Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollmacht muß beim sachlich und funktionell zuständigen Gericht vorliegen

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Vollmacht ist jedenfalls erst dann zu den Gerichtsakten abgegeben, wenn sie dem sachlich und funktionell zuständigen Gericht vorliegt. Offen bleibt, ob die Vollmacht auch dem jeweils zur Entscheidung berufenen Spruchkörper des Gerichts vorliegen muß.

2. Die Vorlage der Vollmacht durch den Prozeßbevollmächtigten kann nicht deshalb unterbleiben, weil in einer anderen bei dem Finanzgericht anhängigen Sache eine Vollmacht vorgelegt worden ist.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3; ZPO § 80 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nrn. 1, 4; VGFGEntlG Art. 3 § 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat nach Rücknahme der Klage das Verfahren durch Beschluß eingestellt und den als Prozeßbevollmächtigten aufgetretenen Rechtsanwälten R, W und M als vollmachtslosen Vertretern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit der von Rechtsanwalt U eingelegten Beschwerde wird vorgebracht, daß die ,,diesseitigen Verfahrensbevollmächtigten . . . nicht wegen fehlender Vollmacht mit den Verfahrenskosten belastet werden (konnten)", weil in einem vor einem anderen Senat des FG anhängigen Verfahren die Bevollmächtigung ordnungsgemäß nachgewiesen sei. Diese Vollmacht erstrecke sich auf die steuerlichen Angelegenheiten des Mandanten insgesamt und damit auch auf das vorliegende Verfahren. Es werde beantragt, diese Vollmacht zum Verfahren beizuziehen. Zum Beweis dafür, daß eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vorliege, werde der Mandant als Zeuge benannt.

Die von Rechtsanwalt U unterzeichnete Beschwerdeschrift ist auf einem Briefkopf der Anwaltssozietät R, W, U abgefaßt. Mit Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 6. Oktober 1988 an diese Sozietät ist den Prozeßbevollmächtigten zur Vorlage der Vollmacht eine Frist mit ausschließlicher Wirkung bis 31. Oktober 1988 gesetzt worden. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1988 teilte Rechtsanwalt U mit, daß eine Vollmacht für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht vorgelegt werden könne, da sich der Kläger seit Jahren im asiatischen Raum aufhalte; seine Adresse sei nicht feststellbar. Die Prozeßbevollmächtigten seien jedoch umfassend bevollmächtigt; diese Vollmacht sei bereits im ersten Parallelverfahren vorgelegt worden und sie sei noch nicht erloschen. Es werde beantragt, diesen Vollmachtsnachweis zu Beweiszwecken beizuziehen. Einer Vollmachtsvorlage bedürfe es aber im übrigen nicht, weil die Prozeßbevollmächtigten durch die Entscheidung des FG unmittelbar beschwert seien und sich gegen die Kostenentscheidung des FG aufgrund eigenen Rechtsmittels wehren könnten.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) hält die Beschwerde für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Gemäß Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ist gegen eine Entscheidung des FG in Streitigkeiten über Kosten die Beschwerde nicht statthaft. Zu Streitigkeiten dieser Art gehört auch die im vorliegenden Fall zu beurteilende Entscheidung des FG, die Kosten dem angeblichen Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1979 VII B 48/76, BFHE 129, 304, BStBl II 1980, 199). Zum gleichen Ergebnis käme der Senat, wenn die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des FG als Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten selbst beurteilt würde.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem als Prozeßbevollmächtigten vor dem BFH aufgetretenen Rechtsanwalt U aufzuerlegen, da er die erfolglose Prozeßführung veranlaßt hat. Weder die Sozietät noch er persönlich hat eine Vollmacht vorgelegt. Eine Vollmachtsvorlage konnte auch nicht deshalb unterbleiben, weil in einer anderen bei dem FG anhängigen Sache eine Vollmacht vorgelegt worden sei. Damit ist die Vollmacht nicht zu den Gerichtsakten abgegeben (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 80 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Gerichtsakten im Sinn der zuletzt genannten Vorschrift sind jedenfalls die Akten des sachlich und funktionell zuständigen Gerichts, hier also des BFH (vgl. § 2 FGO), nicht aber irgendeines oder eines funktionell nicht zuständigen Gerichts. Offenbleiben kann, ob es genügt, daß die Vollmacht dem Gericht als behördliche Einrichtung vorliegt oder ob - wofür die Ausdrucksweise in § 80 Abs. 1 ZPO ,,zu den Gerichtsakten" spricht - die Vollmacht dem jeweils zur Entscheidung berufenen Spruchkörper, d. h. dem Gericht im prozessualen Sinn, vorliegen muß. Keine der beiden Alternativen ist im Streitfall gegeben, denn die Vollmacht ist dem BFH nicht vorgelegt worden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 797

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