Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

Besteht bei Veräußerung eines Wirtschaftsguts die Möglichkeit, daß die für den Erwerber angesetzten Kaufpreisanteile zu ändern sind, so ist der Veräußerer dem finanzgerichtlichen Verfahren auf Veranlassung des FA beizuladen.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4-5

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 30. Januar 1987 das Gut X. Nach den Vertragsbestimmungen sollten Besitz, Nutzungen und Lasten der Forstgrundstücke zum 1. April 1987 auf die Klägerin übergehen, nicht jedoch vor Zahlung der ersten Kaufpreisrate, deren Fälligkeit in § 6a bis f des Vertrages geregelt ist. Zum 1. Januar 1988 sollten Besitz, Nutzen und Lasten der landwirtschaftlichen Flächen auf die Klägerin übergehen, nicht jedoch vor Zahlung der zweiten am 31. Dezember 1987 fälligen Kaufpreisrate. Die Hofstelle mit Umgriff sollte zum 1. Februar 1989 in den Besitz der Erwerberin übergehen, nicht jedoch vor Zahlung der am 31. Januar 1989 fälligen dritten Kaufpreisrate.

Die Klägerin teilte den Gesamtkaufpreis entsprechend den auf die einzelnen Grundstücke entfallenden Kaufpreisraten auf. Zur Aufteilung des Forstgrundes und der Bestockung ging sie von einem Gutachten aus, wonach der Grund und Boden mit ... DM pro qm angesetzt wurde.

Für die Streitjahre ergaben sich danach Verluste aus Land- und Forstwirtschaft und aus Vermietung und Verpachtung, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zunächst übernahm. Aufgrund einer Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) änderte das FA die Feststellungsbescheide und ging nunmehr von folgender Kaufpreisaufteilung aus:

Forst: ... DM

Feldflächen: ... DM

Gebäude mit Umgriff: ... DM

Sonstige Anlagen: ... DM

Dadurch veränderten sich die Verluste aus Land- und Forstwirtschaft und aus Vermietung und Verpachtung. Die Veränderungen stellen sich wie folgt dar:

1987 1988

Klägerin FA Klägerin FA

DM DM DM DM

Verluste aus Land-

und Forstwirtschaft ... ... ... ...

Verluste aus Vermietung

und Verpachtung ... ... ... ...

Dagegen richtet sich die Sprungklage, der das FA zugestimmt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, die im Kaufvertrag vereinbarten Teilbeträge seien aufgrund der Koppelung mit dem jeweiligen Besitzübergang auch für die steuerliche Kaufpreisaufteilung maßgebend. Im übrigen hat sie Einwendungen gegen die auf den Wertermittlungen der OFD beruhende Kaufpreisaufteilung erhoben und auf das Gutachten eines Forstsachverständigen zum Bodenwert des Forstes verwiesen.

Auf Antrag des FA hat das Finanzgericht (FG) den Veräußerer (Beschwerdeführer) gemäß § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) beigeladen, weil die Möglichkeit bestehe, daß die vom FA angesetzten Kaufpreisanteile zu ändern seien und dies Auswirkungen auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Beigeladenen haben könne.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Beigeladene geltend, die Beiladung widerspreche Recht und Gesetz, da seine Interessen nicht berührt seien. Nach einer Betriebsprüfung sei seiner Besteuerung der richtige Kaufpreisanteil zugrunde gelegt worden. Danach habe er seine betrieblichen Reinvestitionen ausgerichtet. Die Beiladung sei im übrigen ermessensmißbräuchlich, denn das FA habe seine, des Beigeladenen, Bewertung und Kaufpreisaufteilung bisher für zutreffend gehalten und ihn daher nicht zum Einspruchsverfahren zugezogen. Die Beiladung verstoße daher auch gegen Treu und Glauben.

Der Beigeladene beantragt, den Beiladungsbeschluß nach mündlicher Verhandlung aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 angenommen mit der Folge, daß dem Beigeladenen die Rechtsstellung eines notwendig Beigeladenen i.S. von § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zukommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Augsut 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344).

1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO 1977 ist die Beiladung eines Dritten - unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 FGO - zulässig, wenn ein Steuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei dem Dritten zu ziehen sind. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO 1977). Voraussetzung ist ferner, daß das FA die Beiladung des Dritten beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, besteht im Streitfall die Möglichkeit, daß die vom FA für die Klägerin angesetzten Kaufpreisanteile zu ändern sind, sei es, daß der im Kaufvertrag zugrunde liegenden Aufteilung und damit dem Klagebegehren zu folgen ist, oder daß aufgrund von Teilgutachten unterschiedliche Werte anzusetzen sind. Ein veränderter Wertansatz auch des Kaufpreisanteils für den Forst hätte zur Folge, daß auch der Veräußerungsgewinn des Beigeladenen neu zu ermitteln und damit dessen Besteuerung betroffen sein könnte. Für die Beiladung nach § 174 Abs. 5 AO 1977, die die Entscheidung der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf (BFH-Beschluß vom 19. Mai 1981 VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633), genügt die nicht fernliegende Möglichkeit eines Obsiegens der Klägerin aus den genannten Gründen.

Bei dieser Sachlage mußte das FG dem Antrag des FA entsprechen und den Beschwerdeführer nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 beiladen. Eine Hinzuziehung im Einspruchsverfahren konnte schon deshalb nicht erfolgen, weil ein solches nicht stattgefunden hat. In der Hauptsache ist eine Sprungklage (§ 45 Abs. 1 FGO) anhängig.

Das FG hat es in diesem Verfahren auch zu Recht abgelehnt zu prüfen, ob einer Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber dem Beschwerdeführer der Grundsatz von Treu und Glauben oder die erhöhte Bestandskraft nach § 173 Abs. 2 AO 1977 entgegensteht. Die Beiladung nach § 175 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 dient allein der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314). Das beiladende Gericht kann und muß sich darauf beschränken, eine mögliche irrige Sachverhaltsbeurteilung festzustellen. Die sonstigen formellen und materiellen Voraussetzungen für einen Änderungsbescheid sind keine Beiladungserfordernisse. Sie sind - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - erst bei Erlaß des Änderungsbescheides zu berücksichtigen und gegebenenfalls auch gerichtlich zu überprüfen (BFH in BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633). Bei dieser Sachlage ist auch nicht erkennbar, daß der Beiladungsantrag des FA ermessensmißbräuchlich gewesen sein könnte. Dieser Antrag ist auf eine frühzeitige Beteiligung des Beschwerdeführers am Verfahren gerichtet und soll dessen zutreffende Besteuerung gewährleisten. Damit entspricht der Beiladungsantrag dem Zweck der Ermächtigung in § 174 Abs. 5 AO 1977 (§ 5 AO 1977). Daß dem Beiladungsantrag sachfremde Erwägungen des FA zugrunde gelegen haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 681

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