Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein ,,Geheißerwerb" bei Streckengeschäften

 

Leitsatz (NV)

Zum Übergang der bedingten Steuerschuld im Mineralölsteuerrecht ist erforderlich, daß dem Erwerber mindestens der mittelbare Besitz an dem Mineralöl verschafft wird. Ein Übergang der Steuer auf im Streckengeschäft eingeschaltete Zwischenhändler scheidet damit aus; ein bei ihnen zivilrechtlich über die Figur des Geheißerwerbs begründeter Durchgangserwerb kann mineralölsteuerrechtlich nicht anerkannt werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 50 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; MinöStG § 15 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b; MinöStDV § 36 Abs. 5 S. 1; StAnpG § 8 Abs. 4; BGB §§ 929, 933

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die ein Steuerlager betreibt, wurde von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) auf Zahlung von Mineralölsteuer in Anspruch genommen, weil sie drei Partien Heizöl im Streckengeschäft über zwei Zwischenhändler (B und D) an A ausgeliefert hatte. A, ein transportierender Mineralölhändler, war zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer gültigen Verteilererlaubnis.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen eingelegte Klage im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Entgegen der Auffassung der Klägerin gehe auch bei sogenannten Streckengeschäften die bedingte Steuer nicht im ,,Durchgangserwerb" auf Zwischenhändler über, die weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz an dem Mineralöl erlangt hätten. Das folge bereits aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) in der Fassung der 15. Änderungsverordnung vom 16. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3521, wonach die bedingte Steuer nur dann auf den Empfänger übergehe, wenn er oder sein Beauftragter das Mineralöl ,,in Besitz nimmt". Es sei also die Ausübung der Sachherrschaft durch unmittelbaren oder mittelbaren Besitz erforderlich; die Einräumung einer bloßen Verfügungsbefugnis, z.B. der Befugnis, im Rahmen eines im Zivilrecht anerkannten ,,Geheißerwerbs" über die Ware bestimmen zu können, reiche im Mineralölsteuerrecht nicht aus. Dies werde durch § 15 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 19. März 1975, BGBl I 1975, 721, bestätigt, wonach der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber für den Übergang bedingter Steuern vorgegeben habe, daß der Empfänger das Mineralöl unter Steueraufsicht unmittelbar oder mittelbar in Besitz nehmen müsse. Aus dem Begriff ,,Weitergabe" in § 8 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) ergebe sich nichts anderes. Selbst wenn man ihn weitergehend als die Übertragung eines unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes zu verstehen hätte, gingen die Normen des Mineralölsteuerrechts als Spezialnormen der damals für alle Verbrauchsteuern geltenden allgemeinen Vorschrift des § 8 Abs. 4 StAnpG vor. Wie deren Nachfolgevorschrift, § 50 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), auszulegen sei, könne offen bleiben, da sie bei der Verwirklichung des Steuertatbestands im März 1976 noch nicht gegolten habe. Da die Klägerin den Besitz an dem Mineralöl ausschließlich dem Nichtberechtigten A übertragen habe und auch Besitzmittlungsverhältnisse zwischen A und B bzw. D nicht bestanden hätten, sei die Klägerin zu Recht als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin ist u.a. der Auffassung, ,,die mineralölsteuerliche Anerkennung und Anwendung des sogenannten Geheißerwerbs als anerkanntes Besitzverschaffungs-/Übergabe-Institut i.S. der §§ 933, 929 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)", eine Rechtsfrage, auf die sie bereits ihr Klagebegehren ausdrücklich beschränkt habe, sei von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es mag dahinstehen, ob die von der Klägerin hierfür gegebene Begründung, für die sie ,,zur Vermeidung von Wiederholungen" im wesentlichen auf die ,,diesbezüglichen Schriftsätze im Klageverfahren vom . . ." verweist, den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, wonach ,,in der Beschwerdeschrift" die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen ist (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 57), denn jedenfalls ist die Beschwerde insoweit wegen fehlender Klärungsbedürftigkeit unbegründet.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist im Mineralölsteuerrecht für den Übergang der bedingten Steuerschuld auf einen Erwerber hinsichtlich der Abgabe bzw. Weitergabe erforderlich, daß dem Empfänger der unmittelbare, mindestens aber der mittelbare Besitz an dem Mineralöl verschafft wird (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluß vom 17. März 1982 VII B 113/81, BFHE 135, 252, BStBl II 1982, 413; Urteile vom 25. Oktober 1988 VII R 17/85, BFH/NV 1989, 464, und vom 8. November 1988 VII R 55/85, BFH/NV 1989, 467). Diese Rechtsprechung betrifft Strekkengeschäfte und im übrigen, was die Beteiligung des A anbetrifft, auch dem Streitfall ähnliche Tatkomplexe. Ein Übergang der Steuer auf die im Streckengeschäft eingeschalteten Zwischenhändler, die selbst weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz an dem Mineralöl erlangt hatten, war damit ausgeschlossen. Der von der Klägerin für die Übergabe bzw. Weitergabe für ausreichend gehaltene ,,Geheißerwerb", worunter im Zivilrecht eine Sonderform der Übergabe nach § 929 BGB verstanden wird, die dadurch gekennzeichnet ist, daß in Veräußerungsketten der Besitzerwerb des Erwerbers selbst nicht gefordert wird, man sich vielmehr mit dem Besitzerwerb eines von ihm angewiesenen Dritten begnügt, kann daher mineralölsteuerrechtlich nicht anerkannt werden. So hat der Senat bereits in seinem nicht veröffentlichten Beschluß vom 29. September 1982 VII S 16/82 in einem dem vorliegenden Fall entsprechenden Aussetzungsverfahren entschieden, es erscheine nicht ernstlich zweifelhaft, daß nur die Erlangung eines Besitzes im bürgerlich-rechtlichen Sinne für einen Übergang der bedingten Steuerschuld ausreichen könne. Den sogenannten Geheißerwerb hat der Senat dabei ausdrücklich unter Hinweis auf seinen Beschluß in BFHE 135, 252, BStBl II 1982, 413, ausgeschlossen.

Die Klägerin hat nichts vorgebracht, was der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht schon berücksichtigt hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418460

BFH/NV 1993, 53

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