Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

Aussetzung der Verhandlung in einer Grunderwerbsteuersache bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits

 

Normenkette

FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Bauunternehmer und war im Jahre 1974 einziger Gesellschafter einer GmbH. Von ihr kaufte er am 16. September 1974 neun Eigentumswohnungen für . . . DM. Für diesen Erwerbsvorgang setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Grunderwerbsteuer auf . . . DM fest. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1980 stellte der Prüfer fest, daß 1975 über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden war, daß der Konkursverwalter den Kaufvertrag vom 16. September 1974 angefochten und die Rückauflassung der Eigentumswohnungen verlangt hatte. Der darüber entstandene Rechtsstreit war durch einen Vergleich vom 2. Mai 1977 beigelegt worden. Darin hatte sich der Kläger verpflichtet, den Unterschiedsbetrag zwischen dem im Kaufvertrag vereinbarten und dem vom FA für angemessen erachteten Kaufpreis, nämlich insgesamt . . . DM, an den Konkursverwalter zu zahlen. Auf Grund dieses Sachverhalts erhöhte das FA die Grunderwerbsteuer durch einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 14. Oktober 1981 auf . . . DM. Hiergegen hat der Kläger (nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren) Klage erhoben. Diese Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen V 68/82 anhängig.

Während dieses Klageverfahrens kam das FA zu der Ansicht, es habe den angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1981 zu Unrecht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt. Bei richtiger Sachbehandlung sei nicht ein Änderungs-, sondern ein Ergänzungsbescheid zu erteilen gewesen. Es setzte durch einen auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom 16. März 1983 die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom 16. September 1974 (Bemessungsgrundlage . . . DM) auf . . . DM und durch geänderten Ergänzungsbescheid vom 29. April 1983 die Grunderwerbsteuer für die Zahlung von . . . DM auf . . . DM fest. Gegen beide Bescheide hat der Kläger (nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren) Klage erhoben. Die Klage ist beim FG anhängig unter dem Aktenzeichen V K 19/84.

Das FG hat am 22. Mai 1984 im Verfahren V 68/82 beschlossen, das Verfahren ,,analog § 74 FGO" auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Klageverfahren V K 19/84. Es hat sich hierbei gestützt auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72 (BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).

Mit seiner Beschwerde beantragt der Kläger, den Aussetzungsbeschluß aufzuheben. Er macht geltend, die Ausführungen des Großen Senats des BFH in der bezeichneten Entscheidung seien im vorliegenden Falle nicht einschlägig.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

Das FG durfte die Entscheidung des Rechtsstreits FG V 68/82 aussetzen bis zur Erledigung des Rechtsstreits FG V K 19/84. Das folgt aus einer analogen Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsstreits abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Der BFH hat in dem erwähnten Beschluß des Großen Senats diese Vorschrift für entsprechend anwendbar erachtet in einem Fall, in dem während des Revisionsverfahrens der umstrittene Bescheid nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigt und mit dem Einspruch angefochten, ein Antrag nach § 68 FGO aber nicht gestellt worden war. Er hat entschieden, daß das Verfahren gegen den Berichtigungsbescheid Vorrang haben müsse und demzufolge das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid auszusetzen sei bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Berichtigungsbescheid. Er ist dabei davon ausgegangen, daß der Berichtigungsbescheid den ursprünglichen Bescheid in seinen Regelungsinhalt mit aufnehme. Der ursprüngliche Bescheid bleibe in dem Umfange, in dem er in den Berichtigungsbescheid aufgenommen worden sei, suspendiert und bleibe dies für die Dauer der Wirksamkeit des Berichtigungsbescheids. Dementsprechend erscheint eine analoge Anwendung des § 74 FGO auch im vorliegenden Falle als zulässig. Zwar gleicht der vorliegende Sachverhalt nicht völlig dem, der der Entscheidung des Großen Senats zugrunde gelegen hat: Anders als dort geht hier der Regelungsinhalt des ursprünglichen Bescheids nicht in einem Änderungsbescheid, sondern in einem Änderungsbescheid und einem Ergänzungsbescheid auf; auch handelt es sich nicht um die Änderung eines während des Revisionsverfahrens geänderten und mit Einspruch angefochtenen Bescheids, sondern um zwei während des Klageverfahrens ergangene Bescheide (Änderungsbescheid und Ergänzungsbescheid), die beide mit der Klage angefochten sind. Aber entsprechend der vom Großen Senat gegebenen Auslegung des § 74 FGO ist eine Aussetzung der Verhandlung auch im vorliegenden Fall nicht ermessensfehlerhaft.

Widerspruchsfreie Entscheidungen in beiden Verfahren ließen sich aber möglicherweise auch dadurch erreichen, daß das FG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - den Aussetzungsbeschluß aufhebt, das Verfahren fortsetzt und die beiden Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbindet (§ 73 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413862

BFH/NV 1986, 221

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