Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Verwaltung nach Ergehen des Urteils des BFH II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55, BStBl III 1965, 19) zunächst von der Festsetzung von Gesellschaftsteuer bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG absah und nach Ergehen dieser Entscheidung die Steuer nachforderte.

2. Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG steht nicht entgegen, daß neben einer Kapitalgesellschaft eine natürliche Person Komplementär einer Kommanditgesellschaft ist.

 

Normenkette

KVStG § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, war Persönlich haftende Gesellschafterin der mit Vertrag vom 28. September 1967 gegründeten Kommanditgesellschaft X & Co. (im folgenden KG genannt). Weiterer Komplementär war der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin. Die Kommanditistin A erwarb im Jahr 1967 einen Kommanditanteil und erhöhte ihn im gleichen Jahr um 2 500 DM. Weitere Einlagen erhielt die KG durch die Aufnahme eines weiteren Kommanditisten Ende 1967.

Das FA (Beschwerdegegner) hat wegen dieser Vorgänge in einem Sammel-Gesellschaftsteuerbescheid Gesellschaftsteuer festgesetzt. Der Einspruch der Beschwerdeführerin, mit dem sie geltend machte, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG finde auf Kommanditgesellschaften, bei denen neben einer Kapitalgesellschaft noch eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter sei, keine Anwendung, hatte keinen Erfolg. Nach Klageerhebung hat die Beschwerdeführerin die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids beantragt. Das FG hat den Antrag abgelehnt. Mit ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ergäben sich einmal daraus, daß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG bei ihrem Eintritt in die KG nichtig gewesen sei, zum anderen daraus, daß sie bei Erlaß des Bescheids bereits aus der KG ausgeschieden sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheids (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Weder ist dieser rechtswidrig, noch wird die Beschwerdeführerin hierdurch in ihren Rechten verletzt (§ 40 Abs. 2 und § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die von dem Beschwerdegegner teils auf § 2 Nr. 1, teils auf § 2 Nr. 2, jeweils in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 8 , § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 KVStG, gestützten Steuerfestsetzungen haben zu Recht den Erwerb von Kommanditanteilen an einer Kommanditgesellschaft, an der eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, sowie deren Erhöhung erfaßt (vgl. Urteile des BFH II 141/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 320, 324, BStBl II 1970, 99; II 210/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 147, BStBl II 1969, 736; II R 22/70 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 423, BStBl II 1970, 668, und II R 21/70 vom 10. November 1970, BFH 100, 472, BStBl II 1971, 105). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG nicht nichtig. Der BFH hat zwar diese Vorschrift in seinem Beschluß II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55, BStBl III 1965, 19) für nichtig erachtet. Den Entscheidungen des BFH kommt indessen keine Gesetzeskraft zu, wie dies für Entscheidungen des BVerfG der Fall ist (vgl. Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). Die Beschwerdeführerin mußte folglich damit rechnen, daß das BVerfG auch in einem gegenteiligen Sinn wie der BFH entscheiden könnte. Insofern kann sie sich nicht darauf berufen, daß die Steuerfestsetzung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde.

Aus der Tatsache, daß die Steuerfestsetzung erst zwei Jahre nach Gründung der KG erfolgte, kann die Beschwerdeführerin keine für sie günstigen Folgen herleiten. Der Steueranspruch war zu diesem Zeitpunkt weder verjährt noch verwirkt. Eine Verjährung des Steueranspruchs für diese in den Jahren 1967 und 1968 liegenden Vorgänge wäre - von der Möglichkeit der Unterbrechung (§ 147 AO) und der Ablaufhemmung (§ 146a AO) abgesehen - erst nach Ablauf des Kalenderjahres 1972 bzw. 1973 eingetreten (§ 3 Abs. 1 StAnpG, § 144 und § 145 AO). Für die Annahme, daß der Steueranspruch verwirkt sei, bietet der dem Gericht in diesem Verfahren unterbreitete Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin gegenüber unzweifelhaft zu erkennen gegeben habe, er werde den Steueranspruch nicht mehr weiterverfolgen, so daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen brauchte (Urteile des BFH II 15/64 vom 14. Februar 1967, BFH 88, 42, und II 143/62 vom 4. April 1967, BFH 88, 562, BStBl III 1967, 490 mit weiteren Hinweisen).

Daß die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Ergehens des Steuerbescheids bereits aus der KG ausgeschieden war, hat auf die Steuerfestsetzung keinen Einfluß. Denn hierdurch wurde der einmal verwirklichte Tatbestand, an den das Gesetz die Steuer knüpft (§ 3 Abs. 1 StAnpG), nicht beseitigt.

Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG steht nicht entgegen, daß neben der Beschwerdeführerin als Kapitalgesellschaft noch deren Geschäftsführer als natürliche Person Komplementär der KG war. Der Gesetzeswortlaut erfaßt diese Möglichkeit. Denn § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG, dessen Verfassungsmäßigkeit durch Beschluß des BVerfG 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968 (Entscheidungen des BVerfG Bd. 24 S. 174, BStBl II 1968, 762) mit Gesetzeskraft festgestellt worden ist, sieht vor, daß als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft gelten, wenn zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört. Hiernach geht das Gesetz davon aus, daß mehrere Komplementäre vorhanden sein können, von denen nur einer eine Kapitalgesellschaft zu sein braucht, um die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zu bejahen. Diese Auffassung hat der Senat bereits in seinem Urteil II 210/65 vom 21. Oktober 1969 (BFH 97, 147, BStBl II 1969, 736) unter III. 2., wenn auch nur beiläufig, vertreten (so auch Böttcher-Beinert-Hennerkes, GmbH & Co., 4. Aufl., 1971 S. 98).

Diese Wortauslegung steht im Einklang mit dem Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG, der sich unmittelbar aus dem Wortlaut ergibt. Maßgeblich ist nach dieser Vorschrift, daß Kommanditanteile an einer Kommanditgesellschaft, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört, für den Bereich des Gesellschaftsteuerrechts als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften behandelt werden. Der vom Gesetz verfolgte Zweck, den Erwerb solcher "Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften" (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG) zu erfassen, würde indessen nur unvollkommen sein, wenn die Steuerpflicht durch das Vorhandensein einer natürlichen Person als Komplementär beseitigt werden könnte.

Die Beschwerde war hiernach mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69225

BStBl II 1971, 494

BFHE 1971, 133

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