Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung trotz nur teilweisen Obsiegens des Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (NV)

1. Hat das FA dem Begehren des Steuerpflichtigen nur teilweise entsprochen und haben die Beteiligten daraufhin den Rechtsstreit gleichwohl in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so ist über die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 i. V. mit § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zu entscheiden.

2. Kann davon ausgegangen werden, daß die Beteiligten - möglicherweise im Wege einer ,,tatsächlichen Verständigung" (siehe hierzu das BFH-Urteil vom 11. 12. 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354) - den Sachverhalt zugrunde gelegt haben, der nach übereinstimmender Auffassung der zutreffende ist, so entspricht es auch billigem Ermessen (§ 138 Abs. 1 FGO), wenn es insgesamt bei der Kostenaufteilung entsprechend dem Obsiegen des Steuerpflichtigen (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO) verbleibt.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) nahm in den Jahren 1974 bis 1978 eine Großinvestition im Umfang von ca. . . . DM vor. Für die in den Streitjahren (1975 und 1976) angefallenen Aufwendungen beantragte sie Investitionszulagen nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975.

Der Begklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) forderte im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung die zunächst antragsgemäß gewährten Zulagen wegen verfrühter, noch vor Beginn des Begünstigungszeitraumes vorgenommener Bestellungen teilweise wieder zurück (für 1975 im Umfang von . . . DM und für 1976 in einem solchen von . . . DM); außerdem verlangte das FA jeweils die gesetzlichen Zinsen.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte im zweiten Rechtsgang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob nunmehr die Änderungs- und Zinsbescheide ersatzlos auf. Es war der Auffassung, daß im Streitfall auch § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - (i. V. m. § 5 Abs. 5 InvZulG 1977) keine hinreichende Änderungsbefugnis gewähre. Dem FA sei wegen Verletzung seiner Ermittlungspflichten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Bescheidänderung verwehrt.

Dagegen wandte sich das FA mit der Revision. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ergab sich, daß unabhängig von der Frage von Treu und Glauben ein - zumindest teilweises - Obsiegen der Klägerin auch aus materiell-rechtlichen Gründen (u. a. wegen der fristgerechten Anschaffung einzelner, selbständiger Wirtschaftsgüter) nicht ausgeschlossen werden könne. Um dies abschließend beurteilen zu können, hätten aber vorab noch die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden müssen.

Auf die Anfrage des Vorsitzenden des erkennenden Senats, ob die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit sähen, den Rechtsstreit außergerichtlich zu erledigen, erließ das FA schließlich am 11. April 1990 geänderte Zulagenbescheide. Danach werden an die Klägerin für 1975 . . . DM und für 1976 . . . DM Investitionszulage zuzüglich jeweils der hälftige Zinsbetrag zurückbezahlt. Die Beteiligten erklärten außerdem übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Anträge zur Kostenentscheidung haben sie nicht gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Das Urteil des FG ist durch die übereinstimmende Erledigungserklärung gegenstandslos geworden. Es ist nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden.

Der Senat hält es für angemessen, die Kosten des Rechtsstreits den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

1. Hat das FA - wie im Streitfall - dem Begehren des Steuerpflichtigen nur teilweise entsprochen und haben die Beteiligten daraufhin den Rechtsstreit gleichwohl in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so ist über die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 i. V. m. § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu entscheiden (siehe dazu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 138 Anm. 35, mit entsprechenden Rechtsprechungshinweisen). Die Kosten sind danach gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO der Behörde jedenfalls insoweit aufzuerlegen, als sich der Rechtsstreit dadurch erledigt hat, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben wurde.

2. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze haben die Beteiligten die Kosten je zur Hälfte zu tragen.

Das FA erstattet der Klägerin aufgrund der Änderungsbescheide vom 11. April 1990 . . . DM zuzüglich die Hälfte der Zinsen zurück. Die Änderungsbescheide haben mithin (im Vergleich zu den angefochtenen Rückforderungsbescheiden über . . . DM zuzüglich Zinsen) zu einem Erfolg der Klägerin in Höhe von 50 v. H. geführt.

Ob die Klägerin in einem dritten Rechtsgang im selben Umfang obgesiegt hätte, läßt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch nicht mit annähernder Wahrscheinlichkeit sagen. Denn das FG hatte die nach Auffassung des Senats entscheidenden Tatsachen noch nicht festgestellt; sie können auch nicht den vorliegenden Akten entnommen werden.

Der Senat geht daher davon aus, daß die Beteiligten - möglicherweise im Wege einer ,,tatsächlichen Verständigung" (siehe hierzu das BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354) - den Sachverhalt zugrunde gelegt haben, der nach übereinstimmender Auffassung der zutreffende ist. So entspricht es auch billigem Ermessen (§ 138 Abs. 1 FGO), wenn es insgesamt bei der Kostenaufteilung entsprechend dem Obsiegen der Klägerin verbleibt (vgl. im übrigen zu einem Fall des teilweisen Obsiegens auch den Beschluß des BFH vom 13. August 1986 V R 112/80, BFH/NV 1987, 54).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417164

BFH/NV 1991, 181

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