht, sodann die Rb. an den Bundesfinanzhof zu.

 

Normenkette

AO §§ 237, 230; GewStG § 27

 

Tatbestand

Die Aktiengesellschaft (AG) betrieb im Jahre 1957 den Umschlag und Transport von Gütern auf dem Binnenschiffahrtsweg. Sie hatte ihren Sitz in A. Ihr Personal war zum Teil in einer größeren Zahl von Betriebstätten auf dem Festland, zum Teil auf den Fahrzeugen beschäftigt. Die Lohnsummensteuerzahlung an die Stadt B. (Bfin.) legte die AG bis zum 30. Juni 1957 die an die Arbeitnehmer der Betriebstätte B ("Landangestellte") gezahlten Vergütungen, außerdem einen Anteil an den von der AG gezahlten Schifferlöhnen zugrunde. Ab dem 1. Juli 1957 versteuerte sie die gesamten Schifferlöhne bei der Stadt A. Hierum geht der Streit.

In ihrem Antrag vom 16. April 1958 an das Finanzamt A begehrte die Bfin. gemäß § 27 GewStG die Festsetzung eines Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme der Schiffsbesatzungen für das dritte und vierte Quartal 1957 und die Zuweisung eines Anteils daran für sie. Das Finanzamt wies den Antrag durch Schreiben vom 19. April 1958 zurück mit der Begründung, daß die den Schiffsbesatzungen gezahlten Arbeitslöhne in vollem Umfang der Stadt A als dem Ort der Geschäftsleitung der AG zuzurechnen seien. In der Rechtsmittelbelehrung wurde die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion, Rechtsmittelfrist sechs Wochen, für zulässig erklärt.

In der Beschwerde an die Oberfinanzdirektion (29. Mai 1958) verlangte die Bfin. die Aufhebung des Bescheides des Finanzamts vom 19. April 1958 und begehrte erneut die Festsetzung eines Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme der Schiffsbesatzungen ab dem 1. Juli 1957. Die Oberfinanzdirektion wies die Beschwerde durch Entscheidung vom 29. November 1958 mit der Begründung zurück, daß die Löhne und Gehälter der Schiffsbesatzungen der Hauptbetriebstätte in A zuzurechnen seien; sie erklärte die Berufung an das Finanzgericht für zulässig.

Gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion legte die Bfin. am 13. Dezember 1958 die Berufung an das Finanzgericht ein. In ihrem Schreiben vom 4. November 1959 erklärte sie sich auf Anfrage des Finanzgerichts, das mit Schreiben vom 14. Oktober 1959 seine Zuständigkeit verneinte, damit einverstanden, daß das Rechtsmittel als weitere Beschwerde im Sinne des § 388 AO angesehen werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Sache ergibt das Folgende:

Der Bundesfinanzhof hat sich mit den gleichen Rechtsfragen, die auch für den vorliegenden Streit von Bedeutung sind, bereits in einem ähnlichen Fall in dem Beschluß I B 43/55 U vom 22. November 1955 (BStBl 1956 III S. 44, Slg. Bd. 62 S. 115) auseinandergesetzt. Er ist dort zu den folgenden Rechtssätzen gelangt: ... 2. Das Finanzamt hat, wenn die formellen Voraussetzungen des § 27 GewStG erfüllt sind, dem dort vorgesehenen Antrag durch Erlaß eines förmlichen Lohnsummensteuermeßbescheids zu entsprechen. 3. Der Gemeinde steht gegen die Ablehnung eines von ihr nach § 27 GewStG gestellten Antrags auf Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme die Beschwerde nach § 237 AO zu. 4. Eine Zerlegung des Steuermeßbetrags im Falle des Vorhandenseins von Betriebstätten eines Unternehmens in mehreren Gemeinden scheidet bei der Lohnsummensteuer aus, da sich diese nach den Lohnsummen in den einzelnen Betriebstätten bemißt. Insoweit ist deshalb kein Raum für das für die Zerlegung von Steuerbeträgen oder Steuermeßbeträgen in der AO (§§ 382 u. f.) besonders vorgesehene Zerlegungsverfahren. - Der Senat hält an diesen Rechtssätzen fest.

Im vorliegenden Fall kann der Bescheid des Finanzamts vom 19. April 1958 einem förmlichen Lohnsummensteuer-Meßbescheid nicht gleichgestellt werden; er ist nicht gegen die Steuerpflichtige gerichtet, auch sind die an die sogenannten Landangestellten der Betriebstätte in der beschwerdeführenden Gemeinde gezahlten Vergütungen nicht darin berücksichtigt (ß 24 Abs. 1 GewStG). Gegen den Bescheid war daher die Beschwerde nach § 237 AO gegeben (Rechtssätze 2 und 3 zum Beschluß von 1955). Nach § 237 Abs. 2 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961 (BStBl 1961 I S. 444, 459) sind als weitere Rechtsmittel die Berufung, sodann die Rechtsbeschwerde zulässig. Im Falle I B 43/55 U hat der Senat die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion und den Bescheid des Finanzamts ersatzlos aufgehoben und damit in der Sache entschieden. Im Ergebnis hat er damit die Möglichkeit, die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion bei den Finanzgerichten anzugreifen, anerkannt. Siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 198/57 vom 9. September 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 27, Rechtsspruch 3. Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Streitsache noch rechtshängig. Verfahrensmäßig sind nunmehr die Bestimmungen des § 237 Abs. 2 AO in der jetzigen Fassung, die der Gemeinde zwei gerichtliche Instanzen geben, zu beachten. Das Rechtsmittel der Stadt B ist daher als Berufung zu behandeln. Es kann nicht als weitere Beschwerde nach § 388 Abs. 1 AO angesehen werden (Rechtssatz 4 zum Beschluß von 1955); das auch deshalb nicht, weil es sich noch nicht um die im Meßbetrags-Festsetzungsverfahren zu erörternde Frage der Zurechnung der Löhne, sondern zunächst um die überführung aus dem Selbstberechnungsverfahren in das Festsetzungsverfahren handelt.

Die Sache ist daher zur Entscheidung im Berufungsverfahren an das Finanzgericht zu verweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 48

BFHE 1963, 133

BFHE 76, 133

StRK, AO:237 R 27

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