Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Richterausschluß bei Mißbrauch des Ablehnungsrechts

 

Leitsatz (NV)

Die Gerichte dürfen Ablehnungsgesuche unberücksichtigt lassen, wenn sich aus der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers oder aus der wiederholten Anbringung von Ablehnungsgesuchen ohne ausreichende Gründe ergibt, daß das Ablehnungsrecht mißbraucht wird.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger hat beim Finanzgericht (FG) mehrere Klagen erhoben. Er hat die Richter A, B und C wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie gegen ihn bisher wissentlich nur Fehlurteile gefällt hätten. Sie hätten nicht darauf geachtet, daß die Akten vollständig gewesen seien; sie hätten ferner bei den Entscheidungen gewisse Unterlagen nicht berücksichtigt.

Das FG (Besetzung: A, B und C) wies die Befangenheitsanträge ab, da es dem Kläger für seine Ablehnungsgesuche an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe. Die Ablehnungsgesuche seien mißbräuchlich in Verschleppungsabsicht gestellt worden. Die an den Verfahren des Klägers beteiligten Richter würden grundsätzlich von ihm als befangen abgelehnt werden, sobald sie die von ihm beantragten Fristverlängerungen nicht mehr gewährten. Der nunmehr gegen alle Senatsmitglieder erhobene Vorwurf, bisher wissentlich nur Fehlurteile gefällt zu haben, sei nur vorgegeben.

Gegen diese Beschlüsse des FG wendet sich der Kläger mit seinen Beschwerden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden sind zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß das FG inzwischen (unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter) zu den jeweiligen Hauptsachen entschieden hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217).

Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.

Ein Richter kann nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt ein solcher Fall nur dann vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme hat, der Richter werde sich aus einem in seiner Person liegenden Grund bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen (vgl. Beschluß vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 527).

Die Gerichte dürfen Ablehnungsgesuche unberücksichtigt lassen, wenn sich aus der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers oder aus der wiederholten Anbringung von Ablehnungsgesuchen ohne ausreichende Gründe ergibt, daß das Ablehnungsrecht mißbraucht wird (BFH-Beschluß vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1982 2 BvR 433/82, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 51, Rechtsspruch 43). Über solche mißbräuchlichen Ablehnungsgesuche entscheidet das Gericht in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, d. h. unter Mitwirkung auch der abgelehnten Richter (BFH-Beschluß vom 2. Juli 1976 III R 24/74, BFHE 119, 227, BStBl II 1976, 627).

In den hier vorliegenden Fällen hat das FG zu Recht angenommen, daß die vom Kläger gestellten Ablehnungsanträge rechtsmißbräuchlich waren. Der Kläger hat wiederholt Richter des FG abgelehnt, ohne daß hierfür ausreichende Gründe vorlagen (. . .). Wie bereits früher, so hat der Kläger auch mit den vorliegenden Ablehnungsgesuchen versucht, den gesamten Senat des FG von der Entscheidung über seine Klagen ohne hinreichenden Grund auszuschließen. Es ist aus dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, woraus er schließen zu müssen glaubt, die von ihm abgelehnten Richter hätten wissentlich Fehlurteile gefällt. Ebensowenig ist erkennbar, aus welchen Umständen der Kläger folgert, die abgelehnten Richter hätten nicht auf die Vollständigkeit der Akten geachtet, sie hätten überdies bei der Rechtsfindung entscheidungserhebliche Unterlagen nicht berücksichtigt und ihn - den Kläger - schließlich durch telefonische Anrufe, Beschlüsse und Urteile ,,vermögensrechtlich schwer geschädigt".

Da die Richterablehnung somit als rechtsmißbräuchlich anzusehen war, konnten die Beschwerden gegen die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 92

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge