Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und einer Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es der Beschwerdeführer getan hat.

2. Zur substantiierten Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage muß er -- unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen (insbesondere auch der vom FG zitierten) höchstrichterlichen Rechtsprechung -- schlüssig begründen, daß und warum die betreffende Frage von der Rechtsprechung des BFH noch nicht beantwortet worden sei oder daß sie zwar durch den BFH bereits entschieden worden sei, jedoch gegen die Auffassung des BFH in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der FG gewichtige Einwände erhoben würden, die eine erneute Befassung des BFH mit dem Problem erforderlich machten.

3. Die schlüssige Darlegung einer Divergenz setzt u. a. voraus, daß der Beschwerdeführer einen abstrakten, entscheidungserheblichen Rechtssatz der angefochtenen Vorentscheidung herausstellt, der von dem von ihm zitierten Rechtssatz aus einer BFH-Entscheidung abweichen soll.

4. Die Zulassung der Revision wegen Abweichung der angefochtenen Vorentscheidung von einem erst nach Einlegung der Beschwerde erlassenen und veröffentlichten BFH-Urteil (Fall der sog. nachträglichen Divergenz) setzt voraus, daß die Beschwerdebegründung zu der betreffenden Rechtsfrage den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt.

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimessen, ob ein zur freien Verwendung der Valuta -- d. h. ohne (konkrete) Zweckbindung -- gewährtes Darlehen nur mit Zustimmung des Darlehensgläubigers einem anderen als dem ursprünglichen Verwendungszweck "gewidmet" werden kann, vermochten sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht substantiiert darzulegen. Die Kläger haben dieserhalb ausgeführt, daß die "Umwidmung" eines ohne konkrete Zweckbindung gegebenen Darlehens nicht der Genehmigung des Darlehensgebers bedürfe. "Selbst eine Anzeige an den Darlehensgeber (sei) untunlich und würde von diesem in der Praxis nicht zur Kenntnis genommen."

Die Richtigkeit dieser von den Klägern geäußerten Rechtsauffassung liegt auf der Hand und braucht daher nicht höchstrichterlich geklärt zu werden; denn wenn der Gläubiger dem Schuldner die Darlehensvaluta zur freien Verfügung überläßt, hat er damit seine (konkludente) Einwilligung in jedwede Verwendung -- auch in eine künftige Änderung des Verwendungszwecks -- im voraus erteilt. Im übrigen hat der beschließende Senat in seinem (allerdings erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erlassenen und veröffentlichten) Urteil vom 7. März 1995 VIII R 9/94 (BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697) seine frühere Rechtsprechung, wonach die Umwidmung eines vom Steuerpflichtigen aufgenommenen Darlehens das (zumindest stillschweigende) Einverständnis des Darlehensgebers voraussetzt (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14), dahin geändert, daß ein solches Einverständnis nicht ein zwingendes Erfordernis für die einkommensteuerrechtliche Anerkennung der Änderung des Darlehensverwendungszwecks, sondern nur mehr ein -- wenn auch gewichtiges -- Indiz für eine solche Zweckänderung bildet.

2. Auch soweit die Kläger eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14 rügen, genügt ihre Beschwerde nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Kläger haben es insbesondere unter lassen, einen abstrakten, entscheidungserheblichen Rechtssatz der angefochtenen Vorentscheidung herauszustellen, der von dem von ihnen zitierten Rechtssatz aus dem genannten BFH-Urteil (das im übrigen ohnehin durch die neuere Rechtsprechung des Senats -- vgl. Urteil in BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697 -- überholt ist) abweichen soll. Ihr Hinweis, das FG halte auf S. 8 seines Urteils offensichtlich eine Vereinbarung im Sinne eines Änderungsvertrages für erforderlich, enthält nicht die gebotene Wiedergabe eines Rechtssatzes, sondern lediglich eine Mutmaßung der Kläger darüber, wie die Rechtsauffassung des FG nach ihrer Interpretation zu deuten sei.

3. Ebensowenig kommt eine Zulassung der Revision wegen einer möglichen Abweichung des angefochtenen Urteils von dem erst nach Einlegung der Beschwerde erlassenen und veröffentlichten BFH-Urteil in BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697 in Betracht. Im Fall einer solchen nachträglichen Divergenz setzt die Zulassung der Revision zwar nicht voraus, daß der Beschwerdeführer diese Abweichung (schlüssig) gerügt hat, weil ihm eine dahingehende Rüge innerhalb der Beschwerdefrist gar nicht möglich war. Voraussetzung für die Zulassung der Revision in einem solchen Fall ist aber, daß die Beschwerdebegründung zu der betreffenden Rechtsfrage den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 69; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 175). Diesem Erfordernis wird die Beschwerdebegründung -- wie unter 1. dargelegt -- indessen nicht gerecht.

4. Soweit die Kläger schließlich die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam halten, ob der Aufgabe einer vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) bei den früheren Veranlagungen vertretenen, für den Steuerpflichtigen günstigen Rechtsauffassung der Grundsatz von Treu und Glauben dann entgegensteht, wenn zwischen der Abgabe der Steuererklärung und dem Erlaß des Steuerbescheids, in dem die geänderte Rechtsauffassung vertreten wurde, ein Zeitraum von über einem Jahr liegt, entspricht auch diese Rüge nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage hätten die Kläger -- unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen (insbesondere auch der vom FG zitierten) höchstrichterlichen Rechtsprechung -- (substantiiert) begründen müssen, daß und warum die betreffende Frage von der Rechtsprechung des BFH noch nicht beantwortet worden sei oder daß sie zwar durch den BFH bereits entschieden worden sei, jedoch gegen die Auffassung des BFH in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der FG gewichtige Einwände erhoben würden, die eine erneute Befassung des BFH mit dem Problem erforderlich machten. Daran fehlt es im Streitfall.

Abgesehen davon ist es unschlüssig, wenn die Kläger die Verpflichtung des FA zur Beibehaltung seiner bei den früheren Veranlagungen vertretenen Rechtsauffassung für das Streitjahr 1989 mit der Erwägung zu begründen versuchen, daß das FA die bereits im Dezember 1990 abgegebene Steuererklärung für 1989 zögerlich bearbeitet und ihnen (den Klägern) damit die Chance einer vorzeitigen Ablösung des streitigen Darlehens genommen habe; denn für den hier allein zu beurteilenden Veranlagungszeitraum 1989 hätte sich diese Chance den Klägern auch dann nicht (mehr) eröffnet, wenn das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1989 unverzüglich nach Abgabe der Steuererklärung erlassen hätte.

5. Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421298

BFH/NV 1996, 619

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