Leitsatz (amtlich)

Der in Strafe und Kosten verurteilte Zeuge muß im finanzgerichtlichen Verfahren die Rechtsbehelfe zur Beseitigung seiner Verurteilung, nämlich entweder die nachträgliche Entschuldigung oder die Beschwerde, innerhalb der Frist von zwei Wochen vorbringen bzw. einlegen.

 

Normenkette

FGO §§ 82, 128; ZPO § 380 Abs. 1, 3, § 381 Abs. 1, § 567 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller war vom FG als Zeuge zur mündlichen Verhandlung vom 25. September 1968 geladen worden, aber nicht erschienen. Das FG verurteilte ihn deshalb durch Beschluß vom gleichen Tage gemäß § 82 FGO, § 380 Abs. 1 ZPO in die Kosten des Verfahrens, soweit sie durch sein Ausbleiben entstanden sind, sowie zu einer Ordnungsstrafe von 150 DM, ersatzweise zu einer Haftstrafe von drei Tagen. Dieser Beschluß wurde dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde (PZU) am 5. Oktober 1968 zugestellt. In der bis zum 21. Oktober 1968 (Montag) offenen Rechtsmittelfrist legte der Antragsteller keine Beschwerde ein. Erst mit Schriftsatz vom 26. November 1968 wiederholte der Antragsteller seine bereits vor der Verurteilung zur Rechtfertigung vorgebrachten Gründe und erläuterte sie näher. Er beantragte unter Berufung auf § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Rechtsbehelf der nachträglichen Entschuldigung), die mit Beschluß vom 25. September 1968 getroffenen Anordnungen wieder aufzuheben. Diesen Antrag hat das FG mit Beschluß vom 12. Dezember 1968 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 82 FGO sind auf die Beweisaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren u. a. die §§ 380 und 381 ZPO sinngemäß, d. h. unter Berücksichtigung der gerade der FGO innewohnenden Eigentümlichkeiten anzuwenden. Im Gegensatz zur ZPO kennt die FGO nur die befristete (sofortige) Beschwerde. Die FGO regelt dieses Institut nicht nur für die Verfahrensbeteiligten (§ 57 FGO), sondern ausdrücklich auch für die "sonst von der Entscheidung Betroffenen" (§ 128 Abs. 1 FGO), also auch für einen Zeugen, der durch Maßnahmen des FG beschwert wird. Nach § 128 Abs. 1 FGO ist dieses Rechtsmittel gegen alle Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, gegeben, es sei denn, daß in der FGO - wie insbesondere in § 128 Abs. 2 FGO - ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Für die Anfechtung des gegen einen Zeugen vom FG erlassenen Ordnungsstrafbeschlusses enthält die FGO keine anderweitige Bestimmung. Insbesondere fehlt in § 82 FGO eine Verweisung auf die Vorschriften der ZPO, die die einfache (unbefristete) Beschwerde regeln (§§ 567 ff. ZPO) Anders als im Zivilprozeß (§§ 380 Abs. 3, 567 ff., 705 ZPO) wird deshalb im finanzgerichtlichen Verfahren der Ordnungsstrafbeschluß formell rechtskräftig, wenn der Beschwerte innerhalb der Zweiwochenfrist des § 129 Abs. 1 FGO die Beschwerde nicht eingelegt hat. In diesem Sinne wurde auch der Beschwerdeführer im Ordnungsstrafbeschluß vom 25. September 1968 belehrt. Da der Antragsteller die Rechtsmittelfrist hat ungenützt verstreichen lassen, sind die gegen ihn verhängten Maßnahmen somit rechtskräftig geworden.

Der Eintritt der Rechtskraft hat zur Folge, daß die Entscheidung für dasselbe Verfahren unabänderlich ist, namentlich keinem Rechtsmittel mehr unterliegt. Dieser Grundsatz ergibt sich für das finanzgerichtliche Verfahren aus § 155 FGO, § 705 ZPO (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Anm. 1 A in der Einführung vor § 322). Das FG war deshalb gehindert, auf den Antrag des Antragstellers vom 26. November 1968 erneut sachlich die Frage zu prüfen, ob die mit Beschluß vom 25. September 1968 verhängten Maßnahmen gerechtfertigt waren.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß § 82 FGO sinngemäß die Anwendung des § 381 ZPO anordnet. Diese Vorschrift schränkt die in § 380 ZPO aufgestellte Verpflichtung des Gerichts, gegen den nicht erschienenen Zeugen die gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, für die Fälle ein, in denen der Zeuge den verspäteten Zugang der Ladung glaubhaft machen oder sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Darüber hinaus hat das Gericht nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift die getroffenen Anordnungen wieder aufzuheben, wenn sich der Zeuge nachträglich, d. h. nach dem Erlaß dieser Anordnungen exkulpiert.

Dem verurteilten Zeugen steht im Zivilprozeß also neben dem Rechtsmittel der Beschwerde auch der gegenüber dieser der Form nach einfachere (§ 381 Abs. 2 ZPO) Rechtsbehelf der nachträglichen Entschuldigung zur Verfügung. Der Senat hat keine Bedenken, diesen Rechtsbehelf zuzulassen, solange der Ordnungsstrafbeschluß noch nicht rechtskräftig ist, obwohl die FGO die Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der FG abschließend regelt und die nachträgliche Entschuldigung nicht ausdrücklich nennt. Denn die FGO kennt immerhin die Abhilfeentscheidung im Beschwerdeverfahren (§ 130 FGO) und bei der Entscheidung über die nachträgliche Entschuldigung handelt es sich um eine solche unter vereinfachten Voraussetzungen. Es ist daher davon auszugehen, daß die sinngemäße Anwendung des § 281 ZPO (§ 82 FGO) auch die Zulassung der nachträglichen Entschuldigung umfaßt, zumal der Umstand, daß der Zeuge nicht im Rechtssinn am Verfahren beteiligt ist, verfahrensrechtliche Erleichterungen in seinen Angelegenheiten wünschenswert erscheinen läßt.

Diese Überlegungen versagen aber gegenüber den sich aus der Rechtskraft des Ordnungsstrafbeschlusses ergebenden Verfahrensfolgen. Es ist ein strukturelles Element der FGO, daß beschwerdefähige Entscheidungen des FG nach ungenütztem Ablauf der vorgesehenen Beschwerdefrist in Rechtskraft erwachsen. Die Durchbrechung dieses Grundsatzes bei nachträglicher Entschuldigung eines rechtskräftig verurteilten Zeugen und damit die Zulassung einer neuerlichen Entscheidung desselben Gerichts über dieselbe Sache und in einem und demselben Verfahren wäre daher keine sinngemäße Anwendung der ZPO; sie ist deshalb ausgeschlossen.

Das FG hat somit im angefochtenen Beschluß rechtsirrig erneut die Begründetheit der im Beschluß vom 25. September 1968 verhängten Maßnahme behandelt. Es konnte den Antrag auf Aufhebung der Anordnungen nicht als unbegründet zurückweisen, sondern hätte ihn als unzulässig verwerfen müssen. Trotz dieses Rechtsfehlers bleibt aber die Beschwerde erfolglos. Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung ist nicht erforderlich.

Auch die Verurteilung des Antragstellers in die Kosten des Abhilfeverfahrens ist gerechtfertigt. Sie kann zwar im Gegensatz zur Rechtsauffassung des FG nicht auf § 135 Abs. 1 FGO gestützt werden, da die prozessuale Kostenpflicht grundsätzlich ein Prozeßrechtsverhältnis voraussetzt und ein solches mit dem Zeugen nicht bestanden hat. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift möglich (vgl. z. B. §§ 89 Abs. 1, 101 Abs. 1, 380 Abs. 1, 390 Abs. 1, 409 Abs. 1 ZPO). Die Kosten der angefochtenen Entscheidung sind aber durch das Ausbleiben verursacht und deshalb dem Antragsteller nach § 380 Abs. 1 ZPO i. V. mit § 82 FGO aufzuerlegen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller nach § 135 Abs. 2 FGO zu tragen. Diese Vorschrift setzt, da sie in Abweichung von Abs. 1 die Kostenpflicht nicht an die Beteiligtenstellung des Rechtsmittelführers anknüpft, das Bestehen eines Prozeßrechtsverhältnisses nicht voraus. Außerdem begründet auch hier § 380 Abs. 1 ZPO die Kostenpflicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68281

BStBl II 1969, 526

BFHE 1969, 17

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