Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen angeblich unwirksamem Erwerbsvorgang

 

Leitsatz (NV)

1. Die zuständige Finanzbehörde hat nach § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, wenn Steuerfreiheit gegeben ist bzw. wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet oder sichergestellt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung.

2. Die Erteilung der Unbedenklichkeits bescheinigung ist ein gebundener Ver waltungsakt. Dieser darf nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden.

3. Die Entscheidung darüber, ob der Erwerber aufgrund wirksamer Auflassung als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen ist, steht allein dem Grundbuchamt zu. Die Finanzbehörde darf in diese Entscheidungskompetenz nicht eingreifen, insbesondere die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht deshalb versagen, weil sie die Unwirksamkeit der bürgerlich-rechtlichen Erklärungen (z. B. wegen angeblich fehlender Rechtsfähigkeit der Vertragsparteien) annimmt.

4. Die Frage, ob eine im Ausland gegründete juristische Person rechtsfähig ist, ist grundsätzlich nach dem Recht zu beurteilen, das am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 22 Abs. 1, 2 S. 1; AO 1977 § 120 Abs. 1; FGO § 114 Abs. 1

 

Tatbestand

1. Im Grundbuch des Amtsgerichts A sind als Eigentümer des Grundstücks N-Straße ... eingetragen:"

a) E-N. V., K (Niederlande),

b) F.-B. V., L (Niederlande),

zu a) und b) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts."

Nach dem Inhalt eines notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 18. Mai 1994 verkauften die F-B. V. (F), vertreten durch die C-B. V. (C), diese vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten Direktor H, sowie die E-N. V. (E), in gleicher Weise vertreten, als (damals noch) zukünftige Eigentümer des o. a. Grundstücks in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) dieses an die X Grundstücks-Investment Gesellschaft m. b. H. (Erwerberin). Die Auflassung wurde erklärt, Auflassungsvormerkung bewilligt.

2. Wegen der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, der Aktivitäten der F., der Management-Verträge usw. sowie hinsichtlich der Verhältnisse der C und der von dieser entwickelten Tätigkeiten wird auf den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluß des Senats vom 12. Juni 1995 II S 9/95 (unter I.2.) Bezug genommen.

3. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) richtete unter dem 8. Dezember 1994 in bezug auf den Kaufvertrag vom 18. Mai 1994 an die Erwerberin, die F und die E, gleichlautende Schreiben mit folgendem Inhalt:"

Nach meinen Feststellungen handelt es sich bei dem Veräußerer um eine nichtrechtsfähige Domizilgesellschaft. Der o. g. Kaufvertrag ist daher unwirksam, so daß die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung unterbleibt ... "

Die Schreiben enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Ablehnung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung begründete das FA in der Folgezeit mit dem Hinweis auf den Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 1994 S 4540 -- VA-2 (nicht veröffentlicht), der inhaltlich in etwa dem in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht 1994, 905 abgedruckten Erlaß des Ministeriums der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz vom 26. April 1994 S 4600 -- A -- 446 entspricht.

4. Am 17. März 1995 beantragte die GbR beim Finanzgericht (FG) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, das FA zu verpflichten, die Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Kaufvertrag vom 18. Mai 1994 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Betrages der möglichen Grund erwerbsteuer zu erteilen. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 22 des Grund erwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Insoweit habe das FA lediglich zu prüfen, ob der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch grunderwerbsteuerliche Bedenken entgegenstünden. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus den Verpflichtungen, die auf die Gesellschafterinnen der GbR zukämen, wenn die Erwerberin, die inzwischen mit der Bebauung bzw. Renovierung des Grundstücks begonnen habe, sie wegen Nichterfüllung des Vertrages schadens ersatzpflichtig mache, weil die Eigentumsumschreibung aufgrund in der Sphäre der Veräußerin liegender Nichterteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung weiter verzögert werde oder gar scheitere. In diesem Zusammenhang legte sie eidesstatt liche Versicherung des H sowie der Geschäftsführer der Erwerberin vor.

Das FG hat dem Antrag mit dem angefochtenen Beschluß stattgegeben und das FA gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 550 000 DM durch Gestellung einer Bürgschaft einer inländischen Bank zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung verpflichtet.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des FA, mit der es sinngemäß dessen Aufhebung sowie die Ablehnung des Antrags auf Erlaß der einstweiligen Anordnung begehrt.

Die GbR ist der Beschwerde entgegengetreten.

Nach Vorlage der Beschwerde durch das FG an den Bundesfinanzhof (BFH) hat das FA beantragt, die Vollziehung der einst weiligen Anordnung des FG einstweilen auszusetzen. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluß vom 12. Juni 1995 II S 9/95 abgelehnt.

Außerdem hat das FA zur Vermeidung der Vollstreckung aus der angefochtenen einstweiligen Anordnung im Laufe des Beschwerdeverfahrens eine Unbedenklichkeitsbescheinigung unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zum Kaufvertrag vom 18. Mai 1994 erteilt. Im Hinblick auf den Widerrufsvorbehalt hat das Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung nicht vorgenommen. Auf den Inhalt des Schreibens des Grundbuchamts vom 26. Mai 1995 an den beurkundenden Notar wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des FA fehlte der GbR nicht die Beteiligtenfähigkeit für das Verfahren über den Erlaß der einstweiligen Anordnung. Denn ihr Rechtsschutzbegehren ist darauf zurückzuführen, daß das FA ihren Gesellschafterinnen die Rechtsfähigkeit abspricht und daraus durch ausdrückliche Ablehnung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung sie belastende Folgen gezogen hat. In einem solchen Falle verbietet es der von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes garantierte Rechtsschutz, dem Rechtsschutzsuchenden für das die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung betreffende Verfahren die Beteiligtenfähigkeit abzusprechen und ihm dadurch den gerichtlichen Rechtsschutz zu versagen. Das gilt gleicherweise für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

2. Zutreffend ist das FG unter der Voraussetzung der Sicherstellung der (möglicherweise) entstandenen Grunderwerbsteuer vom Bestehen eines Anordnungsanspruches ausgegangen. Nach § 22 Abs. 1 GrEStG 1983 darf der Erwerber eines Grundstücks erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung der zuständigen Finanzbehörde vorgelegt wird, daß der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen. Die Grundbuchsperre dient der Sicherung des Eingangs der Grunderwerbsteuer (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, BStBl II 1987, 269). Dementsprechend hat die zuständige Finanzbehörde nach § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 die erforderliche Bescheinigung -- die Unbedenklichkeitsbescheinigung -- insbesondere zu erteilen, wenn Steuerfreiheit gegeben ist bzw. wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet oder sichergestellt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ein Rechtsanspruch.

Dem Grundbuchamt obliegt es, als Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch die Wirksamkeit der von den Beteiligten erklärten Auflassung zu prüfen (§ 20 der Grundbuchordnung). Es hat daher auch zu prüfen, ob die in der GbR verbundenen Personen ausländischen Rechts, die F und die E, als solche nach niederländischem Recht ordnungsgemäß gegründet wurden sowie ob sie bei der Abgabe dieser Erklärung im Inland als rechtsfähig behandelt werden können und ob sie ordnungsgemäß vertreten waren. Die Entscheidung darüber, ob der Erwerber aufgrund wirksamer Auflassung als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen ist, steht allein dem Grundbuchamt zu. Die Finanzbehörde darf in diese Entscheidungskompetenz nicht eingreifen, insbesondere die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht deshalb versagen, weil sie die Unwirksamkeit der bürgerlich-rechtlichen Erklärungen annimmt. Es hat diese vielmehr zu erteilen, sofern der Erwerbs vorgang entweder von der Grunderwerbsteuer ausgenommen oder eine möglicherweise entstandene Grunderwerbsteuer sichergestellt ist (vgl. schon Senatsurteil vom 12. Juli 1972 II R 168/70, BFHE 106, 277, unter II.3. a).

Unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 ist auch demjenigen die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, der behauptet, die für die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erforderliche Auflassung sei wirksam erklärt, wenn er als Veräußerer des Grundstücks aufgetreten und dementsprechend als Schuldner der Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr. 1 GrEStG 1983) in Betracht zu ziehen ist, um ihm die Erfüllung der von ihm behaupteten Vertragspflicht aus einem Kaufvertrag zu ermöglichen. Das gilt unbeschadet dessen, daß die Finanzbehörde ihrerseits allein darüber zur Entscheidung berufen ist, ob ein grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Erwerbsvorgang vorliegt, weil der Erteilung dieser Bescheinigung nicht die Bedeutung einer Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Grunderwerbsteueranspruchs zukommt (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 1962 II 169/60 U, BFHE 76, 601, BStBl III 1963, 219, und vom 14. März 1979 II R 97/78, BFHE 127, 554, BStBl II 1979, 526).

Aus gegebenem Anlaß weist der Senat auf folgendes hin: Besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983, so stellt deren Erteilung einen gebundenen Verwaltungsakt dar. Dieser darf nach § 120 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden.

3. Entgegen der Ansicht des FA ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß ein Anordnungsgrund gegeben ist. Insoweit ist erforderlich aber auch ausreichend, daß derjenige, der den Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt, glaubhaft macht, daß die begehrte Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile, die ihm sonst entstünden, nötig ist. In diesem Zusammenhang ist -- anders als zu 2. -- auch zu prüfen, ob die Rechtsfähigkeit der Gesellschafterinnen der GbR glaubhaft gemacht ist.

Nach herrschender deutscher Rechtsauffassung beurteilt sich die Frage, ob eine im Ausland gegründete juristische Person rechtsfähig ist, grundsätzlich nach dem Recht, das am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt (vgl. nur Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. März 1986 V ZR 10/85, BGHZ 97, 269). Dabei ist unter Verwaltungssitz der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane zu verstehen, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäfte umgesetzt werden. Die GbR bzw. ihre Gesellschafterinnen haben durch Vorlage von Verträgen und weiterer Unterlagen sowie eidesstattlicher Versicherung des alleinvertretungsberechtigen (Haupt)Direktors der C, H, glaubhaft gemacht, daß die F sowie die E ihren Verwaltungssitz in den Niederlanden beibehalten haben. Im einzelnen wird diesbezüglich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den Inhalt des Senatsbeschlusses vom 12. Juni 1995 II S 9/95 Bezug genommen.

Im übrigen wird auch vom FA nicht bestritten, daß -- wie glaubhaft gemacht -- schon die Verzögerung der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch zu nahezu unübersehbaren finanziellen Folgen in Millionenhöhe für die Gesellschafterinnen der GbR führen würde. Diesen gravierenden Nachteilen hat das FG in Abwägung mit den grunderwerbsteuerrechtlichen Interessen des FA, auf die allein abzustellen ist, zutreffend ein solches Gewicht beigemessen, daß sie die Verpflichtung des FA, die Unbedenklichkeitsbescheinigung unter gleichzeitiger Anordnung von Sicherheitsleistung für die Grunderwerbsteuer zu erteilen, im Wege der einstweiligen Anordnung rechtfertigen (vgl. dazu Senat in BFHE 148, 440, BStBl II 1987, 269).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420802

BFH/NV 1995, 1089

BB 1995, 2413

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