Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache während des Revisionsverfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Hat sich der Rechtsstreit über Arrestanordnungen während des Revisionsverfahrens dadurch erledigt, daß Steuerbescheide ergangen sind, und haben die Beteiligten übereinstimmend die Erledigung erklärt, so ist nur noch über die Kosten zu entscheiden.

2. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist bei der Kostenentscheidung der bisherige Sach- und Streitstand ohne weitere Sachverhaltsaufklärung und ohne eingehende Prüfung der Rechtslage zu berücksichtigen.

3. Eine Unsicherheit in der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung rechtfertigt es, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist iranischer Staatsangehöriger. Nach einer Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am 11. bzw. 15. Januar 1982 Arrestanordnungen in Höhe von insgesamt 755 090 DM gegen den Kläger zur Sicherung der Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1980. Die Klage gegen die Arrestanordnung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt es für hinreichend wahrscheinlich, daß der Kläger den in der Arrestanordnung aufgeführten Einkommensteuerbetrag schuldete und bejahte auch einen Arrestgrund.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision des Klägers. Im Verlaufe des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem gegen den Kläger ein Einkommensteuerbescheid 1980 mit einer Steuerschuld von 897 823 DM ergangen war, der inzwischen mit der Klage angefochten worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ist nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu treffen. Nach § 138 Abs. 1 FGO hat der beschließende Senat nach billigem Ermessen über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist danach nicht erforderlich; auch einer eingehenden Prüfung der Rechtslage bedarf es nicht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1971 I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222).

Läßt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sowie ohne eingehende Prüfung der Rechtslage nicht mit annähernder Wahrscheinlichkeit feststellen, wer in einem Rechtsstreit obsiegt hätte, so entspricht es unter Berücksichtigung des erheblichen Spielraums, den § 138 Abs. 1 FGO einräumt, billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. August 1974 I B 27/74, BFHE 113, 345, BStBl II 1975, 38, und in BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222).

Danach ist es auch im Streitfall gerechtfertigt, jedem Verfahrensbeteiligten die Hälfte der Kosten aufzuerlegen. Der Senat gelangt zu dem Ergebnis der Kostenteilung, weil er aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht abschließend beurteilen kann, ob der Kläger im Streitjahr 1980 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und ob deshalb - wie das FA annimmt - die unbeschränkte Steuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gegeben ist. Das FG führt hierzu in seiner Entscheidung lediglich aus, daß der Kläger Mieter einer in A-Stadt belegenen Wohnung ist. Aufgrund der zahlreichen Reisen des Klägers und seiner Familienangehörigen nach Griechenland, in den Iran und nach England und der damit verbundenen längeren Auslandsaufenthalte steht aber nicht fest, ob mit der Wohnung in A-Stadt ein Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) begründet worden ist. Da der Kläger im Streitjahr auch Wohnungen im Ausland innehatte, kann ferner nicht abschließend beurteilt werden, ob und ggf. welches Doppelbesteuerungsabkommen auf ihn Anwendung findet. Diese Unsicherheit in der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des Streitfalles rechtfertigt es, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415311

BFH/NV 1988, 386

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