Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beschwerde gegen den Beschluß des FG nach § 69 FGO; keine einstweilige Anordnung bei Möglichkeit eines Aussetzungsantrags

 

Leitsatz (NV)

1. Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ist gültig.

2. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde in einem Beschluß des FG nach § 69 FGO ist nicht statthaft.

3. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, wenn ein Aussetzungsantrag nach § 69 FGO möglich ist.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; FGO §§ 69, 114

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist Milcherzeuger. Mit Schreiben vom Juni 1985 teilte die Molkerei, an die er die Milch abliefert, diesem die Abrechnung für das Milchwirtschaftsjahr 1984/85 mit. Danach betrug die Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) 335 600 kg, während der Antragsteller 520 710 kg abgeliefert hatte. Daraus errechnete die Molkerei eine Abgabe nach der MGVO (im folgenden Milchabgabe) in Höhe von 81 861,54 DM. Darauf beantragte der Antragsteller beim FG die ,,Aussetzung der Vollziehung der Abgabenerhebung der Molkerei" sowie die Anordnung, daß ,,die Molkerei bei der Berechnung der Referenzmenge von einer Anlieferungsmenge von 702 000 kg auszugehen hat".

Das FG wies die Anträge mit folgender Begründung zurück:

Der Aussetzungsantrag richte sich nicht auf die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes, da die Abgabenberechnung der Molkerei kein Verwaltungsakt sei. Eine Aussetzung komme lediglich hinsichtlich der Abgabenanmeldung der Molkerei in Betracht. Die Auslegung des Antrags des Antragstellers und seiner Begründung ergebe aber, daß dieser nicht die Aussetzung der Vollziehung einer Abgabenanmeldung beantragt habe.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung richte sich gegen die Molkerei. Dieses Begehren könne das HZA nicht erfüllen. Der Antrag gehe ins Leere. Im übrigen komme in Bezug auf das HZA nur ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Abgabenfestsetzung in Betracht. Soweit nur die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden könne, scheide ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung aus (§ 114 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Beschwerde wegen des Aussetzungsantrages hat das FG mit der Begründung nicht zugelassen, der Rechtsstreit habe insoweit keine grundsätzliche Bedeutung (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller, die Vorentscheidung aufzuheben und entweder nach seinen Anträgen in der Vorinstanz zu entscheiden oder die Sache an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung führt er u. a. aus:

Die Nichtzulassung der Beschwerde wegen des Aussetzungsantrages sei ungerechtfertigt. Ein BFHEntlG gebe es nicht. § 115 FGO beziehe sich allein auf die Revision. Falls § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aber auf die Beschwerde anwendbar sei, habe das FG verkannt, daß der vorliegende Rechtsstreit durchaus grundsätzliche Bedeutung habe. Hilfsweise werde daher beantragt, diesen Vortrag als selbständige Beschwerde i. S. des § 115 Abs. 3 FGO gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im vorliegenden Fall anzusehen.

Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung richte sich ,,nicht (mehr)" gegen die Molkerei, wie das FG angenommen habe, sondern im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Juli 1985 VII B 53/85 (BFHE 143, 523, BStBl II 1985, 553) gegen das zuständige HZA. Im Vorprozeß, der zu der zitierten BFH-Entscheidung geführt habe, habe sein Prozeßbevollmächtigter den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung noch gegen die Molkerei gerichtet. Genau das sei damals aber ins Leere gegangen. Es könne nicht Rechtens sein, daß die Passivlegitimation von den verschiedenen Stufen der Finanzgerichtsbarkeit jeweils zu Lasten des steuerpflichtigen Bürgers ausgelegt werde.

Auf den Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats auf die Vorschriften des BFHEntlG trägt der Antragsteller folgendes vor: Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG sei jedenfalls unwirksam, weil seine Weiterexistenz neben Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit des Art. 20 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar sei. Neueres Recht setze älteres Recht außer Kraft. Es gebe zwei Entlastungsgesetze, die beide die Materie ,,Entlastung" regelten. Das spätere Entlastungsgesetz möge andere Entlastungsschwerpunkte als das frühere setzen. Auf jeden Fall gelte die in dem späteren Gesetz vorgesehene Entlastung. Selbst wenn jedoch das alte Entlastungsgesetz als Spezialgesetz teilweise noch wirksam sein sollte, gelte das jedenfalls nicht für seinen Art. 1 Nr. 3. Denn der schränke § 69 FGO auf Zeit ein genau wie Art. 3 § 7 VGFGEntlG.

Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde gegen die Vorentscheidung ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung des FG über den Aussetzungsantrag richtet.

Nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG steht den Beteiligten gegen den Beschluß nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Entscheidung des FG über den Aussetzungsantrag des Antragstellers ist ein Beschluß nach § 69 Abs. 3 FGO. Das FG hat die Beschwerde ausdrücklich nicht zugelassen. Die Beschwerde ist daher insoweit nicht statthaft.

Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ist im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers gültig. Seine Gültigkeit ist durch den Erlaß des VGFGEntlG nicht berührt worden. Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller auf den Grundsatz, das spätere VGFGEntlG gehe dem BFHEntlG vor. Die Frage des Vorrangs eines späteren Gesetzes gegenüber einem früher erlassenen stellt sich nur, wenn beide Gesetze ein und denselben Sachverhalt erfassen (vgl. z. B. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 255 ff.). Dies ist hier aber nicht der Fall. Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG regelt allein die Frage, ob gegen den Beschluß des FG in Aussetzungssachen die Beschwerde an den BFH statthaft ist. Das VGFGEntlG enthält keine damit in Konkurrenz stehende Regelung. Es befaßt sich mit der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO nur in Art. 3 § 7 VGFGEntlG und regelt dort allein die Frage der Zulässigkeit des Aussetzungsantrages, also eine von der Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Aussetzungsentscheidung des FG zu unterscheidende Frage.

Auch sonst ergibt sich keine Gesetzeskonkurrenz zwischen den beiden genannten Gesetzen. Der Umstand allein, daß beide Gesetze nach ihrer Überschrift zur Entlastung der Gerichte führen sollen, belegt noch nicht, daß das spätere VGFGEntlG dem BFHEntlG vorgehen soll. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber das BFHEntlG auch nach Erlaß des VGFGEntlG mehrfach geändert hat.

2. Auch die hilfsweise erhobene Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Eine solche Beschwerde ist als bedingtes Rechtsmittel unzulässig (Beschluß des Senats vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603). Überdies ist nach dem BFHEntlG eine solche Beschwerde nicht statthaft (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1976 VI B 144/75, BFHE 117, 440, BStBl II 1976, 120, und vom 22. Januar 1976 V B 91/75, BFHE 117, 531, BStBl II 1976, 241).

3. Die Beschwerde des Antragstellers ist insoweit zulässig, als sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch das FG richtet (vgl. § 128 FGO). Sie ist jedoch nicht begründet.

Es kann unentschieden bleiben, ob entgegen der Auffassung des FG der entsprechende Antrag des Antragstellers dahingehend umgedeutet werden kann, daß er sich nicht gegen die Molkerei richtet. Auch wenn eine solche Umdeutung trotz des Umstandes möglich wäre, daß der Antragsteller auch in der Vorinstanz durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist dieser Antrag zumindest deswegen zu Recht vom FG als unzulässig betrachtet worden, weil ihm § 114 Abs. 5 FGO entgegensteht. Bei diesem Antrag geht es entweder um die Festsetzung einer bestimmten Anlieferungs-Referenzmenge im Sinne der MGVO oder um die Festsetzung der Milchabgabe unter Zugrundelegung einer bestimmten Referenzmenge. In beiden Fällen sind die entsprechenden Verwaltungsakte der Aussetzung der Vollziehung zugänglich (vgl. auch Beschluß vom 17. Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289). Das FG hat den Antrag daher zu Recht als unzulässig verworfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414601

BFH/NV 1987, 180

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge