Leitsatz (amtlich)

Wegen der Nichtzulassung der Beschwerde gegen Entscheidungen der FG im Verfahren nach § 69 Abs. 3 und Abs. 4 FGO, die nach dem 15. September 1975 ergangen sind, ist eine Beschwerde an den BFH nicht zulässig.

 

Normenkette

BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861) Art. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdeführer (FA) erließ am 17. März 1975 gegen die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin) - eine Arbeitsgemeinschaft - einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er die Umsatzsteuer für das Jahr 1974 auf ... DM festsetzte. Die Arbeitsgemeinschaft erhob gegen diesen Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage zum FG, über die noch nicht entschieden ist. Sie beantragte ferner beim FG, die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids anzuordnen (§ 69 Abs. 2 und 3 FGO).

Das FG hat die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1974 mit Beschluß vom 28. September 1975 ausgesetzt. Die Beschwerde wurde nicht zugelassen.

Wegen der Nichtzulassung hat das FA Beschwerde eingelegt. Es führt dazu aus, daß diese durch Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) nicht ausgeschlossen sei. Zwar enthalte die Vorschrift keine Bezugnahme auf § 115 Abs. 3 und 4 FGO. Daraus könne jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO keine Nichtzulassungsbeschwerde gegeben sei. Wenn der Gesetzgeber die Nichtzulassungsbeschwerde hätte ausschließen wollen, hätte er dies in dem Gesetz zur Entlastung des BFH ausdrücklich anordnen können und müssen. Es komme hinzu, daß auch verfassungsrechtlich die Überprüfung finanzgerichtlicher Entscheidungen jedenfalls dann geboten sei, wenn diese Entscheidungen grundsätzliche Rechtsfragen zum Gegenstand hätten. Dies sei hier der Fall, weil die Ausführungen in der Vorentscheidung als Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache mißverstanden und möglicherweise als richtungsweisend für die Beurteilung gleicher oder ähnlich liegender Fälle angesehen werden könnten. Das FA beantragt daher sinngemäß, die Beschwerde gegen den Beschluß des FG zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß Art. 1 Nr. 3 BFH-EntlastG steht den Beteiligten die Beschwerde gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und Abs. 4 FGO nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend.

Die Auslegung der Vorschrift, für die nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluß vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126) in erster Linie der im Wortlaut zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, ergibt, daß eine Beschwerde gegen Entscheidungen des FG im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO an die Zulassung in der finanzgerichtlichen Entscheidung gebunden ist. Der Hinweis auf § 115 Abs. 2 FGO besagt lediglich, daß die dort unter Nr. 1 bis Nr. 3 genannten Kriterien für die Zulassung maßgebend sind. Die Entscheidung über die Zulassung selbst ist jedoch in die ausschließliche Zuständigkeit des FG gestellt. Denn eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung eines Rechtsmittels (Nichtzulassungsbeschwerde) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dieses Ergebnis wird gestützt durch den "Zweiten Bericht und Antrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs" - Drucksache 7/3654 -, in dem festgehalten ist, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde (gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO) nicht vorgesehen ist. § 128 FGO findet keine Anwendung, weil die Nichtzulassung der Beschwerde nur unselbständiger Teil einer Gerichtsentscheidung ist.

Die Auffassung des FA, daß gegen finanzgerichtliche Entscheidungen aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Rechtsmittel an ein Gericht höherer Instanz gegeben sein müsse, trifft nicht zu. Wie der BFH in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG bereits mehrfach entschieden hat, fordert Art. 19 Abs. 4 GG lediglich, daß gegenüber belastenden Verwaltungsakten der Rechtsweg, d. h. der Weg zu den Gerichten, offensteht, jedoch nicht, daß ein Instanzenzug, d. h. die Möglichkeit der Anrufung eines höheren Gerichts, gegenüber den Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichts gegeben sein muß (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1963 I 42/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 286, Rechtsspruch 50, mit Hinweisen). Die Beschränkung des Rechtsweges auf eine gerichtliche Instanz verstößt weder gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen das Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfG-Beschluß vom 18. Februar 1970 1 BvR 226/69, BVerfGE 28, 21 [36]). Sie ist somit verfassungskonform.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71594

BStBl II 1976, 241

BFHE 1976, 531

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