Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgemäße Vertretung eines Beteiligten

 

Leitsatz (NV)

1. Entscheidet das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung, zu der der ordnungsgemäß geladene Prozeßbevollmächtigte unentschuldigt nicht erschienen ist, so liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Vertretung eines Beteiligten im Sinne des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor.

2. Eine Revision kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf aufgegeben worden und der Gewinn mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern ist. Gegen das im wesentlichen klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger innerhalb eines Monats "Revision" ein, mit der geklärt werden sollte, ob die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe erfüllt seien. Das FG hatte die Revision nicht zugelassen.

Nach Hinweis der Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf, daß die Revision nur auf Gründe nach §116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt werden könne, bat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Mai 1996 darum, die Revisionsschrift als Nichtzulassungsbeschwerde zu werten, denn eine falsche Bezeichnung des Rechtsmittels sei unbeachtlich.

In einem weiteren Schriftsatz vom 6. Mai 1996 stützte der Prozeßbevollmächtigte die Revision auf mangelnde Vertretung der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemäß §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Er sei als Prozeßbevollmächtigter zwar zur mündlichen Verhandlung geladen worden, habe aber wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen können. Trotzdem sei ohne mündliche Anhörung entschieden worden.

Die Kläger beantragen, den Veräußerungsgewinn gemäß §34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Dazu trägt das FA vor, die Revision sei unzulässig, weil sie nicht zugelassen worden sei. Ein Mangel der Vertretung i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 3, §119 Nr. 4 FGO liege nicht vor. Der Prozeßbevollmächtigte sei ordnungsgemäß geladen worden. Es könne dahinstehen, ob die Revision nicht bereits deshalb unzu lässig sei, weil sie von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegt worden sei. Eine Umdeutung in eine Nichtzulassungsbeschwerde komme nach den BFH-Beschlüssen vom 14. Februar 1994 X R 3/94 (BFH/NV 1994, 809) und vom 22. April 1994 IV R 25/94 (BFH/NV 1994, 886) nicht in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§126 Abs. 1 FGO).

1. Das von den Klägern eingelegte Rechtsmittel ist als Revision zu behandeln. Der Schriftsatz vom 18. März 1996 kann nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt werden, denn er ist ausdrücklich als Revision gekennzeichnet und mit einem Revisionsantrag versehen. Auch eine Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht, denn zwischen beiden Rechtsmitteln bestehen erhebliche verfahrensmäßige und rechtliche Unterschiede (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291).

2. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von §115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zuvor zugelassen hat. Im übrigen ist die Revision dann zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. von §116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen der in §116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568).

Die Kläger haben einen Mangel i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht ordnungsgemäß gerügt. Ein solcher Verfahrensverstoß liegt dann vor, wenn das FG bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch einem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat, so daß weder der Beteiligte selbst noch sein Vertreter zu Wort kommen konnten (Senatsbeschluß vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §119 Rz. 17). Zu einem Fall mangelnder Vertretung kommt es deshalb, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter zu einer mündlichen Verhandlung nicht geladen war und deshalb nicht aufgetreten ist. So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht, denn nach dem Vorbringen in der Revisionsschrift war der Prozeßbevollmächtigte der Kläger ordnungsgemäß geladen. Daß der Prozeßbevollmächtigte unentschuldigt und ohne Beauftragung eines Vertreters nicht erschienen ist, liegt in seiner Sphäre und begründet keinen Verfahrensfehler des Gerichts. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO erfüllt sind oder lediglich ein absoluter Revisionsgrund i. S. des §119 Nr. 3 FGO vorliegt, wenn ein Antrag auf Verlegung des Termins zu Unrecht abgelehnt wird, denn vorliegend tragen die Kläger nicht vor, daß ein solcher Antrag gestellt worden sei.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66589

BFH/NV 1998, 345

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