Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG. Gesellschaftsteuerpflicht für Erwerb von Kommanditanteilen, wenn deren Komplementär eine Kapitalgesellschaft ist

 

Leitsatz (amtlich)

§ 6 Abs. 1 Nummer 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung vom 24. Juli 1959 (Bundesgesetzbl. I S. 530) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; KVStG § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Tatbestand

A.

I.

Nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz – KVStG – in der Fassung vom 24. Juli 1959 (BGBl I S. 530) unterliegt u.a. der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an inländischen Kapitalgesellschaften der Gesellschaftsteuer (§ 2 Nr. 1 KVStG). Als solche Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten nach § 6 Abs. 1 KVStG

  1. Aktien, Kuxe und sonstige Anteile
  2. Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört.

Die letztgenannte Bestimmung, deren verfassungsrechtliche Prüfung Gegenstand des Verfahrens ist, begründet eine Gesellschaftsteuerpflicht u.a. für den Erwerb von Kommanditanteilen an einer sog. GmbH & Co. KG. Steuerschuldner ist die Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG), demnach bei Erwerb eines Kommanditanteils an einer GmbH & Co. KG die GmbH. Beim Erwerb von Gesellschaftsrechten haftet für die Steuer außer dem noch der Erwerber (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 KVStG), also der Kommanditist.

Eine steuerliche Sondergestaltung gegenüber den Regelungen des Handelsrechts wird demnach durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG insofern vorgenommen, als er den Kommanditanteil an einer Kommanditgesellschaft, deren Komplementär eine Kapitalgesellschaft ist, den Gesellschaftsrechten an dieser Kapitalgesellschaft gleichstellt, während diese Anteile nach Handelsrecht Beteiligungen an der Personengesellschaft sind.

Das heute geltende Kapitalverkehrsteuerrecht ist in seinen Grundzügen erstmals in dem Kapitalverkehrsteuergesetz vom 8. April 1922 (RGBl I S. 354) niedergelegt. Am 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1058) ist das Gesetz neu gestaltet worden. Es gilt heute in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 1959 (BGBl I S. 530) mit den sich aus den Gesetzen vom 9. August 1960 (BGBl I S. 682) und vom 25. März 1965 (BGBl I S. 147) ergebenden Änderungen.

II.

Der BFH hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 1964

– II 12 61 S – (BStBl 1965 III S. 19) die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG als vorkonstitutionelles Recht betrachtet und ist in dieser sowie in einer späteren Entscheidung vom 10. März 1965 – II 132/64 U – (BStBl 1965 III S. 201) bei verfassungsrechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, sie sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) nichtig.

Das Kapitalverkehrsteuergesetz besteuere allgemein den Kapitalverkehr, durch den Kapitalgesellschaften von ihren Gesellschaftern Kapital zugeführt werde. Es bedeute eine Durchbrechung der zivilrechtlichen Ordnung an maßgeblicher Stelle (BVerfGE 13, 331 [340]), wenn auf Grund der Fiktion des § 6 Abs. 1 Nr. 4 (in Verbindung mit § 2 Nr. 1) KVStG der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer Kommanditgesellschaft – also einer Personengesellschaft – als Erwerb von Rechten an einer Kapitalgesellschaft angesehen werde und die Kommanditisten insoweit nach der Fiktion des § 6 Abs. 2 KVStG als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft gelten würden.

Kommanditgesellschaften würden ungleich behandelt, je nachdem, ob zu ihren Komplementären nur natürliche oder auch eine juristische Person gehörten. Außerdem ergebe sich auch für die juristische Person eine Ungleichheit, wenn sie sich bei einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft als Komplementär das Kapital der Kommanditisten gesellschaftsteuerrechtlich zurechnen lassen müsse, zumal sie nach § 10 Abs. 1 KVStG die Gesellschaftsteuer insoweit schulde, während eine natürliche Person im entsprechenden Fall einer Gesellschaftsteuer nicht unterworfen werde. Schließlich würden auch die Kommanditisten einer solchen Kommanditgesellschaft von der ungleichen Behandlung betroffen, da sie nach § 10 Abs. 2 KVStG für die von der Kapitalgesellschaft geschuldete Steuer hafteten, während Kommanditisten, die sich an einer Kommanditgesellschaft beteiligten, bei der nur natürliche Personen zu den Komplementären gehörten, nicht für eine Gesellschaftsteuer im Haftungswege in Anspruch genommen würden.

Für diese Durchbrechung der zivilrechtlichen Ordnung fehle es an einer überzeugenden Begründung. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen einer „GmbH & Co. KG” und einer sonstigen Kommanditgesellschaft ergebe sich nur im extremen Fall des Konkurses. Bei der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH seien etwaige Ausfälle der Gläubiger wegen der durch die Konkurseröffnung bedingten Auflösung der GmbH (§ 60 Abs. 1 Ziff. 4 Halbs. 1 GmbHG) in der Regel endgültig, während eine natürliche Person auch nach beendigtem Konkursverfahren grundsätzlich zur Deckung von Ausfällen herangezogen werden könne. Dieser Unterschied rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung der Kommanditgesellschaften bei der Gesellschaftsteuer.

Auch aus dem Sinn und Zweck des Kapitalverkehrsteuergesetzes lasse sich die unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen. In der Begründung des Gesetzes sei ausdrücklich hervorgehoben, daß bei offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts usw. ein Kapitalverkehr im Sinne der Zusammenballung und Bewegung des unpersönlichen Kapitals, die von der Gesellschaftsteuer erfaßt werden sollen, nicht stattfinde. Auch soweit die Gesellschaftsteuer auf dem Gedanken beruhe, daß die Vereinigung von Vermögensbestandteilen verschiedener Personen „zu einer einheitlichen Vermögensmasse” einen Mehrwert hervorrufe, sei diese Voraussetzung bei der Zuführung von Einlagen (und Darlehen) der Kommanditisten an eine GmbH & Co. KG nicht gegeben. Im Rechtssinne liege eine Vereinigung bei der beteiligten Kapitalgesellschaft schon deswegen nicht vor, weil die Einlagen der Kommanditisten grundsätzlich gesamthänderisches Eigentum der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, keinesfalls aber Eigentum der Kapitalgesellschaft würden. Auch im wirtschaftlichen Sinne könne man nicht allgemein davon sprechen, daß die Einlagen der Kommanditisten der Kapitalgesellschaft „zugeführt” würden. Gegen die Annahme einer wirtschaftlichen Kapitalverstärkung spreche entscheidend, daß sich die Gläubiger der GmbH wegen ihrer Forderungen gegen die GmbH nicht an die Kommanditeinlagen halten könnten.

Auch der Gesichtspunkt der Bekämpfung der Steuerumgehungen rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Zwar seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bestimmungen, die lediglich Umgehungen der Steuerpflicht verhindern sollten, verfassungsrechtlich unbedenklich. Seinem Wortlaut entsprechend werde § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG jedoch auf alle Fälle des Anteilserwerbs von Kommanditisten angewendet, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall eine etwa beabsichtigte Steuerumgehung überhaupt in Frage stehe.

III.

Im Hinblick auf dieses Urteil des BFH hat die Bayerische Staatsregierung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 76 Nr. 2 BVerfGG die Feststellung beantragt, daß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG in der Fassung vom 24. Juli 1959 (KVStG 1959 – BGBl I S. 530 –) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Zur Begründung des Antrags macht die Antragstellerin geltend, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG verstoße nicht gegen Art. 3 GG. Wenn auch § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG in gewisser Hinsicht eine steuerliche Sondergestaltung gegenüber dem Handelsrecht darstelle, so sei im Grunde die vom Kapitalverkehrsteuergesetz „selbst statuierte Sachgesetzlichkeit” (im Sinne von BVerfGE 13, 331 [339 f.]) nicht aufgegeben. Steuerschuldner im System des Kapitalverkehrsteuergesetzes sei die Kapitalgesellschaft (§ 10 Abs. 1 KVStG), Steuergegenstand die Zuführung von Kapital an die Kapitalgesellschaft (§§ 2, 3 KVStG). Auch im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG bleibe eine Kapitalgesellschaft, nämlich die GmbH, Steuerschuldner. Das Kapitalverkehrsteuergesetz solle die Verstärkung der Kapitalkraft der Kapitalgesellschaften steuerlich erfassen. Diesem Ziel diene auch die Besteuerung des Erwerbs von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG. Die Kapitalgesellschaft sei an den Kommanditeinlagen gesamthänderisch mitbeteiligt und erhalte infolge ihrer beherrschenden Stellung als Komplementär hierüber auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht.

Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs werde die GmbH & Co. KG im Vergleich zu anderen Kommanditgesellschaften auch nicht ungleich behandelt. Soweit Differenzierungen in der steuerlichen Erfassung bestünden und die zivilrechtliche Ordnung durchbrochen sei, lägen hierfür sachlich überzeugende Gründe vor. Maßgebender Gedanke für die Erhebung der Gesellschaftsteuer sei die steuerliche Inanspruchnahme der verstärkten Kapitalkraft. Unter diesem Gesichtspunkt würden nicht nur die eigentliche Gründung und die formelle Kapitalerhöhung bei Kapitalgesellschaften der Gesellschaftsteuer unterworfen, sondern auch sonstige Vorgänge, die einer Kapitalzuführung und wirtschaftlichen Verstärkung der Kapitalgsellschaften gleichkämen (§ 2 Nr. 2 f., § 3 KVStG). Aus der gleichen Erwägung heraus würden nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG auch Anteile an einer Kommanditgesellschaft, an der eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt sei, den Gesellschaftsrechten gleichgestellt. Außerdem sollten Steuerumgehungen verhindert werden, die dadurch entstünden, daß eine GmbH mit nur geringem Kapital errichtet werde, während das zur Geschäftsführung notwendige Kapital als Kommanditeinlage einer GmbH & Co. KG eingebracht werde.

IV.

Von den nach § 77 BVerfGG anhörungsberechtigten Bundes- und Länderorganen haben sich der Bundesminister der Finanzen, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen, der Hessische Ministerpräsident, der Niedersächsische Ministerpräsident, der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und der Saarländische Minister für Finanzen und Forsten der Auffassung der Bayerischen Staatsregierung angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Der Antrag auf Durchführung eines Normenkontrollverfahrens ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 76 BVerfGG zulässig. Die Frage, ob es sich bei der nachzuprüfenden Norm um vor- oder nachkonstitutionelles Recht handelt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle im Gegensatz zur konkreten Normenkontrolle kann auch vorkonstitutionelles Recht sein (BVerfGE 2, 124 [131]).

II.

1. Entgegen der Auffassung des BFH und eines Teiles des Schrifttums kann in der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG eine unzulässige Durchbrechung der zivilrechtlichen Ordnung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 13, 331 (339 f.) nicht gesehen werden. Bei dieser Entscheidung ging es darum, daß eine Kapitalgesellschaft wegen ihrer Verselbständigung gegen „Durchgriffe” auf Tatbestände im Kreis oder in der Person ihrer Gesellschafter grundsätzlich abgeschirmt sein soll. Dagegen liegt es gerade im Wesen der Personengesellschaft, daß wegen der fehlenden rechtlichen Verselbständigung eine Berücksichtigung der Verhältnisse der beteiligten Gesellschafter möglich ist (vgl. BFH, BStBl 1966 III S. 171). Im übrigen trifft es nicht zu, daß das Kapitalverkehrsteuergesetz – abgesehen von der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 – den Steuergegenstand prinzipiell nach den Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Das Kapitalverkehrsteuergesetz knüpft zwar an Vorgänge an, deren rechtliche Grundlage das Zivilrecht ist. Der Gesetzgeber hat jedoch den Steuergegenstand zum Teil auch mit eigenen – dem Zivilrecht in dieser Form nicht geläufigen – Begriffen umschrieben, so z.B. in § 3 KVStG, wo er die Steuerpflicht an die „Gewährung von Darlehen” anknüpft, „wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt”. Die Auswahl der steuerlichen Tatbestände ist somit auch an wirtschaftlichen Überlegungen ausgerichtet.

Die hierzu im Schrifttum geäußerte gegenteilige Auffassung, es müsse bei Ermittlung des steuerpflichtigen Tatbestandes nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz die rechtliche Betrachtungsweise im Vordergrund stehen, ist von der Verfassung nicht geboten. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob bei der Anwendung einer einzelnen an formalrechtliche Vorgänge anknüpfenden Verkehrsteuervorschrift die sonst im Steuerrecht übliche „wirtschaftliche Betrachtungsweise” (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG) gegenüber einer mehr formalrechtlichen Betrachtungsweise zurücktritt (vgl. hierzu Boruttau/Schadeck, KVStG, 2. Aufl., 1964, S. 63; Brönner, KVStG, 1956, § 1 Anm. 2). Auf jeden Fall ist es, wie das Bundesverfassungsgericht allgemein (BVerfGE 18, 224 [234]) und für das Kapitalverkehrsteuergesetz im besonderen (BVerfGE 13, 153 [162 f.]) ausgesprochen hat, dem Gesetzgeber nicht verwehrt, bei der Gestaltung von Steuertatbeständen auch an wirtschaftliche Sachverhalte anzuknüpfen.

2. Allerdings kann mit dem BFH davon ausgegangen werden, daß das Kapitalverkehrsteuergesetz grundsätzlich nur die Zuführung von Kapital an Kapitalgesellschaften erfassen soll. Das hat seinen Grund in den wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten dieser Gesellschaften, die sie – jedenfalls im Regelfall – von den Personengesellschaften unterscheiden. Während bei den Personengesellschaften die persönliche Leistung und die persönliche Haftung der beteiligten Gesellschafter im Vordergrund stehen, sind bei den Kapitalgesellschaften die Rechte und Pflichten der Gesellschafter sowie die Gesellschaftsstruktur in erster Linie durch deren Kapitalbeteiligung bestimmt. Dem Gesetzgeber steht es jedoch frei, durch Sonderbestimmungen von den einen Rechtskreis bestimmenden Grundregeln, die er selbst gesetzt hat, abzuweichen, wenn eine solche Abweichung hinreichend gerechtfertigt ist (BVerfGE 18, 315 [334 mit weiteren Nachw.]). Dies ist hier der Fall.

a) Trotz der grundsätzlichen Unterscheidung der beiden Gesellschaftsgruppen können sie in der Praxis auf Grund entsprechender gesellschaftsvertraglicher Absprachen bis zu einem gewissen Maße ineinander übergehen. Infolge der im Bereich des Gesellschaftsrechts zugelassenen „Grundtypenvermischung” können bei entsprechender Vertragsgestaltung Personengesellschaften entstehen, die in ihrer rechtlichen Struktur den Kapitalgesellschaften stark angenähert sind. Das trifft besonders bei einer Kommanditgesellschaft zu, deren persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft ist (GmbH & Co. KG oder – seltener – AG & Co. KG). Zwar bleibt eine Kommanditgesellschaft aus handelsrechtlicher Sicht auch dann noch eine Personengesellschaft, wenn an ihr eine Kapitalgesellschaft als Komplementär beteiligt ist; das schließt indessen nicht aus, daß sie wirtschaftlich einer Kapitalgesellschaft ähnelt (BFH, BStBl 1966 III S. 171).

Entscheidend fällt hierbei ins Gewicht, daß die Rechtsfigur einer GmbH & Co. KG die Möglichkeit bietet, auch im Rahmen einer Personengesellschaft die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen zu begrenzen. Zwar haftet auch bei einer solchen Gesellschaft die als Komplementär fungierende GmbH mit ihrem Vermögen unbegrenzt; dagegen brauchen die an der GmbH beteiligten natürlichen Personen nicht mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden einzustehen, während die Kommanditisten nur mit einer Einlage haften. Dieser haftungsrechtliche Vorteil rückt die GmbH & Co. KG rechtlich und wirtschaftlich in die Nähe einer Kapitalgesellschaft. Außerdem macht die Organisation der Kapitalgesellschaft die Führung des Unternehmens von dem persönlichen Schicksal natürlicher Personen unabhängig; die Nachfolge in der Führung wird durch die Organisation der Kapitalgesellschaft sichergestellt. Diese wesentlichen Zwecke, um deretwillen eine GmbH & Co. KG gegründet wird, können durch eine Kommanditgesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter nicht erreicht werden.

Hieraus ergibt sich bereits, daß die Auffassung des Bundesfinanzhofs, der einzige Unterschied zwischen einer GmbH & Co. KG und einer sonstigen Kommanditgesellschaft wirke sich im Fall des Konkurses der GmbH aus, zu eng ist. Zwar mag sich die vollständige Haftungsbeschränkung bei einer GmbH & Co. KG am deutlichsten im Konkursfalle zeigen; schon mit der Gründung der GmbH & Co. KG wird aber gewährleistet, daß das Unternehmen ohne unbeschränkte persönliche Haftung einer natürlichen Person geführt werden kann.

All diese Erwägungen rechtfertigen es, daß eine solche GmbH & Co. KG im Hinblick auf die Gesellschaftsteuer anderen Regeln unterworfen wird als eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementäre ausschließlich natürliche Personen sind.

b) Gegen diese Rechtfertigung könnten allerdings Bedenken erhoben werden, wenn in unzulässiger Verallgemeinerung auch solche Kommanditgesellschaften erfaßt würden, bei denen neben einer juristischen Person noch natürliche Personen Komplementäre sind. In der Tat kann sich die Gesellschaftsstruktur durch die Beteiligung einer natürlichen Person als Komplementär entscheidend verändern, insbesondere dann, wenn die als Komplementär fungierende natürliche Person nach der jeweiligen gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung eine beherrschende Stellung einnimmt. Nach dem Gesetzeswortlaut werden von der angefochtenen Regelung auch solche Kommanditgesellschaften erfaßt. Bei der Beurteilung, wie sich solche Verschiedenheiten auf die Verfassungsmäßigkeit einer Steuernorm auswirken, ist jedoch zu berücksichtigen, daß jede Steuernorm, um praktikabel zu sein, typisieren, d.h. geringfügigere oder nur in besonders gelagerten Fällen auftretende Ungleichheiten in Kauf nehmen muß. Darin allein liegt noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (BVerfGE 9, 3 [13]; 13, 331 [341]; 14, 76 [102]; 17, 1 [23]). In der Praxis spielt diese Konstellation einer Kommanditgesellschaft mit natürlichen und juristischen Personen als Komplementäre kaum eine Rolle. Aus den eingehenden Untersuchungen von Hesselmann (Handbuch der GmbH & Co., 9. Aufl., 1966, S. 27 ff. und 10) über die „Motive für die Wahl dieser Gesellschaftsform ergibt sich, daß in der GmbH & Co. KG die GmbH fast immer der einzige Komplementär ist. Der Fall, daß neben einer GmbH auch noch eine wirtschaftlich beherrschende natürliche Person als Komplementär fungiert, ist bei dieser Sachlage als seltener Ausnahmefall anzusehen, der bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung vernachlässigt werden kann.

3. Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, daß auch die übrigen vom BFH hervorgehobenen Verschiedenheiten in der steuerlichen Behandlung der Gesellschafter einer GmbH & Co. KG im Vergleich zu anderen Kommanditgesellschaften einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht begründen können. Somit läßt die besondere Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennen.

4. Verletzungen anderer Bestimmungen des Grundgesetzes sind ebenfalls nicht ersichtlich, insbesondere handelt es sich nicht um eine auf nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung beruhende Regelung, da bereits das Kapitalverkehrsteuergesetz 1922 eine entsprechende Vorschrift enthalten hat. Daher ist die Vereinbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG mit dem Grundgesetz auszusprechen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 762

BVerfGE 24, 174

BVerfGE, 174

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