Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren

 

Leitsatz (NV)

Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person Revision oder Beschwerde eingelegt, ist die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nur zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist nur der Fall, wenn der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist sein Gesuch um Bewilligung von PKH zusammen mit den erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 117

 

Tatbestand

Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) begehrte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1992 die Berücksichtigung von Aufwendungen für seine pflegebedürftige Mutter in Höhe von ... DM als außergewöhnliche Belastung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gewährte lediglich den Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 1 800 DM. Den hiergegen erhobenen Einspruch verwarf das FA wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, das FA habe den Einspruch zu Recht als verfristet verworfen. Gegen einen zunächst ergangenen Gerichtsbescheid hatte der Kläger verspätet mündliche Verhandlung beantragt. Das FG hatte ihm indes wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf mündliche Verhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die vom Kläger gegen das Urteil des FG persönlich erhobene Beschwerde verwarf der Senat als unzulässig, da der Kläger nicht gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten war.

Mit von ihm persönlich unterzeichneten Schriftsatz wendet sich der Kläger erneut gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG. Er trägt vor, der Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe seine, des Klägers, Nichtzulassungsbeschwerde zu Unrecht verworfen. Denn das FG habe die Beschwerde dem BFH vorgelegt, obwohl es den Mangel in der Vertretung der zu der Verwerfung der Beschwerde geführt habe, hätte erkennen können. Im übrigen habe das FG seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben. Das habe der Senat nicht beachtet. Der Kläger bittet um Kostenfreiheit und um die Benennung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem BFH. Ferner bittet er um Erstattung des von ihm auf den Kostenansatz des FG überwiesenen Betrags.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat wertet das Vorbringen des Klägers nicht als erneute Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG. Wie sich aus der Bitte des Klägers um Kostenfreiheit und um Benennung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem BFH ergibt, begehrt er in dem vorliegenden Verfahren zunächst die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das von ihm erst angekündigte Beschwerdeverfahren, mit dem er ein weiteres Mal die Zulassung der Revision erreichen will.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als Maßnahme der PKH kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) in Betracht, wenn sie erforderlich erscheint oder die Vertretung durch einen solchen Berufsangehörigen als Prozeßbevollmächtigten vorgeschrieben ist.

Dem Antrag auf Bewilligung von PKH sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 3001) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).

Wird PKH für die Durchführung eines finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird nicht zugleich durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person Revision oder Beschwerde eingelegt, ist die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nur zu bejahen, wenn dem Rechtsmittelführer wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn der Antragsteller (Rechtsmittelführer) innerhalb der Rechtsmittelfrist sein Gesuch um Bewilligung von PKH zusammen mit den nach § 142 FGO i. V. m. § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, sofern er nicht ohne sein Verschulden auch hieran gehindert war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 13, § 142 Anm. 12, m. w. N.).

2. Hiervon ausgehend gelangt der Senat nicht zur Prüfung der materiellen Erfolgsaussichten der vom Antragsteller beabsichtigten erneuten Nichtzulassungsbeschwerde.

Würde die nochmalige Beschwerde nunmehr von einem vor dem BFH vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten eingelegt, wäre sie wegen Versäumung der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO), die durch die Zustellung des Urteils des FG mit Postzustellungsurkunde in Lauf gesetzt wurde, als unzulässig zu verwerfen. Das Gleiche gälte, wenn bereits der vom Kläger persönlich unterzeichnete Schriftsatz als Beschwerde anzusehen wäre. Auch mit diesem Schriftsatz hätte der Kläger die einmonatige Beschwerdefrist nicht gewahrt. Darüber hinaus wäre das Rechtsmittel bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht zum Kreis der Personen gehört, die eine (zulässige) Beschwerde beim BFH einlegen können. Denn nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte -- ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden -- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). In der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist der Kläger auf das Erfordernis der Vertretung durch einen der betreffenden Berufsangehörigen hingewiesen worden. Das Gleiche wurde dem Kläger nochmals in dem Beschluß des Senats ... mitgeteilt. Abgesehen von dem Fristversäumnis wäre auch eine nachträgliche Genehmigung der Beschwerdeeinlegung des Klägers durch einen zugelassenen Vertreter ausgeschlossen (BFH-Beschluß vom 15. Februar 1991 IV R 114/90, BFH/NV 1992, 481).

Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist käme nicht in Betracht. Wie oben dargelegt, setzt in Fällen, in denen ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen befugten Vertreter beim BFH fristgerecht einzulegen, die Wiedereinsetzung voraus, daß der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Er muß daher bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Dazu gehört, daß der Antragsteller innerhalb dieser Frist das Gesuch um PKH und auch die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der vorgeschriebenen Form (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO) einreicht, sofern er nicht auch hieran wiederum ohne sein Verschulden gehindert ist (BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557).

Da der Kläger indes weder innerhalb der Beschwerdefrist noch später seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt und auch nicht den vorgeschriebenen Vordruck eingereicht hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Antrags auf Bewilligung von PKH nach §§ 142 Abs. 1 FGO, 117 Abs. 4 ZPO. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck ist unverzichtbar, wenn die erforderlichen Angaben nicht anderweitig und in vergleichbarer übersichtlicher Weise vorliegen (BFH-Beschluß vom 24. Februar 1993 IX B 70/92, BFH/NV 1993, 682). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen ordnungsgemäßen Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und damit für eine mögliche Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist hat der Kläger nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

3. Soweit der Kläger in dem vorliegenden Verfahren auch die Erstattung des auf die Kostenrechnung des FG geleisteten Betrags geltend macht, ist der BFH nicht zuständig. Gemäß § 155 FGO i. V. m. § 5 des Gerichtskostengesetzes entscheidet über Erinnerungen des Kostenschuldners gegen den Kostenansatz das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, hier somit das FG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422042

BFH/NV 1997, 702

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