Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO

 

Leitsatz (NV)

Wird gegen einen Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die erklärte Klagerücknahme sei unwirksam, so ist der Einstellungsbeschluß aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dieses hat dann im Urteilsverfahren sachlich über die Klage zu entscheiden oder auszusprechen, daß die Klage zurückgenommen ist.

 

Normenkette

FGO § 72 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Für die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) - Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden - erhob der Prozeßbevollmächtigte Klage wegen der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides 1989. Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) dem Antrag auf Aussetzung des Vorauszahlungsbescheides stattgegeben hatte, teilte der Prozeßbevollmächtigte dem Finanzgericht (FG) mit Schreiben vom 19. Oktober 1989, eingegangen am 20. Oktober 1989, mit, daß er die Klage zurücknehme; gleichzeitig beantragte er, die Kosten dem FA aufzuerlegen. In einem weiteren Schreiben vom 20. Oktober 1989 heißt es dazu: ,,. . .die Rücknahme der Klage nehme ich zurück. Hiermit erkläre ich die Angelegenheit für in der Hauptsache erledigt. . . ."

Durch Beschluß vom 27. Oktober 1989 stellte das FG das Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein. Der Beschluß enthält weiter den Satz: ,,Die Klagerücknahme kann nicht widerrufen werden (Gräber/Koch, Kommentar zur FGO, 2. Aufl. § 72, Anm.19)."

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Kläger haben entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Einstellungsbeschluß vom 27. Oktober 1989 eine Beschwerde eingelegt. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat dies in der Beschwerdeschrift vom 9. Januar 1990 unzweideutig zum Ausdruck gebracht. Bei dieser Sachlage ist für eine Umdeutung der eingelegten Beschwerde in eine Anregung an das FG, das Verfahren fortzusetzen, kein Raum (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Januar 1989 IV B 206/88, BFH/NV 1990, 314).

Die Beschwerde ist auch nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Allerdings wird im Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht über das Vorliegen einer Klagerücknahme oder deren Wirksamkeit entschieden. Das Begehren der Kläger läßt jedoch wegen des Hinweises im Einstellungsbeschluß, die Klagerücknahme könne nicht widerrufen werden, erkennen, daß sich die Kläger mit einem Abschluß ihres Verfahrens durch den Einstellungsbeschluß gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht abfinden wollen. Die Beschwerde stellt auch ein geeignetes Mittel dar, das Verfahren vor dem FG wieder in Gang zu setzen, um dort geltend zu machen, die Klagerücknahme sei unwirksam (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1987 IV B 103/87, BFH/NV 1988, 459 und vom 21. Februar 1985 V B 75/84, BFH/NV 1986, 99).

Da dem Einstellungsbeschluß des FG bezüglich der Frage, ob eine Klagerücknahme vorliegt oder nicht, keine materiell-rechtliche streitentscheidende Wirkung zukommt, muß die Beschwerde dazu führen, daß der Einstellungsbeschluß aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit dieses im Urteilsverfahren sachlich über die Klage entscheidet oder ausspricht, daß die Klage zurückgenommen sei (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22.Januar 1987 VIII B 46/86, BFH/NV 1987, 524 und vom 19. September 1989 IV R 136/88, BFH/NV 1990, 379 m.w.N.).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt entsprechend § 143 Abs. 2 FGO der Entscheidung des FG im Hauptsacheverfahren vorbehalten (BFH-Beschluß in BFH/NV 1988, 459).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 299

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