Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Sonstiges Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG ist es nur dann als bessere Gestaltung von Bauland anzusehen, wenn ein mit einem Geschäftsgebäude bebautes Grundstück in der Absicht erworben wird, das Gebäude abzureißen und das Grundstück alsbald neu zu bebauen. Auch in der Fassung der Vorschrift durch das rheinland-pfälzische Gesetz zur änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940 vom 4. April 1951 (GVBl 1951 S. 92) kann ein bebautes Grundstück lediglich unter dieser Voraussetzung als unbebaut - d. h. als Bauland - angesehen werden.

Die Erteilung einer grunderwerbsteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung ist ein Verwaltungsakt. Nach § 9 GrEStDV ergibt sich eine solche Bescheinigung ausschließlich, daß gegen die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch grunderwerbsteuerliche Bedenken nicht bestehen. Dagegen kann dieser Bescheinigung, solange sie keine dahin gehenden Erklärungen enthält, nicht bereits entnommen werden, daß der Vorgang von der Steuer befreit ist.

Ein Steueranspruch kann im Hinblick auf Treu und Glauben nur lediglich mit Rücksicht auf den Zeitablauf - sei er auch noch so lang - nicht als verwirkt angesehen werden. Die Verwirkung setzt über den Zeitablauf hinaus ein Verhalten des Finanzamts voraus, aus dem der Steuerpflichtige die Folgerung ziehen konnte, daß das Finanzamt den in Frage stehenden Steueranspruch nicht geltend machen werde, insbesondere, wenn der Steuerpflichtige sich darauf einrichten durfte, daß er mit einer Grunderwerbsteuerforderung durch das Finanzamt nicht mehr zu rechnen brauchte, wenn er sich mit Rücksicht auf das Verhalten des Finanzamts entsprechend eingerichtet hat und wenn es gerade deshalb mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, daß das Finanzamt später dennoch den Steueranspruch geltend macht. Eine verspätete Geltendmachung mit Rücksicht auf den Zeitablauf kann aber nicht bereits darin erblickt werden, daß der Steuerbescheid 10 1/2 Monate nach dem Eintritt der Steuerpflicht erlassen wurde.

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 4 Abs. 1 Ziff. 3b (in der Fassung des rheinland-pfälzischen Gesetzes zur

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 4/1/3/b; GrEStDV § 9; BGB § 242

 

Tatbestand

Am 1. August 1958 kaufte die Bfin. durch einen vom Notar Dr. X in Y beurkundeten Vertrag ein Eckgrundstück in Y. Veräußerer waren die Erben E. Die Urkunde enthält den Antrag, den Rechtsvorgang von der Grunderwerbsteuer freizustellen, weil die Bfin. das Grundstück "zur besseren baulichen Gestaltung und Ausnutzung des Betriebsgrundstücks" erworben habe. "Betriebsgrundstück" war ein mehrstöckig bebautes Geschäftsgrundstück; durch dieses Grundstück wurde das den Erben E gehörige, ebenfalls mit einem mehrstöckigen Geschäftshaus bebaute Vertragsgrundstück von zwei Seiten umschlossen.

Nachdem das Katasteramt am 18. September 1958 dem Finanzamt mitgeteilt hatte, daß es für den Antrag der Bfin. die Zweckdienlichkeit anerkenne, verfügte der Sachgebietsleiter des Finanzamts am 24. September 1958 in den Akten u. a.:

"1. Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG;

5.....

U-Bescheinigung an Notar Dr. X;

....

Zur überwachungsliste, Wiedervorlage 1. 6. 1959."

Am 27. September 1958 wurde der Rechtsvorgang in die überwachungsliste eingetragen. Dem Notar wurde lediglich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt. Von den Punkten 1 und 8 der Verfügung erhielt er keine Kenntnis.

Am 8. November 1958 bat der Notar im Auftrag der Bfin. "um eine Erklärung über die erteilte Grunderwerbsteuerbefreiung". In einem vom Sachgebietsleiter unterzeichneten Schreiben vom 26. November 1958 antwortete das Finanzamt wie folgt:

"Der in obiger Urkunde bezeichnete Grunderwerb erfolgte laut Antrag zur besseren baulichen Gestaltung und Ausnutzung des Betriebsgrundstücks der Käuferin. Das Grundstücksgeschäft wurde daher gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG vorerst nicht der Grunderwerbsteuer unterworfen. Die Steuerbefreiung ist an die Bedingung geknüpft, daß das beabsichtigte Bauvorhaben tatsächlich durchgeführt wird. Die Steuer wird, wenn das Bauvorhaben in absehbarer Zeit nicht zur Ausführung gelangt, gemäß § 4 Abs. 2 StAnpG nachgefordert."

In der Schlußbesprechung nach einer Betriebsprüfung vom 27. Februar 1959 erklärte der Vertreter der Bfin., es sei nicht beabsichtigt, das Haus E abzureißen, das Gebäude solle vielmehr durch Umbau mit dem bisherigen Geschäftshaus der Bfin. vereinigt werden. In einem Einspruchsschreiben vom 11. Juli 1959, die einheitliche Gewinnfeststellung für 1956 und 1957 betreffend, trug die Bfin. u. a. vor, das Grundstück E könne auf lange Jahre nur im bisherigen Zustand genutzt und allenfalls durch die Schaffung von Durchbrüchen mit ihrem bisherigen Geschäftshaus vereinigt werden.

Durch Bescheid vom 9. Juni 1959 forderte das Finanzamt von der Bfin. Grunderwerbsteuer mit der Begründung, die beantragte Steuerbefreiung könne ihr nicht gewährt werden, da sie das Grundstück nicht zur besseren Gestaltung von Bauland erworben habe.

Gegen die Steuerfestsetzung wurde ordnungsmäßig Sprungberufung eingelegt. In der Berufungsinstanz trug die Bfin. vor: Sie habe sich zum Ankauf des in Betracht kommenden Grundstücks entschlossen, nachdem ihr Architekt zu dem Ergebnis gekommen sei, daß das daraufstehende Gebäude nicht abgerissen werden müsse und ein Umbau genüge. Ende Dezember 1958 habe sie aber ihr Umbauvorhaben abgesagt, weil die Ausschreibungen ergeben hätten, daß das Dreifache des vom Architekten veranschlagten Betrages erforderlich gewesen wäre. Im Mai 1959 habe sie den Entschluß gefaßt, vorerst nichts in einen Umbau zu investieren, sondern zunächst einmal abzuwarten, um sich erst nach weiteren Untersuchungen des Architekten und Prüfungen über die Finanzierungsmöglichkeiten für einen Umbau oder einen Neubau zu entscheiden.

Sie ist der Auffassung, das Finanzamt habe ihr durch das Schreiben vom 26. November 1958 nach § 96 AO eine durch die Unterlassung des beabsichtigten Bauvorhabens auflösend bedingte Steuerfreiheit bewilligt. Diese begünstigende Verfügung könne das Finanzamt nicht zurücknehmen; es sei an der Anforderung der Steuer so lange gehindert, als die auflösende Bedingung ausbleibe.

Nach der Erweiterung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG durch das Landesgesetz vom 4. April 1951 (GVBl 1951 S. 92) setze die Steuerfreiheit des Erwerbs eines angrenzenden Grundstücks voraus, daß der Erwerb der besseren Gestaltung von Grundstücken - nicht aber von Bauland - diene und daß die entsprechende amtliche Zweckdienlichkeitsbescheinigung vorliege. Schließlich sei unter der "besseren Gestaltung von Bauland" nur die flächenmäßige Verbesserung der Grundstücke zu verstehen; auf die Art der Baumaßnahmen komme es nicht an.

Die Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. ist ohne Erfolg.

I. - Eine Steuerbefreiung kommt im Streitfall nicht in Betracht. Rechtsgrundlage für eine solche wäre ausschließlich die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG in der Fassung des rheinland- pfälzischen Gesetzes zur änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940 (RGBl I S. 585) vom 4. April 1951 (GVBl 1951 S. 92). Unstreitig ist, daß ein Grundstücksaustausch nicht stattfand. § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG 1940 ist somit nicht anwendbar. Auch das rheinland-pfälzische Gesetz vom 4. April 1951 (GVBl 1951 S. 92) kann auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift ist zusätzlich befreit: "der Erwerb angrenzender Grundstücke, soweit die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen". Die "vorgenannten Voraussetzungen" sehen aber vor, daß Grundstücke "zur besseren Gestaltung von Bauland" erworben werden. Wird unterstellt, daß dem Erfordernis der "besseren Gestaltung" genügt ist, so bliebe immer noch erforderlich, daß nicht nur das hinzuerworbene, sondern auch das vorhandene Grundstück "Bauland" ist. Unstreitig waren im Erwerbszeitpunkt beide Grundstücke mit je einem Geschäftshaus bebaut; sie waren also kein Bauland. Das vorerwähnte Gesetz vom 4. April 1951 trifft demnach auf den Streitfall nicht zu. Lediglich der Umstand, daß dieses Gesetz statt von Austausch von Grundstücken von "Erwerb" spricht und sich damit nicht nur auf ertauschte, sondern auch auf hinzugekaufte Grundstücke erstreckt, genügt nicht bereits, um die im Gesetz vom 4. April 1951 vorgesehene Steuervergünstigung anzuwenden. Erforderlich ist außerdem, wie schon ausgeführt, daß "Bauland" erworben wurde. Daß weitergehend auch das bereits vorhandene Grundstück Bauland sein muß, bleibt im folgenden unberücksichtigt; aus Gründen der Vereinfachung beschränken sich die Ausführungen darauf, daß das hinzuerworbene Grundstück nicht Bauland war.

Allerdings kann von Bauland auch dann gesprochen werden, wenn der Erwerber eines bebauten Grundstücks das darauf befindliche Gebäude alsbald abreißen und durch ein anderes, mindestens gleich großes Gebäude ersetzen will (siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II 58/42 vom 6. August 1942, RStBl 1942 S. 1076, Slg. Bd. 52 S. 124, den § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG betreffend; vgl. außerdem die im Erwerbszeitpunkt bereits veröffentlichten Urteile des Senats II 226/54 U vom 24. August 1955, BStBl 1955 III S. 282, Slg. Bd. 61 S. 218, und II 60/55 U vom 24. August 1955, BStBl 1955 III S. 282, Slg. Bd. 61 S. 219, sowie außerdem die inzwischen ergangenen Urteile des Senats II 254/58 U vom 15. Juni 1960, BStBl 1960 III S. 315, Slg. Bd. 71 S. 179, und II 128/58 U vom 14. Juni 1961, BStBl 1961 III S. 506, Slg. Bd. 73 S. 658). Auch nach dem Gesetz vom 4. April 1951 tritt aber eine Steuerbefreiung nicht schon dann ein, wenn zu einem Grundstück mit Geschäftsgebäude ein anderes Grundstück mit Geschäftsgebäude lediglich in der Absicht hinzugekauft wird, es umzubauen. Die entgegenstehende Auffassung der Bfin. ist unrichtig.

II. - Als das Finanzamt am 27. September 1958 die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellte, nahm es irrig an, daß das erworbene Gebäude abgerissen und neu aufgebaut werden sollte. Dieser Irrtum war entstanden, weil die Bfin. im notariellen Vertrag vom 1. August 1958 ihren Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer mit der Begründung beantragt hatte, daß "der Erwerb zur besseren baulichen Gestaltung und Ausnutzung des Betriebsgrundstückes der Käuferin" erworben werde. Für Fälle der vorliegenden Art war im Lande Rheinland-Pfalz eine Steuerbefreiung nach dem Landesgesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955 (GVBl 1955 S. 21, BStBl 1955 II S. 64) nicht vorgesehen - begünstigt ist lediglich der Wohnungsbau -; nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG in der Fassung des Gesetzes vom 4. April 1951 war eine Steuervergünstigung nur unter der Voraussetzung gegeben, daß das Gebäude alsbald abgerissen und sodann wieder aufgebaut werden sollte (siehe Abschn. I letzter Absatz). Deshalb kann dem Finanzamt geglaubt werden, daß es an die Möglichkeit einer Steuerbefreiung nur deshalb dachte, weil es die Erklärung der Bfin. dahin auslegte, daß die Absicht des Abrisses und der Wiederbebauung bestand. Es kann davon ausgegangen werden, daß das Finanzamt am 27. September 1958 die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt haben würde, wenn es gewußt hätte, daß die Bfin. schon im Erwerbszeitpunkt nur beabsichtigte, das Gebäude umzubauen, nicht aber, es abzureißen und neu aufzubauen.

Im Streitfall wurde kein Freistellungsbescheid (§ 222 Abs. 1 AO), sondern nur eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 189d Abs. 1 AO, § 9 GrEStDV) erteilt, so daß die die spätere Steuerfestsetzung erschwerenden Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht zum Zuge kommen. Der von der Bfin. in dieser Instanz vertretenen abweichenden Auffassung kann nicht zugestimmt werden.

Die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist ein Verwaltungsakt, nämlich eine Befreiung von der Grundbuchsperre der §§ 189 d Abs. 1 AO, 9 GrEStDV. Eine Befreiung von der Steuer selbst kann darin im Streitfall nicht erblickt werden. Die abweichende Auffassung der Bfin. ist rechtsirrig. Es ist auch offensichtlich, daß das Finanzamt die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nicht beabsichtigte, da es gleichzeitig mit der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Eintragung des Steuerfalls in die überwachungsliste verfügte. Der Wortlaut der Unbedenklichkeitsbescheinigung ergibt auch nichts, was auf eine Freistellung von der Steuer hindeuten könnte. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält nur die Erklärung, daß gegen die Eintragung des Grundstückswechsels im Grundbuch "Bedenken nicht bestehen". Dagegen wird darin mit keinem Wort von einer "Freistellung" gesprochen, zumal die Unbedenklichkeitsbescheinigung aus allen möglichen Gründen erteilt werden kann, z. B. weil der Steuerbetrag gezahlt oder gestundet oder die Beitreibung ausgesetzt wurde, weil das Ergebnis weiterer Ermittlungen oder etwaiger überwachungen abgewartet werden soll usw. In Einzelfällen kann die Unbedenklichkeitsbescheinigung sogar vor der Steuerfestsetzung dann ausgestellt werden, wenn nach dem Ermessen des Finanzamts die Steuerforderung nicht gefährdet ist. Es ist eine alltägliche Erscheinung, daß Unbedenklichkeitsbescheinigungen im Vorwege ausgestellt werden, um dem Erwerber die geplante Verwendung des Grundstücks nicht unnötig zu erschweren oder unmöglich zu machen. Auf die Vorschriften der Ländergesetze über die Grunderwerbsteuerbefreiung beim sozialen Wohnungsbau sei z. B. hingewiesen. Auch hier wird die Unbedenklichkeitsbescheinigung auf Grund der Erklärungen des Erwerbers im Vorwege erteilt. Stellt sich heraus, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht Platz greifen können, so ist die Nachversteuerung selbstverständlich (siehe für Rheinland-Pfalz die Regelung im § 8 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955). Etwas anderes ist auch im Streitfall nicht geschehen.

Es kann unterstellt werden, daß viele Finanzämter aus Gründen der Arbeitsvereinfachung grundsätzlich nur Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellen, aber die Steuerpflichtigen über die Freistellung nicht benachrichtigen. Dabei handelt es sich jedoch um Fälle, in denen von vornherein eindeutig feststeht, daß eine Steuerbefreiung bereits endgültig eingetreten ist. Ein solcher Fall lag aber hier, wie auch die Bfin. wußte (siehe das Schreiben des Notars vom 8. November 1958), nicht vor.

III. - Auch ist, wie die Bfin. in dieser Instanz anerkennt in dem Schreiben des Finanzamts vom 26. November 1958 eine Freistellung nicht enthalten. Der abweichenden Auffassung des Finanzgerichts kann nicht zugestimmt werden. Für das Finanzamt bestand bei Abfassung dieses Schreibens kein Grund, eine Freistellung auszusprechen, da der Vorgang in der überwachungsliste eingetragen stand und vom damaligen Standpunkt des Finanzamts aus die weitere Entwicklung abgewartet werden konnte. Es wäre nicht verständlich, daß ein Finanzamt eine endgültige Freistellung erklärt, gleichzeitig aber den Vorgang auch weiterhin in der überwachung beläßt. Der Senat kann in dem bezeichneten Schreiben lediglich eine Auskunftserteilung erblicken, d. h. eine Aufklärung darüber, unter welchen Voraussetzungen die Freistellung ausgesprochen werden wird. Dafür spricht z. B., daß das Schreiben in der Vergangenheitsform abgefaßt wurde. Hätte die Absicht bestanden, die Bfin. durch dieses Schreiben von der Steuer zu befreien, so ist selbstverständlich, daß die Gegenwartsform gewählt worden wäre.

Daß die von der Bfin. behauptete Freistellung durch das vorerwähnte Schreiben nicht erklärt wurde, folgt außerdem aus dessen Inhalt. U. a. wurde lediglich ausgesprochen, daß das Grundstücksgeschäft gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG "vorerst" nicht der Grunderwerbsteuer "unterworfen wurde" usw. Anschließend wird auf die künftig in Aussicht genommenen Maßnahmen hingewiesen. Dagegen können dem Schreiben Erklärungen rechtsgestaltender Art, die vom damaligen Zeitpunkt an gelten sollten, nicht entnommen werden. Hätte das Finanzamt erklären wollen, der Rechtsvorgang werde durch das Schreiben vom 26. November 1958 von der Steuer befreit - hätte also dieses Schreiben konstitutive Wirkung haben sollen -, so versteht sich, daß dies unmißverständlich erklärt worden wäre.

IV. - Aus den letztgenannten Gründen kann - was auch das Finanzgericht verneint - in dem Schreiben vom 26. November 1958 keine Erklärung im Sinne des § 96 AO erblickt werden. Die Bfin., die früher eine andere Auffassung vertrat, hat sich in dieser Instanz dieser Auffassung gleichfalls angeschlossen. § 96 AO befaßt sich mit Erklärungen konstitutiven Inhalts, also mit Erklärungen, durch die erst die Steuerbefreiungen usw. begründet werden. Es ist nicht ersichtlich, welche Veranlassung bestanden haben könnte, dahin gehende Erklärungen zusätzlich abzugeben, wenn - was in den Fällen des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG zutrifft - derselbe rechtliche Erfolg schon ohne weiteres kraft Gesetzes eintritt (vorausgesetzt natürlich, daß die Voraussetzungen der vorerwähnten Befreiungsvorschrift erfüllt sind).

V. -

Im Streitfall war der Steueranspruch fällig, sobald die Bfin. erklärte, daß sie nicht oder nicht mehr beabsichtige, das erworbene Gebäude abzureißen und neu aufzubauen. Mit dem Zeitpunkt, in dem die Bfin. dahin gehende Erklärungen abgab - dies geschah in der Schlußbesprechung am 27. Februar 1959 -, war das Finanzamt zur sofortigen Nacherhebung der Steuer berechtigt. Durch die Erklärung der Bfin., das früher Erklärte nicht mehr zu wollen, wurde der Rechtszustand geschaffen, der bestanden hätte, wenn die Bfin. bei Abschluß der Vertrages vom 1. August 1958 Erklärungen über ihre Bauabsichten nicht abgegeben hätte.

Der Umstand, daß das zuständige Katasteramt den Hinzukauf des in Betracht kommenden Grundstücks als zweckdienlich erachtete, hindert die Besteuerung nicht. Darüber, inwieweit Zweckdienlichkeitsbescheinigungen nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG für die Finanzämter als bindend anzusehen sind, siehe das Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 271, Slg. Bd. 71 S. 62). über die Frage, ob "Bauland" vorliegt, entscheiden hiernach die Finanzämter.

Schließlich kann auch nicht anerkannt werden, daß der Steueranspruch im Hinblick auf Treu und Glauben als verwirkt anzusehen ist. Allerdings ist die Möglichkeit der Verwirkung heute auf allen Rechtsgebieten gegeben. Jedoch kann im Interesse der Allgemeinheit und aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen und gerechten Besteuerung ein Steueranspruch nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen verwirkt werden. Keinesfalls kann der Zeitablauf, sei er auch noch so lang, allein ausreichen, um eine Verwirkung anzunehmen. Der Zeitablauf führt gegebenenfalls zur Verjährung. Eine Verwirkung setzt über den Zeitablauf hinaus ein Verhalten des Finanzamts voraus, aus dem der Steuerpflichtige die Folgerung ziehen konnte, daß das Finanzamt den in Frage stehenden Steueranspruch nicht geltend machen werde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 220/59 U vom 9. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 108, Slg. Bd. 72 S. 288). Maßgebend ist somit vor allem, ob die Bfin. sich darauf einrichten durfte, daß sie mit einer Grunderwerbsteuerforderung durch das Finanzamt nicht mehr zu rechnen brauchte, daß sie sich mit Rücksicht auf das Verhalten des Finanzamts entsprechend eingerichtet hat und daß es gerade deshalb mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, wenn das Finanzamt später doch noch mit der Geltendmachung des Steueranspruchs hervortritt. (Vgl. das Urteil des Senats II 137/60 U vom 7. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 496, und die darin in bezug genommenen Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesgerichtshofs II ZR 15/56 vom 27. Juni 1957 Abschn. II Nr. 1, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 25 S. 47, 51 f. = Juristenzeitung 1957 S. 624, 625, sowie die Anm. Nr. 2 zu diesem Urteil von Hueck, Juristenzeitung 1957 S. 626, 627.)

Insbesondere wurde der Steueranspruch nicht verspätet geltend gemacht. Richtig ist allerdings, daß der Steuerbescheid erst am 9. Juni 1959 erging, obwohl die Schlußbesprechung, in der das Finanzamt über die wirklichen Absichten der Bfin. erfuhr, bereits am 27. Februar 1959 stattfand. Lediglich darin, daß das Finanzamt nach dem 27. Februar 1959 der Bfin. über die künftig beabsichtigte Besteuerung nichts mitteilte, kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht erblickt werden, da ein solcher Zwischenbescheid nirgends vorgeschrieben ist. Daß das Finanzamt sich nach dem 27. Februar 1959 zunächst durch Schreiben vom 4. Mai 1959 an das zuständige Katasteramt wandte und um überprüfung der Zweckdienlichkeitsbescheinigung vom 18. September 1958 bat, stand im Einklang mit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 9. Februar 1954 (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1954 S. 215 = Deutsche Notar-Zeitschrift 1954 S. 657), das zur damaligen Zeit große Beachtung fand. Die seinerzeit vorhandene Rechtsunsicherheit wurde durch das Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959 (siehe oben) beseitigt. Wegen seiner vorsichtigen Haltung ist somit ein Vorwurf gegen das Finanzamt nicht möglich. Die Behauptung der Bfin., ihr seien aus der Verzögerung der Angelegenheit Vermögensnachteile entstanden, ist vom Finanzamt bestritten worden. Beweise hat die Bfin. nicht angeboten.

Auch darin, daß das Finanzamt nach Eingang des Vertrages vom 1. August 1958 zunächst keine genaueren Ermittlungen über die geplanten Baumaßnahmen anstellte, sondern die Unbedenklichkeitsbescheinigung im Vorwege erteilte, die Akte bis 1. Juni 1959 auf Frist legte und das weitere Verhalten der Bfin. abwartete, kann eine Verletzung von Treu und Glauben nicht erblickt werden. Es war der Entschließung des dafür ausschließlich zuständigen Finanzamts vorbehalten, ob es sofort die erforderlichen Ermittlungen aufnehmen oder zunächst eine gewisse übergangszeit verstreichen lassen wollte. Soweit die Bfin. nach dem 26. November 1958 über die künftigen Maßnahmen des Finanzamts im Ungewissen war, hatte sie die Möglichkeit, sich zu erkundigen.

Im übrigen kann nur wiederholt werden, daß nicht der Zeitablauf allein ausreicht - dafür wäre im übrigen eine Frist von 10 1/2 Monaten viel zu kurz -, um im Hinblick auf Treu und Glauben eine Verwirkung anzunehmen; vielmehr ist ein Gesamtverhalten des Finanzamts erforderlich, aus dem die Steuerpflichtige folgern konnte, daß der Steueranspruch nicht mehr geltend gemacht werden würde; ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410627

BStBl III 1963, 219

BFHE 1963, 601

BFHE 76, 601

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